Читать книгу Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft - Группа авторов - Страница 36

Gott nicht zu klein denken: Selbstevangelisierung

Оглавление

Die Grundfrage jeder Kirchenreform mündet letztlich in die spirituelle Existenzfrage: Wem vertrauen wir? Auf wen setzen wir die Hoffnung? Ist es das Vertrauen auf die Treue Gottes oder auf die scheinbaren Garantien der Kirche als Institution? Natürlich steht Kirchen-Reform immer an. Die ideale Kirche ist uns nicht verheißen. Sie ist nicht machbar. Und wer auszieht, um sie zu schaffen, sehe zu, dass er nicht fundamentalistisch überfordert oder heillos zerstört. Mit ausdrücklichem Rückgriff auf Impulse des II. Vatikanischen Konzils hat die Bischofssynode 1974 in der Evangelisierung die tiefste Identität der Kirche (Evangelii nuntiandi 14) erblickt und damit die Verkündigung in der Welt und die Erneuerung und Bekehrung der Kirche selber verbunden. „Jeglichem Ekklesiozentrismus (als Folge etwa der Fixierung auf binnenkirchl. Probleme in der nachkonziliaren Diskussion) wird damit eine Absage erteilt.“ (Mette 32001, 1031)

Empirische Daten über das System Kirche und ihr Handeln unter gesellschaftlichen Bedingungen sind Chancen, um Realitäten wahrzunehmen und Verständniszugänge zu gewinnen. Sie können Ratschläge erteilen. Aber sie können nicht das Evangelium ersetzen. Die Kirche darf nicht nur umfragenreaktiv in Blick genommen werden, sondern maß-geblich Botschaft-orientiert.

Die Seele der Kirche ist im Horizont der biblischen Botschaft die Einheit der Menschen- und Gottesliebe. (vgl. Karl Rahner) Kirche wird als solche da erfahren, wo Menschen sich miteinander auf den Weg und die Botschaft Jesu einlassen, und wo in unserem persönlichen und gesellschaftlichen Alltag von jener neueren und größeren Liebe und Hoffnung etwas gelebt und erfahren wird, von denen uns die biblischen Urkunden des Glaubens erzählen. Kirche wird demzufolge durch menschliche Beziehungen und Kommunikation zum anschaulichen Hinweis auf das anbrechende Reich Gottes. Konkret verleiblicht sich Kirche in unterschiedlichen Lebenskontexten und biographischen Abläufen als Volk des Gottes Jesu und als „Zeichen und Sakrament der Einheit mit Gott und der Einheit der Menschen untereinander“ (Lumen gentium 1) wie auch als empirisch zugängliche Gemeinschaft und als vernetzende Organisation. Somit hat sie gleichsam zwei Plattformen: die Menschenfragen und die Gottesfrage(n). Sie sind nicht zu trennen. Ansonsten drohen von beiden Ebenen her immer wieder Bodenlosigkeit, Realitäts-Verlust oder Gottes-Verlust. Somit wird Kirche insofern glaubwürdig und mystisch-spirituell einladend, als sich ihre Sozialformen und ihr pastorales Mühen immer wieder zur christlichen Tiefen-Dimension konvertieren. Dann wird sie zum Erlebnisraum gelebten Christseins. Sie muss dann nicht krampfhaft Gottes Handeln an ihre eigenen Bedingungen knüpfen. Sie kann in ihrer Selbstevangelisierung als Konversion zur christlichen Tiefe offen und gelassen werden, weil sie Gott nicht ängstlich zu klein denkt, sondern immer größer als alle unsere eigenen Möglichkeiten mit ihren Chancen und Tücken. Dann wird Kirche ökumenisch und offen für andere Religionen; sie wird dialogisch und heilend; sie wird politisch engagiert im Kontext von sozialer Gerechtigkeit, Freiheit, Menschenwürde und Solidarität; sie wird eine Gemeinschaft von Pilgern auf dem Weg und nicht von passiven Passagieren im Kirchenkahn; sie wird Weite in den Realitäten des Lebens gewinnen, weil sie sich der Tiefe ihrer Hoffnung im Vertrauen auf Gott aussetzt und hingibt; sie wird nicht der volkskirchlichen Pastoral des Erntens nachjammern, sondern ihre Sendung heute als Zeit des Säens wagen; sie wird Mut und Phantasie aufbringen, im Leben daheim zu sein und dort ihr „Adsum“ zu wagen; sie wird die einzelnen wohl selber gehen lassen, aber nicht alleine lassen, sondern gemeinsam den Weg suchen und gehen lassen.

So wird sich der Kirche die Einsicht als Auftrag und als Entlastung schenken, dass sie einer Liebe dient, die sie nicht selber erfüllen muss und kann. Gott ist immer größer.

Religion und Bildung in Kirche und Gesellschaft

Подняться наверх