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Zehn historische Begegnungen
ОглавлениеDie alten Helden der Schweizer Geschichte haben abgedankt. Gibt es neue Hauptpersonen, Vorkämpferinnen und Schlüsselfiguren, welche bei der Entwicklung der Schweiz eine wichtige Rolle gespielt haben? Als Herausgeberin und Herausgeber haben wir zehn historische Begegnungen ausgewählt und richten damit das Scheinwerferlicht auf zehn Zusammentreffen bekannter und unbekannter Frauen und Männer, die sich bekämpften oder ergänzten, eine gemeinsame Vision oder gegensätzliche Ziele verfolgten. Die zehn Essays führen an Orte, wo sich die Wege von zwei wichtigen Personen an einem zentralen Punkt der Geschichte kreuzten.
Am Anfang steht die Begegnung vom 9. Oktober 1351, als sich die Königin Agnes von Ungarn und der Zürcher Bürgermeister Rudolf Brun in Königsfelden bei Brugg trafen. Diese Begegnung auf Augenhöhe war für die Entwicklung der frühen Eidgenossenschaft wichtiger als alle bluttriefenden Schlachten und hehren Schwüre, die noch immer in Fernsehserien und Schulbüchern abgehandelt werden. Ein Leben lang stritten Salome und Ulrich Bräker und kämpften ums Überleben. Er schrieb, und sie, das ist kaum bekannt, führte das Geschäft. Diese Geschichte aus dem Toggenburg im 18. Jahrhundert illustriert, wie prekär die Existenz- und Aufstiegsmöglichkeiten im Bereich der textilen Heimarbeit waren. Das Essay zum Migrosgründer Gottlieb Duttweiler und seiner bis heute fast gänzlich unbekannten wissenschaftlichen Mitarbeiterin Elsa Gasser spielt in Zürich zum Zeitpunkt, als die Massenkonsumgesellschaft in der Schweiz noch ganz am Anfang stand. Wer weiss, dass die Ökonomin Elsa Gasser die Selbstbedienungsläden in der Schweiz eingeführt und das Kulturprozent erfunden hat?
Die zehn Essays erzählen Schweizer Geschichte auf eine neue Art: Sie führen an unbekannte Orte, paaren prominente mit auf den ersten Blick historisch unwichtigen Figuren und stellen zehn Themen in den Vordergrund. Die Autorinnen und Autoren streben nicht nach wissenschaftlicher Vollständigkeit, viel lieber verbinden sie anhand einer historischen Begegnung Konsum- und Wirtschaftsgeschichte, verweben Textil- und Kulturgeschichte oder paaren Medizin- und Geschlechtergeschichte. Mittels einer erzählerischen Gegenüberstellung versuchen wir den Spannungsraum zwischen Protagonistinnen und Protagonisten auszuleuchten, der gesellschaftliche Prozesse erfahrbar macht.
Die Form des Essays erlaubt es den Schreibenden und Lesenden, in eine neue historische Dimension vorzustossen: eine Dimension, die Räume, Gefühle und Vorstellungen erschliesst und die allein mit Quellen aus Archiven nicht zu belegen ist. Denn das Zusammentreffen der Vorkämpfer und Vorkämpferinnen in den zehn historischen Begegnungen ist nicht lückenlos aufgezeichnet, weder bei der Begegnung auf Augenhöhe zwischen dem Zürcher Bürgermeister und der Königin von Ungarn im 14. Jahrhundert noch bei der täglichen Zusammenarbeit zwischen Gottlieb Duttweiler und Elsa Gasser auf der Chefetage der Migros im 20. Jahrhundert. Daher existieren auch keine Bilder dieser von uns als Herausgeberin und Herausgeber vorgenommenen Paarungen. Eine Ausnahme bildet das Ehepaar Salome und Ulrich Bräker, von dem es eine Farbtafel aus dem Jahr 1793 gibt. Wie Ulrich Zwingli mit seinem radikalen Gegenspieler Conrad Grebel zusammentrifft, ist in keinem Gemälde festgehalten. Ebenso wenig gibt es ein Bild davon, wie der Schulmediziner Fridolin Schuler die Homöopathin Emilie Paravincini-Blumer in ihrer Stube eindringlich davor warnt, ihre Praxistätigkeit in Glarus weiterzuführen. Auch von der dramatischen Zuspitzung der Lage im Mai und Juni 1937 in Winterthur gibt es keine Fotos, die den Industriellen Hans Sulzer gemeinsam mit dem Gewerkschafter Ferdinand Aeschbacher zeigen. Daher beauftragten wir den Illustrator Michael Raaflaub, die Begegnungen in Szene zu setzen.
Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, viel Vergnügen auf dem Gang durch diese Schweizer Geschichte voller Begegnungen.
Elisabeth Joris
Bruno Meier
Martin Widmer