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[36]Argument

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In einem A.Argument soll eine →AussageAussage sachlich angemessen und rational begründet werden. Wir argumentieren, weil wir die →WahrheitWahrheit deskriptiver AussageAussagen wie ›Die Zunahme von Wirbelstürmen ist eine Folge des Klimawandels‹ oder die Richtigkeit normativer AussageAussagen wie ›Die Bürger der Industrieländer sollten mehr für den Klimaschutz tun als bisher‹ oft nicht direkt, z. B. durch →WahrnehmungWahrnehmung entscheiden können. In einem solchen Fall führen wir die problematische WahrheitWahrheit oder Richtigkeit einer Aussage auf die unproblematische oder zumindest unproblematischere WahrheitWahrheit oder Richtigkeit anderer AussageAussagen zurück. Einer solchen Zurückführung dient ein A. Die als wahr oder richtig zu erweisende AussageAussage ist die Konklusion des A.; die Aussagen, auf deren WahrheitWahrheit oder Richtigkeit die der Konklusion zurückgeführt wird, sind seine Prämissen. So ließe sich für die AussageAussage (Konklusion) ›Die Zunahme von Wirbelstürmen ist eine Folge des Klimawandels‹ mit den beiden Prämissen argumentieren, dass der Klimawandel u. a. in einer Erhöhung der Durchschnittstemperaturen besteht und dass, legt man die einschlägigen physikalischen Gesetze zugrunde, unter sonst gleichen Bedingungen Wirbelstürme umso häufiger auftreten, je höher die Durchschnittstemperaturen sind. Auch wenn A. für kontroverse Debatten unverzichtbar sind, sollte man das Argumentieren nicht mit solchen Debatten gleichsetzen. A. richten sich nicht stets nur an andere PersonPersonen, um sie von der WahrheitWahrheit oder Richtigkeit einer AussageAussage zu überzeugen. Auch wer allein über ein Problem nachdenkt, argumentiert. Argument

[37]In der Philosophie, die sich mit der RationalitätVernunft befasst, wurde früh über das Argumentieren nachgedacht, weil die Vernünftigkeit einer PersonPerson die Fähigkeit einschließt, für ihre eigenen Überzeugungen gut zu argumentieren (→VernunftVernunft). Seit der Ersten Analytik, der Topik und den Sophistischen Widerlegungen des AristotelesAristoteles ist die Theorie des Argumentierens eng verknüpft mit der →LogikLogik. Das liegt von der Zielsetzung eines A. her nahe, weil im günstigsten Fall die WahrheitWahrheit oder Richtigkeit der Prämissen die seiner Konklusion garantieren sollte. Dies ist bei einem A. der Fall, dessen Konklusion deduktiv aus den Prämissen folgt. Doch in vielen A. stützen die Prämissen die Konklusion nur mehr oder weniger stark. Daher unterscheidet man zwischen deduktiven und nichtdeduktiven A. (→Induktion). Grundsätzlich zu vermeiden sind beim Argumentieren Fehlschlüsse, die auf Regeln basieren, welche nachweislich immer wieder von wahren Prämissen zu falschen Konklusionen führen, etwa in dem A. ›Herr X aus einem Dorf in Brandenburg ist sicher ein Rechtsradikaler, denn davon gibt es in brandenburg. Dörfern mehr als anderswo‹.Argument

Notwendig für ein gutes A. ist, dass seine Konklusion logischLogik deduktivDeduktion oder zumindest induktivInduktion aus den Prämissen folgt. Gewisse logisch korrekte Schlüsse – etwa ›Da Hans nicht anwesend ist, wird er als Erster die Gödelschen Theoreme beweisen, falls er anwesend ist‹ – stellen gleichwohl keine guten A. dar. Für ein gutes A. müssen weitere Eigenschaften hinzukommen. Sie stehen im Mittelpunkt jeder A.-Theorie. So darf ein A. z. B. nicht zirkulär die Konklusion schon in versteckter Form als Prämisse benutzen. Jenseits der Frage, ob die Konklusion logisch aus den Prämissen folgt, untersucht die RhetorikRhetorik jene Eigenschaften, [38]die die Überzeugungskraft der A. erhöhen oder schwächen (Chaim PerelmanPerelman, Chaim, L’Empire rhétorique. Rhétorique et argumentation, 1977, dt. 1980). Zudem würde niemand z. B. vor Gericht ein A. akzeptieren, das das Strafmaß statt mit dem geltenden Gesetz mit allgemeinen philosophischen oder mathematischen Erwägungen begründet. In verschiedenen Kontexten (an verschiedenen ›Orten‹, griech. topoi = ›Orte‹) sind unterschiedliche Muster und Formen des Argumentierens einschlägig und zulässig; davon handelt die TopikArgument.

Unter Argumentationstheoretikern herrscht keine Einigkeit darüber, was ein A. zu einem guten A. macht. Strittig ist sogar die Rolle der formalen LogikLogik. Stephen ToulminToulmin, Stephen (The Uses of Argument, 1958, dt. 1975) und Vertreter der ›informellen Logik‹ (Douglas N. Walton, Informal Logic, 1989) glauben, dass A. nicht aus Prämissen mit einer logisch aus ihnen folgenden Konklusion aufgebaut sein müssen. Für ihre These spricht, dass eine Äußerung wie ›Ich komme heute Abend nicht mit ins Kino, da ich mich noch auf meine Klausur vorbereiten muss‹ von vielen als vollständiges A. akzeptiert wird, ohne dass die erste AussageAussage deduktivDeduktion oder induktivInduktion aus der zweiten folgt. Doch vielleicht akzeptieren wir solche A. nur deshalb, weil hinter ihnen ein nicht vollständig artikuliertes A. steht; in diesem Beispiel das A.: (1) Im Konfliktfall ist es wichtiger, sich auf eine Klausur vorzubereiten, als ins Kino zu gehen. (2) Heute Abend steht ein Kinobesuch mit der Klausurvorbereitung in Konflikt. (3) Steht ein wichtigeres Ziel A mit einem unwichtigeren Ziel B in Konflikt, so soll man statt B A realisieren. (4) Also sollte ich mich heute auf meine Klausur vorbereiten. Argument

Holm Tetens

[39]Lothar Kolmer / Carmen Rob-Santer: Studienbuch Rhetorik. Paderborn [u. a.] 2002.

Geert-Lueke Lueken (Hrsg.): Formen der Argumentation. Leipzig 2000.

Christoph Lumer: Praktische Argumentationstheorie. Theoretische Grundlagen, praktische Begründung und Regeln wichtiger Argumentationsarten. Braunschweig/Wiesbaden 1990.

Holm Tetens: Philosophisches Argumentieren. Eine Einführung. München 2004. 22006.

Nigel Warburton: Thinking from A to Z. London 1996. 32007.

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