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Aristotelismus
ОглавлениеDer A.Aristotelismus im engen Sinn ist die Gesamtheit der Lehren des antiken Philosophen AristotelesAristoteles. Im weiteren Sinn versteht man unter ›A.‹ ein Bündel philosophischer Auffassungen, die mehr oder weniger eng an Aristoteles anschließen und sich im Lauf der Überlieferung mit anderen Lehren gemischt haben. Aristotelismus
Die Geschichte des A. ist unstetig. Nur für zwei Generationen setzte die Peripatos genannte Schule des Aristoteles die begonnene Arbeit produktiv fort. Mit der Edition der Schriften des AristotelesAristoteles im 1. Jh. v. Chr. und der einsetzenden griech. Kommentierung erhielt der A. den Charakter einer Rückwendung. Die philosophische Ausbildung und Forschung im lat. Mittelalter wurde dann durch die Lektüre und Kommentierung von Schriften des Aristoteles beherrscht. Den Kern bildeten zunächst Texte, an denen die logischeLogik Argumentation geschult wurde. Seit 1200 wurde, vermittelt durch die Rezeption arab. Aristoteliker wie [40]AverroesAverroes, das Textspektrum erheblich erweitert. Die Lehren des Aristoteles eröffneten begrifflichen Bewegungsspielraum jenseits religiöser Vorgaben (→ScholastikScholastik). So wurde der aristotelische NaturNaturbegriff zur Emanzipation des politischen Denkens von der christlichen TheologieTheologie genutzt. Zugleich stellten die Schriften des AristotelesAristoteles Interpreten wie Thomas von AquinThomas von Aquin vor die Aufgabe, christliche TheologieTheologie und heidnische Lehre auszusöhnen. Aristotelismus
In der Renaissance (etwa 1350–1600) nahm die AristotelesAristoteles-Kommentierung bis dahin ungekannte Ausmaße an. Der vorläufige, von Polemik begleitete Abschied vom A. wurde im 17. Jh. im Gefolge von René DescartesDescartes, René vollzogen. Vermehrte Rückgriffe auf Aristoteles lassen sich dann wieder seit dem 19. Jh. im Zuge der philologisch-kritischen Erschließung des Aristoteles und des antiken A. beobachten. Von nun an sucht die Rückwendung zu AristotelesAristoteles gerne Heilmittel für das, was als neuzeitliche Fehlentwicklung gilt. Diese Wiederbelebung aristotelischer Positionen wird auch als ›Neoaristotelismus‹ bezeichnet.
Die Methode des A. folgt dem AristotelesAristoteles typischerweise in folgenden Hinsichten: Überzeugung von der Erkennbarkeit des Wirklichen, Drang zur Erkenntnis aller Bereiche der WirklichkeitWirklichkeit, Einteilung von →WissenschaftWissenschaft und →PhilosophiePhilosophie in getrennte Disziplinen, Unterscheidung von theoretischer und praktischer →VernunfVernunftt, Interesse an empirischenEmpirie Forschungen, Respekt vor anerkannten Meinungen aus dem Alltag und der Tradition und Verpflichtung der WissenschaftWissenschaften auf rigorose Standards des ArgumentArgumentierens. Aristotelismus
In der OntologieOntologie (→Metaphysik), d. h. der Lehre von dem, was es gibt, teilt der A. das Existierende in [41]verschiedene allgemeinste Arten ein, nämlich in die →KategorienKategorien, unter denen →SubstanzSubstanzen als fundamental ausgezeichnet werden. Im Gegensatz zum →PlatonismusPlatonismus werden im A. →UniversalienUniversalien nicht als den Dingen der ErfahrungErfahrungswelt vorgeordnet angesehen (ante rem). Vielmehr gilt: Allgemeine EigenschaftenEigenschaften existieren, aber nur, wenn es SubstanzSubstanzen mit solchen EigenschaftenEigenschaften tatsächlich gibt (in rebus). Zeitgenössische Vertreter des A. in der OntologieOntologie sind Peter StrawsonStrawson, Peter und David WigginsWiggins, David. StrawsonStrawson, Peter (Individuals, 1956, dt. 1972) argumentierte, dass Körper in der OntologieOntologie eine ausgezeichnete Stellung einnehmen, weil es ohne sie nicht möglich wäre, überhaupt auf etwas Bezug zu nehmen. Wiggins bekräftigte, zuletzt in Sameness and Substance Renewed (2001), die Sonderrolle von wesentlichen →EigenschaftenEigenschaften.Aristotelismus
Das →WesenWesen natürlicher Dinge ist ihre →NaturNatur. Der Naturbegriff des A. ist normativ, weil er beschreibt, wie Dinge sind, und ausdrückt, wie sie sein sollen. Wenn ein Löwe von NaturNatur aus vier Beine hat, so sollte er vier Beine haben, andernfalls ist er ein Krüppel. Der Begriff der NaturNatur prägt zum einen die PhysikPhysik des A. So wird dafür, dass Erde zu Boden fällt, die NaturNatur von Erde verantwortlich gemacht und nicht ein →NaturgesetzNaturgesetz. Die NaturNaturen der natürlichen Dinge bilden einen harmonischen KosmosKosmos, an deren Spitze eine ewige göttliche SubstanzSubstanz steht (→GottGott). Zum anderen bestimmt der Begriff der menschlichen NaturNatur den A. in →EthikEthik und politischer Philosophie (→PolitikPolitik). Die EthikEthik des A. fragt, was für einen Charakter man haben muss, um ein glückliches Leben zu führen bzw. um im Diesseits die Grundlage für ein glückliches Leben im Jenseits zu schaffen (→GlückGlück). Da der →MenschMensch seiner NaturNatur nach vernünftigVernunft [42]ist, muss er vernünftig tätig sein, um GlückGlück zu erlangen. Der MenschMensch gilt als von Natur aus politischPolitik, weil er von Natur aus in Gruppen lebt und die für soziales Leben nötige Ausstattung hat, insbesondere die Sprache. Die Bildung von StaatStaaten und die Begründung der Herrschaft einiger über andere werden mit Bezug auf die NaturNatur des MenschMenschen erklärt. Aristotelismus
Heute erfolgt eine explizite Berufung auf Aristoteles besonders in der praktischen Philosophie (Alasdair MacIntyreMacIntyre, Alasdair, Martha NussbaumNussbaum, Martha). Attraktiv erscheint die unterschiedliche Gewichtung der ethischenEthik Zentralbegriffe im Vergleich zu neuzeitlichen Konzeptionen: Nicht die Frage nach Pflicht und MoralMoralgesetz, sondern die nach dem GlückGlück und den erforderlichen charakterlichen EigenschaftenEigenschaften steht im Vordergrund (→Tugend). Gegenüber der Ausrichtung auf individuelle FreiheitFreiheitsrechte (→Freiheit) betont man die Notwendigkeit der in einer Gemeinschaft geteilten Vorstellung vom GutenGutes (→Liberalismus). Aristotelismus
Johannes Hübner
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Cary J. Nederman: The Meaning of ›Aristotelianism‹ in Medieval Moral and Political Thought. In: Journal of the History of Ideas 57 (1996) S. 563–585.
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