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Wo wird Nachhaltigkeit kommuniziert?
ОглавлениеDie Idee der Nachhaltigkeit hat in den vergangenen 25 Jahren eine Virulenz entwickelt, die zu einer diskursiven Auseinandersetzung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen geführt hat. Dementsprechend gibt es – anders als in Bereichen wie der Gesundheitskommunikation – keine sektoralen Grenzen oder gesellschaftlichen Subsysteme, auf die Nachhaltigkeitskommunikation begrenzt werden könnte bzw. in denen sie beheimatet ist. So wenig, wie es eine Theorie der Nachhaltigkeitskommunikation gibt, gibt es somit einen klaren Ort der Nachhaltigkeitskommunikation (vgl. Michelsen 2005).
Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig zu klären, in welch verschiedenen Arenen Nachhaltigkeitskommunikation in der Praxis stattfindet und wissenschaftlich beobachtet werden kann. Angelehnt an Unterscheidungen von gesellschaftlichen Subsystemen aus der soziologischen Systemtheorie skizzieren Newig et al. (2013) Tendenzen der Nachhaltigkeitskommunikation in den Bereichen Zivilgesellschaft, Bildung, Massenmedien, Wissenschaft, Politik und Wirtschaft (Newig et al. 2013). Innerhalb dieser großen gesellschaftlichen Bereiche lassen sich weitere Arenen konkretisieren, in denen sich Akteure deutend mit der Idee der Nachhaltigkeit auseinandersetzen. In ihrem Handbuch Nachhaltigkeitskommunikation unterscheiden Michelsen und Godemann (2005) verschiedene Handlungsfelder und Akteure: von Naturschutz über Konsum, Verkehr und Energie bis hin zu Unternehmen, Kommunen und Bildung. Eine weitere Unterscheidung, die den Gegenstandsbereich der Nachhaltigkeitskommunikation enger oder weiter fasst, ist die nach der expliziten oder impliziten Thematisierung von Nachhaltigkeit in der Kommunikation. Explizite Thematisierungen setzen sich auf direkte Weise mit dem Nachhaltigkeitsbegriff auseinander und deuten ihn aktiv aus. Beispiele sind politische Nachhaltigkeitsstrategien, unternehmerische Nachhaltigkeitsberichte oder schulische Programme zur Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE). Implizite Thematisierungen verwenden den Begriff der Nachhaltigkeit nicht notwendigerweise, eine aktive Ausdeutung des Begriffs findet hier nicht statt. Jedoch gibt es indirekte Bezüge, indem auf zentrale Problemstellungen und Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung Bezug genommen wird, wie sie aktuell prominent in den Nachhaltigkeitsentwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) formuliert wurden (z. B. Klimawandel, Hunger). Während eine explizite Thematisierung von Nachhaltigkeit im Kommunikationszusammenhang selbst stattfindet, braucht die Feststellung einer impliziten Thematisierung von Nachhaltigkeit stets einen externen Referenzmaßstab, da es entsprechender Kriterien bedarf, die darüber entscheiden, wann ein Nachhaltigkeitsbezug vorliegt und wann nicht. Im Fall einer expliziten Thematisierung von Nachhaltigkeit lässt sich von Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne sprechen, im Fall einer impliziten Thematisierung von Nachhaltigkeitskommunikation im weiteren Sinne. Je nachdem, ob ein engeres oder weiteres Verständnis von Nachhaltigkeitskommunikation zugrunde gelegt wird, verengt oder erweitert sich auch der Blick darauf, wo Nachhaltigkeitskommunikation in der Gesellschaft stattfindet.