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1.2 Geburtsstunde

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Mit der zunehmenden Festigung der Psychologie als Wissenschaft gegen Ende des 19. Jahrhunderts und der verstärkten Aufmerksamkeit auf förderliche sowie hinderliche Faktoren in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen entstand Anfang des 20. Jahrhunderts eine auf die Schule ausgerichtete Psychologie, die spätere Schulpsychologie. Aurin (1997) beschreibt vier Voraussetzungen, die den Einzug der Psychologie in die Schule begünstigten:

• Die Entwicklung von Verfahren zur Feststellung der menschlichen Intelligenz

• Erste Ansätze zu einer experimentellen Pädagogik und Didaktik

• Die Entwicklung einer Kinder-, Jugend- und Entwicklungspsychologie bis hin zu einer Pädagogischen Psychologie

• Reformen im Schulwesen mit einem Bemühen um eine individualisierte Förderung schwachbegabter, wie sie zu dieser Zeit genannt wurden, und besonders gut begabter Kinder

Als fünfte Linie sei auch die schrittweise Entwicklung des Sonderschulwesens genannt. Die Ende des 19. Jahrhunderts entstehenden Hilfsschulen für Kinder mit einer geistigen Behinderung und die ab den 1920er Jahren entstehenden Sonderschulen für Schülerinnen und Schüler mit Lernschwächen erforderten Verfahren zur Erfassung der Intelligenz sowie schulischer Leistungen und der Zuweisung zur passenden Schulform.

Die Geburtsstunde der internationalen Schulpsychologie kann auf das Jahr 1913 datiert werden. In diesem Jahr trat Cyrill Burt die erste Planstelle eines Schulpsychologen in London an (Keller, 2013). Burt war mit groß angelegten Intelligenzuntersuchungen, einer sonderpädagogischen Zuweisungsdiagnostik sowie mit Konzepten der Prävention von Lern-, Verhaltens- und Kriminalitätsproblemen beschäftigt. Bereits 1915 wurde im US-Bundesstaat Connecticut der erste amerikanische schulpsychologische Dienst unter der Leitung von Arnold Gesell eingerichtet, 1920 waren 200 schulpsychologische Stellen in den USA zu verzeichnen, 1940 bereits 500 (Keller, 2013).

In Deutschland forderte William Stern 1911 auf dem ersten Kongress für Jugendbildung und Jugendkunde in Dresden schulpsychologische Stellen. In Mannheim bemühte sich der damalige Schulrat Sickinger in den folgenden Jahren darum, unterschiedlich begabte und leistungsfähige Kinder zu fördern und Formen der Unterrichtsdifferenzierung einzuführen. Seine von ihm angestrebte Schule kann als ein Vorläufer der Gesamtschule gelten (Keller, 1997). Um diese Ideen umsetzen zu können, wurde mit Hans Lämmermann der erste deutsche Schulpsychologe 1922 in Mannheim angestellt. Wissenschaftlich ausgerichtet bildete er Lehrkräfte in Psychodiagnostik aus und führte Schullaufbahnberatungen auf der Basis von Intelligenztestuntersuchungen durch. Lämmermann entwickelte Testreihen zur Auswahl von Jugendlichen für die höhere Volksschule sowie für lernschwache Schülerinnen und Schüler, die sog. Hilfsschulen oder Förderklassen besuchen sollten.

In den Folgejahren wurde es ruhiger um die Schulpsychologie in Deutschland. Es sind keine weiteren Initiativen bekannt, bis zur Zeit des Nationalsozialismus schulische Reformen zurückgenommen und die Psychologie als Wissenschaft in Deutschland der nationalsozialistischen Doktrin unterworfen wurde und darüber hinaus weitgehend zum Erliegen kam.

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