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1.6 Der Paradigmenwechsel und seine Auswirkungen
ОглавлениеDiese Entwicklungen in der psychologischen Beratung und Psychotherapie begünstigten die seit 1985 intern geführten Diskussionen um eine Veränderung des Aufgabenprofils. Im Jahr 1988 wurde durch den damaligen Vorsitzenden der Sektion Schulpsychologie im BDP, Helmut Heyse, der Paradigmenwechsel in der Schulpsychologie proklamiert (Heyse, 1989). Heyse stellte fest, dass Schulen mehr psychologische Kompetenzen benötigen. Er forderte eine Abkehr von einer individualisierten Beratung sowie eine neue Ausrichtung der Schulpsychologie auf die Beratung von Schulen als System. Organisationsstrukturen und Arbeitsbedingungen der Schulen müssten analysiert werden. Die Veränderung der Einzelfallarbeit um einen familientherapeutischen Blickwinkel reichte seiner Meinung nach nicht aus. Heyse entwickelte vielfältige Initiativen in diese Richtung und widmete sich insbesondere dem Thema Lehrergesundheit.
Die Resonanz war gewaltig. Angebote zur Supervision von Lehrkräften wurden entwickelt, Beratungslehrkräfte (mit-)ausgebildet und die psychologische Schulentwicklung als Arbeitsfeld erschlossen. Während jedoch einige den Paradigmenwechsel als lange überfällig und die Beratung von Schulen als das einzige Aufgabenfeld für die Schulpsychologie definierten, waren andere zwar über die Erweiterung des Aufgabenfeldes erfreut, sahen jedoch weiterhin auch die Notwendigkeit der Einzelfallberatung. Die Diskussion um die Ausrichtung der Schulpsychologie war eröffnet. Der Deutsche Städtetag NRW definierte in verschiedenen Stellungnahmen beide Säulen als sich gegenseitig bedingend: Nur durch die Erfahrungen in der Einzelfallhilfe können sich auch systembezogene Ansätze entwickeln, sie befruchten sich gegenseitig (Städtetag Nordrhein-Westfalen & Landkreistag Nordrhein-Westfalen, 2002). Dennoch wurde in einigen Bundesländern die schülerzentrierte Schulpsychologie zurückgefahren und rein systemisch ausgerichtet ausgebaut. So setzte der Paradigmenwechsel neue Impulse frei, legte aber auch den Grundstein für eine rund 20-jährige Zerreißprobe und Diskussion um die »richtige« Schulpsychologie.
Bei den Diensten in kommunaler Trägerschaft führte der Paradigmenwechsel zu heftigen Spannungen und Stellenstreichungen, da die Beratung von landesbediensteten Lehrkräften nicht als Aufgabe der Kommune angesehen wurde. So setzte in den 1990er Jahren eine weitere Sparrunde ein: Stellen der öffentlichen Hand wurden gekürzt, ganze Dienste in Frage gestellt und das Angebot weiter abgebaut. Preiswertere Lösungen wurden gesucht, Ressourcen von Lehrkräften sollten entwickelt werden, Beratungslehrkräfte an Schulen wurden ausgebildet, erste Fachkräfte der Schulsozialarbeit eingestellt. Es entstand Konkurrenz zu anderen Unterstützungssystemen für Schulen. Die Schulsozialarbeit konnte niedrigschwellige Bedarfe bedienen, während die Schulpsychologie eine Veränderung der Rahmenbedingungen des Systems Schule forderte.