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2.4 Umsetzung: Hypothetisch-deduktives Denken

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Was sind konditionale Probleme, die im schulpsychologischen Alltag eine Rolle spielen können? Es handelt sich dabei um bedingungsabhängige Ausnahmen von vertrauten Gesetzmäßigkeiten der Art »Wenn A, dann B«. So hat sich etwa in der Psychologie die von Pädagogen und Pädagoginnen seit Generationen verinnerlichte Gesetzmäßigkeit: »Wenn ich lobe, erhöht das die Motivation des Schülers« empirisch gut bewährt. Dennoch gibt es Bedingungen, unter denen durch Lob eine Demotivierung des Schülers oder der Schülerin ausgelöst wird, weil der oder die solcherart Gelobte das Lob als indirekten Hinweis darauf interpretiert, dass die Lehrkraft ihn für weniger fähig als die Mitschüler hält. Das ist beispielsweise mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall, wenn die Lehrkraft sagt: »Für einen Schüler mit Förderbedarf hast du das wirklich gut gelöst!« (vgl. Rheinberg & Vollmeyer, 2010). Im Bereich des schulischen Lernens kennen wir viele gute Theorien und Erklärungsansätze, für die solche konditionalen Gültigkeiten nachgewiesen sind, die die Ableitung eindeutiger Vorhersagen aus den Theorien im Einzelfall erschweren (Hasselhorn & Gold, 2017).

Cheng und Holyoak (1985) haben zeigen können, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, konditionale Probleme im Alltag zu lösen. Stattdessen greifen sie auf pragmatische Regeln zurück. Ein solches Regelsystem ist beispielsweise der soziale Kontrakt. Dieses System enthält Regeln in der Form von »Wenn-dann-Beziehungen« (»Wenn A, dann musst du B tun«). Im Beispiel des Lobens könnte eine solche pragmatische Regel lauten: »Wenn die von einem Schüler gelöste Aufgabe gemessen an seinen bisherigen Leistungen eher leicht ist, dann verzichte auf eine ausdrückliche lobende Bemerkung«. Die Nutzung solcher Regeln in der eigenen beruflichen Domäne ist ein Bestandteil entsprechender Expertise. Erfahrene Lehrkräfte agieren in ihrem Lehrverhalten nach vielen solchen pragmatischen Regeln und tun dies auch erfolgreich.

Was aber ist, wenn man mit einem Problem konfrontiert wird, bei dem die pragmatischen Regeln versagen? In diesen Fällen ist es erforderlich zu erkennen, dass die pragmatischen Regeln nur verkürzte Faustformeln der realen komplexen hypothetischen Bedingtheit eines Phänomens darstellen. So stellt sich beispielsweise heraus, dass ein Schüler auch beim erfolgreichen Bewältigen einer schweren Aufgabe sich nicht durch das Lob des Lehrers motivieren lässt, ja immer mehr Anzeichen von Demotivierung zeigt. Dies widerspricht der pragmatischen Regel. Es entsteht Unsicherheit auf Seiten der Lehrkraft und es wird – wenn entsprechender Leidensdruck hinzukommt – vielleicht der Schulpsychologe oder die Schulpsychologin einbezogen. Dieser nutzt nun zur Lösung des Problems hypothetisch-deduktives Denken, indem er sich ein Bild vom konkreten Phänomen macht und dann unter Rückgriff auf alle ihm bekannten Erklärungsansätze für das Entstehen der beobachtbaren Symptome von Demotivierung eine Sammlung möglicher Ursachen und Erklärungen erstellt und systematisch Bedingungen der Überprüfungen herstellt, welche dieser potenziellen Auslöser im konkreten Falle die belastenden Phänomene ausgelöst haben könnten.

Lässt sich diese Art hypothetisch-deduktiven Denkens erlernen? Lehman, Lempert und Nisbett (1988) konnten zeigen, dass das Psychologiestudium nicht nur die Fähigkeit zur angemessenen Nutzung konditionalen hypothetisch-deduktiven Schlussfolgerns bei der Lösung komplexer Alltagsprobleme verbessert, sondern dies sogar in einem weitaus deutlicheren Maß als etwa bei Juristen oder auch Naturwissenschaftlern. In einer weiteren Studie der Autoren ergaben sich allerdings Hinweise darauf, dass diese Effekte noch nicht durch ein Bachelorstudium in Psychologie erreicht werden, sondern offensichtlich nur durch ein Vollzeitstudium (früher: Diplom; heute: konsekutives Bachelor- und Masterstudium). Nach Abschluss des amerikanischen »Undergraduate«-Studiums (entspricht dem Bachelor) zeigte sich nämlich noch kein belastbarer Zuwachs auf die praktisch nutzbaren Denkfähigkeiten (Lehman & Nisbett, 1990). Es ergaben sich allerdings empirische Hinweise darauf, dass neben der Dauer des Studiums die absolvierten Statistik- und Methodenveranstaltungen für das Ausmaß des positiven Denkschulungseffektes des Psychologiestudiums entscheidend sind (Fong & Nisbett, 1991).

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