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Zuwendung und Zutrauen

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In diesem Sinne müssen soziale Sicherungssysteme das Ziel haben, den (Wieder-)Einstieg ins Arbeitsleben zu fördern und zu fordern. Christlich-soziale Politik setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe – die Verbindung von gesellschaftlicher Solidarität mit persönlicher Verantwortung. Hilfe zur Selbsthilfe braucht Zuwendung und Zutrauen. Zuwendung zum Hilfesuchenden, Zuwendung zur Person mit ihren individuellen Sorgen, Hoffnungen und Bedürfnissen. Eine Zuwendung, die zu leisten nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialorganisationen gefordert sind, sondern jede und jeder Einzelne von uns in unserer individuellen Verantwortung für die und den Nächsten und unser unmittelbares Umfeld. Zutrauen bedeutet die grundsätzliche positive Einstellung, dass jede und jeder Wille und Fähigkeiten hat, der Hilfsbedürftigkeit zu entkommen. Dies anzuerkennen ist eine notwendige Grundvoraussetzung für ein Sozialsystem, das die Menschen wirklich stärkt.

In diesen Grundsätzen zeigt sich deutlich der Unterschied zwischen Sozialismus und christlich-sozialem Menschenbild. Wohl mit Blick auf das Gleichnis von den Talenten schreibt Papst Leo XIII. in der bereits erwähnten Enzyklika „Rerum novarum“: „Mit dem Wegfalle des Spornes zu Strebsamkeit und Fleiß würden auch die Quellen des Wohlstandes versiegen. Aus der eingebildeten Gleichheit aller würde nichts anderes als der nämliche klägliche Zustand der Entwürdigung für alle.“ Christlich-soziale Politik gestaltet also soziale Sicherungssysteme in der Form, dass sie Chancen und Anreize bieten, die Hilfsbedürftigkeit rasch wieder überwinden zu können. Damit verbunden sind allerdings auch Pflichten in dem Sinn, dass jede und jeder auch selbst etwas dazu beitragen, dafür leisten muss – sei es persönliche Weiterbildung, das Erlernen der deutschen Sprache oder die ernsthafte Bereitschaft, Chancen auch tatsächlich wahrzunehmen.

Zutrauen – im Sinne von fordern und fördern – ist für mich überhaupt ein zentrales Element christlich-sozialer Politik; und in gewisser Weise die Zwillingsschwester der Freiheit. Nur wer den Menschen grundsätzlich Vertrauen und Zutrauen entgegenbringt, wird ihnen guten Gewissens auch ein hohes Maß an persönlicher Freiheit zugestehen. Freiheit wiederum ist ein Wert, der direkt aus dem christlich-sozialen Personalitätsprinzip folgt. Der Theologe und Philosoph Clemens Sedmak, Professor für Sozialethik an der University of Notre Dame (USA) und Leiter des Zentrums für Ethik und Armutsforschung in Salzburg formuliert es ganz klar: „Gott will freie Menschen und hat uns deswegen die Freiheit geschenkt.“ Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Präsident der Deutschen Bischofskonferenz, würdigt die Freiheit sogar in seinem Wahlspruch: „Ubi spiritus Domini ibi libertas“ („Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“).

Christlich-soziale Signaturen

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