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Beitrag für die Demokratie
ОглавлениеChristliche Werte lassen sich aus theologischer Sicht auch für demokratische Interessen nicht einfach aus ihrem Glaubenskontext reißen. Sie sind untrennbar an den christlichen Glauben gebunden. Freilich ist das Label „christlich“ keine geschützte Marke, und eine falsche oder missbräuchliche Verwendung lässt sich daher weder verhindern noch sanktionieren. Zudem vertreten auch Menschen, die sich selbst als „religiös“ bezeichnen, Werthaltungen, die weder dem christlichen Glauben noch demokratischen Werten entsprechen. So zeigte die Europäische Wertestudie 2010, dass ein traditionell-religiöses Selbstverständnis signifikant mit erhöhtem Autoritarismus und einer stärkeren Fremdenfeindlichkeit sowie dem Wunsch nach einer homogenen Gesellschaft verbunden ist.24 Auch die Studien des PEW Research Forum on Religion & Public Life „Being Christian in Western Europe“ sowie „Eastern and Western Europeans Differ on Importance of Religion, Views of Minorities, and Key Social Issues“25 belegen, dass praktizierende Christinnen und Christen das Christentum und seine Werte signifikant häufiger als nicht praktizierende als kulturellen Identity-Marker zur Ab- und Ausgrenzung (v. a. vom Islam) benützen und Werthaltungen vertreten, die inkompatibel mit einer lebendigen Demokratie sind.
Wer jedoch die oben entwickelten Überlegungen und Kriterien berücksichtigt, kann und soll sowohl den Begriff der „christlichen Werte“ wie auch konkrete Werte des christlichen Glaubens in den demokratischen Diskurs einbringen.
Da der erste Ort der christlichen Werte christliche Glaubensgemeinschaften sind, bedeutet das praktisch, diese als Träger dieser Werte ausdrücklich in demokratische Diskurse einzubeziehen. Ein wesentlicher Beitrag der christlichen Werte besteht deshalb im Dialog mit christlichen Gemeinschaften, Gemeinden und Kirchen.
Christliche Werte können aber auch von jenen eingebracht werden, die den christlichen Glauben nicht teilen und keiner Glaubensgemeinschaft angehören. Theologisch setzt dies aber den Dialog mit den Trägern des christlichen Glaubens voraus sowie die Anerkennung der normativen Grundlagen des Christentums, zumindest der biblischen Tradition und der Verpflichtung zu deren vernünftiger Interpretation.
Zusätzlich eröffnet die Demokratie als zugleich säkularer und pluraler wie auf Argumente setzender Diskursraum die Möglichkeit, jene Christinnen und Christen, die ihre eigene Glaubenstradition nicht kennen oder leben, an ihr eigenes Ethos zu erinnern und zu dessen Verwirklichung anzuregen, indem theologisch qualifiziert auf christliche Werte verwiesen wird. Auch dies können und dürfen Menschen tun, die sich nicht als Teil der Glaubensgemeinschaft verstehen.
Unmöglich ist es jedoch, christliche Werte als kulturelle Identitätsmarker zu verwenden, die die Homogenität der Gesellschaft sichern und zur Ab- oder Ausgrenzung dienen sollen. Desgleichen verbietet sich aufgrund demokratischer Werte und theologischer Gründe eine Verbindung mit Durchsetzungs- und Machtansprüchen im Sinne einer allgemeinverbindlichen Leitkultur, der sich alle Bürgerinnen und Bürger unterzuordnen haben. Diesbezügliche „unheilige Allianzen“26 mit Parteien, die christliche Werte in diesem Sinn benutzen, sind aus theologischer Sicht keine Option. In einer Demokratie kann der Rekurs auf christliche Werte im Sinne eines Motivationshorizonts nur in Form von pluralen Beiträgen im öffentlichen und politischen Diskurs stattfinden. Als solcher aber ist er nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll.