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Die vier Grundprinzipien der katholischen Soziallehre

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Der Begriff der Personalität ist breiter als der des Individuums angelegt und bildet das Fundament der Soziallehre. Jeder Mensch ist einmalig und individuell geschaffen; jeder Mensch ist eine Einheit aus Leib und Seele. Als Abbild Gottes besitzen Mann und Frau dieselbe Würde und sind gleichwertig, aber nicht jedes Individuum ist gleich an Talenten und Fähigkeiten. Die einzelne Person erschöpft sich nicht in ihrer Individualität, sondern jeder Mensch ist seinem Wesen nach sozial und strebt nach Gemeinschaft. Menschliche Gemeinschaften sind dabei nicht einförmig, sondern pluralistisch. Damit die Entfaltung der Persönlichkeit sich nicht in Egoismen erschöpft, sondern dem Wohle aller dient, folgt aus dem Personalitätsprinzip in naturgemäßer Konsequenz das Gemeinwohlprinzip. Um das Gemeinwohl in der Gesellschaft zu verwirklichen, ist jede und jeder Einzelne in die Pflicht genommen, muss sich individuellen Anlagen gemäß beteiligen. Das Gemeinwohl wird in der katholischen Soziallehre im Unterschied zum historischen Materialismus weder ausschließlich historisch noch ausschließlich materialistisch definiert, es verfolgt vielmehr eine transzendente Zielsetzung, die nicht auf bloße sozioökonomische Kennzahlen verkürzt werden kann. Schließlich lebt der Mensch nicht von Brot allein. Wohlstandsverwahrlosung ist ein sicheres Indiz dafür, dass menschliche Armut nicht nur in ökonomischen Begriffen gedacht und argumentiert werden darf.

Das dritte Grundprinzip, die Subsidiarität (von lat. „subsidium“: Hilfe, Reserve), setzt Selbstverantwortung vor staatliches Handeln. Was der einzelne Bürger in Vereinen, in der Familie, in der Nachbarschaft, in seiner Gemeinde, in seiner Region selbstständig schaffen, produzieren und verwalten kann, soll er nicht an den anonymen staatlichen Verwaltungsapparat delegieren. Verantwortungsgefühl entsteht durch räumliche Nähe, individuelle Betroffenheit und persönliche Taten, und nicht durch Anonymität und rhetorisch-abstrakte Gesten. Subsidiarität will die ursprünglichen und natürlichen gesellschaftlichen Ausdrucksformen und örtliche territoriale Besonderheiten und Gegebenheiten schützen, sie politisch und gesetzlich fördern und unterstützen. Der bürgerliche Leitsatz der Hilfe zur Selbsthilfe findet darin seinen Ursprung: „Wie das, was von einzelnen Menschen auf eigene Faust und in eigener Tätigkeit vollbracht werden kann, diesen nicht entrissen und der Gemeinschaft übertragen werden darf, so ist es ein Unrecht und zugleich ein schwerer Schaden und eine Störung der rechten Ordnung, das auf eine größere und höhere Gemeinschaft zu übertragen, was von kleineren und niedrigeren Gemeinschaften erreicht und geleistet werden kann; denn jede gesellschaftliche Tätigkeit muss ihrem Wesen und ihrer Natur nach den Gliedern des gesellschaftlichen Leibes Unterstützung leisten, darf sie aber niemals zerstören und aufsaugen.“7

Für die Verwaltung bedeutet dies, dass Körperschaften höherer Ordnung (zum Beispiel der Bund) gegenüber der nachgeordneten „eine Haltung der Hilfestellung – also der Unterstützung, Förderung und Entwicklung – einnehmen“.8 Der Staat muss also dem Individuum helfen, seine Potenziale optimal auszuschöpfen. Bürgerliche Mitbeteiligung am politischen Willensprozess sind die Eckpfeiler der Subsidiarität. Um dieses Prinzip glaubwürdig zu vertreten, müssen Gesellschaften etwa attraktive Aufstiegsmöglichkeiten für unterprivilegierte Menschen und Migranten schaffen; eine subsidiär organisierte Gesellschaft muss sozial durchlässig sein und innergesellschaftliche Mobilität ermöglichen.

Im vierten Prinzip, dem Solidaritätsprinzip, kommt die wechselseitige Abhängigkeit von Individuen und Gruppen (seien es Völker, Schichten, Institutionen) zum Ausdruck; zwischen solidarischem Handeln und Gemeinwohl besteht also ein kausaler Zusammenhang. Christlich verstandene Solidarität ist aktiver als der sozialdemokratische Solidaritätsbegriff angelegt, der Solidarität passiver und abstrakt-delegatorisch als Recht des Einzelnen definiert, sich im Notfall auf die Hilfe der anderen (staatliche Hilfe, Solidargemeinschaft) verlassen zu können. Der christliche Solidaritätsbegriff ist umfassender: einerseits als soziales Prinzip, andererseits auch als moralische Tugend.

Christlich-soziale Signaturen

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