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Pluralität
ОглавлениеDie Anerkennung von Pluralität gehört zum Wesen der Demokratie. Für die biblische Tradition bildet sie Ausgangslage und Normalität der Wirklichkeit. Im Schöpfungsakt Gottes entsteht eine plurale Welt. Auch der Mensch wird erst zu zweit – als Mann und Frau, im Dialog, plural – zum Abbild Gottes. Pluralität beschreibt also weder eine Materialaussage noch einen objektiven Sachverhalt, sondern den konstitutiven Beziehungs- und Dialogcharakter der Schöpfung. Alles Geschaffene steht miteinander und mit Gott in Beziehung: Belebte und nicht belebte Wesen, Tiere und Pflanzen, Menschen, der ganze Kosmos ist Beziehung und verwirklicht sich als Dialog. Die Pluralität der Menschen gründet vor aller ethnischen Zugehörigkeit in ihrer Einzigartigkeit. Die Störung dieser Art von Beziehungs-Einheit heißt biblisch „Sünde“.
Diese Sichtweise kann der Demokratie dabei helfen, sich Pluralität nicht als Summe sozial, kulturell und religiös verschiedener Gruppen oder als materielle Entitäten vorzustellen, die politisch gemanagt werden müssen, sondern ermutigt dazu, dass zwischen den Verschiedenen – Individuen wie Gruppen – Prozesse des Dialogs und der Kommunikation gefördert werden können, die Beziehung ermöglichen und Gesellschaft gestalten.
Diese Pluralität ist freilich auch aus biblischer Sicht keine friedliche, harmonische Idylle. Davon erzählt die Geschichte vom Turmbau zu Babel (Gen 11).27 Nach der Sintflut wieder zu einer Menschheit aus vielfältigen Menschen und Völkern geworden, wollen die Menschen mittels dieses Turmbaus aus eigener Kraft untereinander Einheit herstellen. Alle haben sich diesem Projekt zu unterwerfen. Aber indem Gott dieses Projekt beendet und die Sprachen vervielfältigt, verhindert er, dass solche Uniformierungsprojekte ewigen Bestand haben können. Die Verschiedenheit der Sprachen und Kulturen wird zur Normalität. Sie ist schmerzhaft, aber schützt den Einzelnen zugleich vor Vereinnahmung. Sie macht Kommunikation und das Lernen von wechselseitigem Verständnis erforderlich. Einheit unter den Menschen wird als Prozess dialogisch-kommunikativer Einigung verstanden und kann nur von Gott selbst hergestellt werden.28 Laut biblischem Zeugnis scheitern langfristig alle menschlichen Projekte, die Einheit mit Macht und Gewalt herstellen wollen. Die gesamte Bibel kann auch gelesen werden als Lernprozess, wie die Pluralität der Menschheit gestaltet werden und Letztere in ihrer Verschiedenheit eine werden kann.
Pluralität demokratisch gestalten bedeutet daher auch, darauf zu verzichten, Einheit durch die gewaltförmige Schaffung uniformierender Großprojekte oder die Durchsetzung von Mehrheiten auf Kosten von Minderheiten schaffen zu wollen, sondern auf der Basis von argumentierendem Dialog und Partizipation (Konflikte inklusive) auf die Gestaltung der allen gemeinsamen, einen Welt durch Kommunikation vertrauen zu dürfen.