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Eigenverantwortung gilt für unterschiedliche institutionelle Ebenen
ОглавлениеDie Handlungsreichweite der Menschen hat sich erweitert: von Nachbarschaften und Städten über Regionen und Nationen bis zu Europa und der Welt. Die zeitweise betonte politische Einheit, der Nationalstaat, ist längst auch Teil eines politisch-administrativen Mehrebenensystems geworden. Wir haben es mit dem weiten Feld von Subsidiarität und Zentralität, Lokalismus und Kosmopolitismus, Föderalismus und Einheitlichkeit zu tun; aber auch mit der Logik von verhaltensbestimmenden Systemen. Die Theoretiker des Marktversagens stellen immer wieder heraus, dass eine ungenügende Definition von Eigentumsrechten die Eigenverantwortung beseitigt, weil die negativen Konsequenzen individuellen Handelns eine Gemeinschaft (ein Kollektiv) trägt. Allmende-Probleme unterhöhlen die Eigenverantwortung. Damit ist es dem Einzelnen gestattet, „unverantwortlich“ zu sein für das Ganze. Regelsysteme sollen tunlichst Freerider- beziehungsweise Gefangenendilemma-Situationen vermeiden, denn die Berufung auf die Eigenverantwortung der Akteure (im Sinne einer Forcierung von Moral zulasten des Eigeninteresses) scheint nicht hinreichend zu funktionieren.
(a) Dass die Staaten für die Aufrechterhaltung „nachhaltiger Meere“ verantwortlich sind, würden die meisten befürworten, doch bislang hat dies zu keinen ausreichenden Konsequenzen geführt. Die Klimapolitik ist generell ein gutes Beispiel dafür, dass die Eigenverantwortung sich nicht selten der Eigensucht beugt; denn die Forderungen nach durchsetzungskräftiger Öko-Politik gehen einher mit großen Aversionen gegen alle Maßnahmen, die zu irgendeiner persönlichen Verhaltenseinschränkung führen würden. Es ist Heuchelei, vehement Forderungen an die Politik zu erheben, aber bei jeder kleinen Beschränkung des Autoverkehrs einen Proteststurm auszulösen.
(b) Im wirtschaftlich-politischen Bereich versucht die Europäische Union, durch Regelsetzung gewissen Dilemmata mangelnder Eigenverantwortung zu entkommen. Wenn Banken leichtsinnige Kreditpolitik betreiben, aber wissen, dass sie im Bedarfsfall durch die EU aufgefangen werden, ist dies ein Anreiz, über alle politische Vernunft hinaus zu handeln. Wenn Staaten wissen, dass es sich die Europäische Gemeinschaft nicht leisten kann, Mitglieder „zusammenkrachen“ zu lassen, werden sie eine leichtsinnige Politik in Verfolgung innenpolitischer Machtspiele betreiben – Griechenland war das erste Beispiel, Italien drängt sich auf, Brexit wird folgen. Das heißt zum einen: Auch Kollektive sind „eigenverantwortlich“ – und die Menschen haben (fatalerweise) die Konsequenzen ihrer (Wahl-)Entscheidungen zu tragen. Auch jene, die dagegen waren oder sind, müssen entsprechende Folgen gegen sich wirken lassen. Mitgefangen und mitgehangen. Und es heißt zum anderen: Vorstellungen einer europaweiten Transferunion zielen auf die Dauerhaftigkeit von Umverteilungsvorgängen und entlasten „Nachzügler“ und „Opportunisten“ von wirtschaftlicher Vernunft.
„Eigenverantwortung“ bezieht sich somit auf das eigene Tun, aber durch die Teilhabe an einer „Lebensgemeinschaft“ (im Sinne sozialer Agglomerationen, vom Dorf bis zur Nation und darüber hinaus) hat sie auch eine kollektive Komponente. Politische Entscheidungen gelten für Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die sich in freier Wahl eine schlechte Regierung auferlegt haben. Venezuela ist nur das jüngste Beispiel unter anderen süd- und mittelamerikanischen Ländern, die durch sozialistische Gestaltungsversuche aus dem Wohlstand in den Ruin getrieben wurden.9 Wenn frei gewählte Regierungen trotz des Reichtums im Land die Bevölkerung im Elend verkommen lassen, handelt es sich in erster Linie um ein Problem von Eigenverantwortung, nicht um die Verantwortlichkeit besonnenerer Regierungen.