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Eigenverantwortung setzt bei der persönlichen Identität an

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Eigenverantwortung beginnt bei der eigenen Person. Diese Person muss „entwickelt“ werden: Besinnungslosigkeit ist mit Eigenverantwortung nicht verträglich, ebenso wenig wie Stumpfheit, Unverständnis, Gesinnungsmangel. Eigenverantwortung ist eine Zumutung an das Individuum – es ist für sich verantwortlich. Zugleich drückt diese Zumutung Wertschätzung und Respekt aus – das Individuum zählt.

(1): Max Scheler hat auf die allgemeine Tendenz schon 1921 aufmerksam gemacht, und viele andere später auch: die Tendenz, die menschliche Eigenverantwortung durch die Bestimmung zusätzlicher ökonomischer, psychologischer oder (vor allem) gesellschaftlicher Einflüsse einzuschränken (Scheler 1921). Wenn immer neue Bestimmungsgründe vorder- oder hintergründiger Art namhaft gemacht werden, die das Verhalten des Einzelnen lenken, prägen oder letztlich determinieren, wird dem Einzelnen jede Verantwortlichkeit und jede Schuld abgesprochen (Messner 2001, S. 292); er benötigt dann keine Reue, keine Überlegungen zum Umdenken, ja letzten Endes keine Anstrengung. Es sind dann immer die „Verhältnisse“, gar nicht mehr die Menschen selbst, die als „Wirkkräfte“ angesehen werden. Es bedarf konsequenterweise auch keiner Reflexion über die Angemessenheit des eigenen Verhaltens oder die eigenen begangenen Fehler, denn die entscheidende Determinante ist dieser Auffassung zufolge eben nicht beim Einzelnen zu suchen.

Es ist andererseits trivial festzustellen, dass man nicht nur durch seine genetische Erbschaft, sondern auch durch Erziehung, Herkunft und Milieu geprägt ist. Daraus ergeben sich Grenzen der Zurechnungsmöglichkeit. Gleichwohl kann nicht jedes Handeln durch die Umstände gerechtfertigt oder entschuldigt werden, zumal unter ähnlich beschränkten Verhältnissen andere Individuen erfolgreicher oder anständiger geworden sind. Es gibt in einer soziologistisch ideologisierten Gesellschaft einen Trend zur billigen Exkulpation: Wenn man aus der Schule fliegt, ist das bildungsferne Elternhaus schuld; wenn man zu viel trinkt, musste man dem Druck bei gesellschaftlichen Anlässen nachgeben; wenn man sich überschuldet, wurde man Opfer des generellen Konsumismus oder Modewahnsinns; die Person ist niemals schuld. Aber natürlich setzt Eigenverantwortung Kompetenzen voraus, die nicht aus dem gesellschaftlichen Nichts kommen: Verantwortung braucht Verantwortungsfähigkeit. Trivialerweise beginnen solche Fähigkeiten mit Information, Bildung und Reflexion.

(2): Die Zumutung individueller Verantwortlichkeit hat auch in Rechnung zu stellen, dass gerade die Insassen einer postmodern-individualistischen Gesellschaft unermüdlich den Anspruch erheben, ihr eigenes Selbst finden, gestalten und ausagieren zu wollen (Keupp 1999; Berger/Hitzler 2010). Bei allen Übertreibungen und Illusionen steckt in dieser Forderung ein ausgeprägter Gestaltbarkeitsanspruch. Man fühlt sich nicht nur als willenloses Produkt der Verhältnisse, man hat einen Teil seiner Identität selbst ausformuliert und entwickelt; konsequenterweise ist man dann zumindest teilweise für die Person, die man geworden ist, verantwortlich. Was dieses Selbst tut, ist deshalb auch unter dem Aspekt der jeweils individuellen Verantwortung zu sehen – auch wenn es Milderungsgründe für übles Verhalten und Minderungsgründe für Leistungserfolge geben mag. Ein triviales Beispiel ist die Eigenverantwortung für den eigenen Körper – nicht ganz inaktuell in Anbetracht einer Verfettungsepidemie, die sich durch die modernen und sich modernisierenden Länder zieht. Das Argument, dass man den wohlgefüllten Tischen reicher Länder nicht Widerstand zu leisten vermag, ist eine Art von Selbstdesavouierung. Norbert Bolz bringt ein bürgerliches Prinzip ins Spiel: „Freiheit impliziert Selbstdisziplin. Frei ist ein Mensch, dessen Selbstwertgefühl aus Selbstdisziplin erwächst. Kein Selbst ohne Selbstdisziplin.“ (Bolz 2010, S. 75).

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