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Würde
ОглавлениеDie Würde des einzelnen Menschen – seine Einzigartigkeit, seine Einmaligkeit sowie das Verbot, Menschen für Zwecke jedweder Art zu benützen und die damit verbundenen Grund- und Menschenrechte auf ein menschenwürdiges Leben – gehört zu den „Core Values“ der liberalen Demokratie wie auch des christlichen Glaubens.
Die Bibel begründet im Buch Genesis diese Würde mit der Schöpfung des Menschen durch Gott. Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes. Das Wort „Abbild“ ist eine Übersetzung der hebräischen „Gottesstatue“, die in der altorientalischen Vorstellung die Wirklichkeit Gottes in der Welt repräsentiert. Während im Alten Orient aber nur der oberste politische Gottkönig („Pharao“) Gott repräsentiert, erklärt die Genesis alle Menschen in gleicher Weise zu Gottes Repräsentanzen in der Wirklichkeit. Damit einher gehen Rechte, insbesondere für die marginalisierten, schwachen Mitglieder der Gesellschaft („Witwen, Waisen, Fremde“; „Arme“), deren Ursprung nun nicht mehr im Belieben eines irdischen Herrschers liegt, sondern die von Gott selbst verliehen werden. Wer die Rechte der Armen verletzt, vergeht sich an Gott selbst.
Übersetzt in eine säkulare Sprache bedeutet dies, dass die Würde des Menschen mit Rechten verbunden sein muss, die der willkürlichen menschlichen und politischen Verfügbarkeit entzogen sein müssen, um garantiert werden zu können. Die biblische Sicht auf den Menschen betrachtet diesen außerdem als einem transzendenten Geheimnis entstammend. Dies schützt ihn davor, ökonomisch auf eine Arbeitskraft oder Humanressource, biologisch und chemisch auf eine Ansammlung von Genen, Hormonen und Atomen, politisch auf Machtfaktoren, sozial- und kulturwissenschaftlich auf ein Resultat sozialpsychologischer Gesetzmäßigkeiten oder kultureller Identitätsdiskurse reduziert und festgelegt zu werden. Dadurch wird der Einzelne davor bewahrt, eine namenlose Nummer zu werden. Seine Freiheit entzieht sich überdies auf diese Weise jeglichem totalitären Zugriff.
Diese Würde eignet jedem Menschen vor aller Leistung und trotz aller Schuld. So kann denn auch niemand, der christliche Werte vertritt, das Recht der Armen auf Würde – und sei die Armut selbst verschuldet – von deren Leistung abhängig machen.