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3 Was macht Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care (ATP-P)? Friedhilde Bartels 3.1 Einleitung

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Durch (krankheits-,) palliativbedingte oder auch im Alter die zusätzlichen altersbedingten Funktionseinschränkungen sowie begrenzte Kompensations- und Anpassungsfähigkeit und die damit einhergehende erhöhte körperliche, kognitive und emotionale Instabilität sind palliative Personen besonders zusätzlich gefährdet. Es können weitere Komplikationen oder Folgeerkrankungen – bei Tumorpatienten z. B. die Metastasen – auftreten. Diese beinhalten das Risiko, dass die betroffenen Personen ihre Alltagskompetenz schneller verlieren und vorzeitig (im Vergleich zu keinen Komplikationen) instabil, pflegebedürftig und schwer leidend werden.

Die palliative Person, die evtl. schon länger weiß, dass es keine grundsätzliche Heilung mehr gibt, wird trotzdem den Wunsch äußern und das Bedürfnis haben, die ihr verbleibende Zeit möglichst lange selbstständig und vor allem auch selbstbestimmt zu gestalten.

Daher ist ein spezifisches Behandlungskonzept notwendig, welches sich nach den individuellen Bedürfnissen in diesem Falle – von palliativen, aber auch sterbenden Personen – richtet und sich stets an der individuellen Erkrankungs- und Lebenssituation der Person orientiert.

Angesichts dieser oben beschriebenen verschiedenen »Aspekte« besteht das Ziel des spezifischen pflegerischen Behandlungskonzepts in der Palliativversorgung darin, die Betroffenen bei der Aufrechterhaltung und evtl. Wiedererlangung der größtmöglichen Selbstständigkeit zu unterstützen oder den Verlust von Selbstständigkeit möglichst lange hinauszuzögern, damit weitgehend ein selbstbestimmter Alltag gelebt werden kann. Die Aktivierend-therapeutisch Pflege unterstützt diesen Weg der Selbstbestimmung und Selbstständigkeit. Sie stellt daher eine Verzahnung von kurativen und palliativen Maßnahmen dar.

Die Anwendung ATP ist in allen frührehabilitativen Komplexbehandlungen und Rehabilitationen verankert und war bis 2019 auch in den Komplexbehandlungen für die Palliativversorgung enthalten. Dort hieß sie allerdings etwas anders.

Die erste Definition und Beschreibung der ATP fand für den Fachbereich der Geriatrie statt. Mittlerweile gibt es die Deutsche Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V. (DGATP) mit sechs Sektionen der ATP in verschiedenen Anwendungsbereichen. Die Palliativversorgung gehört auch dazu.

Merke: Auch wenn es sich so anhört, als sei die ATP eher der Rehabilitation zuzuordnen, gehört sie zur Palliativpflege, denn auch die Rehabilitation geht von der Geburt bis zum Tod! (vgl. Lieps 2021)

Aktivierend-therapeutische Pflege durch besonders geschultes Pflegepersonal als Mindestmerkmal ist als ein therapeutisches Gesamtbehandlungskonzept auch der Palliativversorgung eingebunden. ATP-Interventionen können Elemente der palliativen Pflege sein und bilden das Gesamtkonzept mit dem palliativen Team.

Definition Aktivierend-therapeutische Pflege – kurz ATP

»Aktivierend-therapeutische Pflege (ATP) ist ein sektorenübergreifendes, alters-unabhängiges, pflegerisches Angebot von dazu qualifizierten Pflegenden. Es fördert ressourcenorientiert die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Teilhabe einer Person und ist an deren Lebenssituation und -umfeld angepasst«. (Schumann 2018)

Auf dieser Grundlage der Definition der DGATP e. V. wird die Pflege zur Aktivierend-therapeutischen Pflege auch in der Palliative Care!

Kasten 3.1: Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care ist immer

• ein fließendes Zusammenspiel von vorhandenen Ressourcen der palliativen Person und

• der daran angepassten und damit abgestimmten Unterstützung der Pflegenden.

Selbstständigkeit und Selbstbestimmung

Die Beachtung sowie Umsetzung von Aspekten der Beziehungsarbeit und die Anbahnung von strukturierten noch möglichen Bewegungsabläufen sind wesentliche Voraussetzungen für das Erreichen des individuellen therapeutischen Wunschziels.

Für die Festigung des Behandlungserfolgs ist die Beratung der palliativen Person sowie ihrer Angehörigen bzw. Bezugspersonen unerlässliche Voraussetzung!

Das therapeutische Pflegeziel ist, die individuell erreichbare

• Mobilität der schwerkranken, palliativen oder sterbenden Person und

• die Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Teilhabe in der Form, wie diese vor der jeweils letzten Verschlimmerung bestanden haben, wieder zu erreichen.

Dies beinhaltet, die schwerkranke, palliative Person mit Funktionseinschränkungen trotz und mit ihren Einschränkungen die Möglichkeiten ihres Tuns erfahren zu lassen und dahingehend zu motivieren, mit pflegerischer Unterstützung Aktivitäten zu erhalten oder wieder zu erlernen.

Das therapeutische Pflegeziel ist immer – die individuellen Aspekte/Bedarfe betreffend – aus Sicht der palliativen Person zu erstellen. Diese sind im Vordergrund oder in den Mittelpunkt zu stellen mit dem Ziel, den Erkrankten so auf seine Ressourcen ( Kap. 6) aufmerksam zu machen, um ihn zu motivieren, seine Kräfte schonend zu trainieren und seinen Elan zu nutzen, um sich Wünsche zu erfüllen, um die Selbstbestimmung zu fördern und eine noch zu erreichende Mobilität zu erhalten.

Dies beinhaltet, die kranke, palliative Person samt den schon vorhandenen Funktionseinschränkungen sowie mit ihrer immer wiederkehrenden Begrenzung die Möglichkeiten ihres Handelns erfahren zu lassen und dahingehend zu motivieren, mit ATP-Unterstützung Aktivitäten zu erhalten und/oder wieder zu erlernen und einzuüben. Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care« greift auch die Arbeit der Therapeuten auf, setzt diese im interdisziplinären Behandlungskonzept der Palliativversorgung fort und gibt Impulse zur Zieldefinition des Behandlungsteams im Palliativbereich.

Die subjektive übergeordnete Zielformulierung, die therapeutischen Pflegeziele und Auswahl der erforderlichen Interventionen im Rahmen der Aktivierend- therapeutischen Pflege in der Palliative Care werden gemeinsam mit dem Betroffenen und im interdisziplinären palliativen Team und ggf. mit den Angehörigen erarbeitet, umgesetzt und evaluiert.

Die ATP-P wird geprägt von einem Beziehungsprozess mit zielgerichteten Maßnahmen und (trainierenden) Aktivitäten mit dem Betroffenen.

In einem Positionspapier der DGATP haben wir die Beziehung zur Person so beschrieben:

»Das sektorenübergreifende pflegerische Konzept ATP zeichnet sich durch pflegerische Aspekte, [sic] wie Selbständigkeit erhalten und Selbstbestimmung ermöglichen aus, um nachhaltig Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu lindern. Die ATP stellt die Beziehungsarbeit deshalb an ihren Anfang, um gemeinsame Zielabsprachen, die Aushandlung des Pflegeplans mit den betroffenen Personen zu erarbeiten. Beziehungsarbeit und gemeinsame Interaktionen, verstanden als Kommunikation, Wahrnehmung und sich anschließende Interaktion […]«

(DGATP 2019)

Das passt sehr gut in den palliativen Kontext, denn auch hier sind besonders die Beziehungsarbeit, Kommunikation samt der Biographieerstellung und -arbeit ein Türöffner zur schwerkranken, palliativen oder sterbenden Person ( Kap. 7).

Ein wesentlicher Bestandteil für die Handlungsabläufe ist die Motivationsförderung. Diese geht jeder Maßnahme voraus. Jede Durchführung ist immer ein fließendes Zusammenspiel von vorhandenen Ressourcen der erkrankten Person und der darauf angepassten und abgestimmten Unterstützung durch die Pflegenden. Der erste Eindruck bei der ersten Begegnung und eine Biographieerstellung in einer guten und zugewandten Atmosphäre sind ein positiver Begleiter der Motivationsförderung.

Mut machen und gemeinsam an einem therapeutischen Pflegeziel zu arbeiten, dies verbindet die Pflegende und die erkrankte Person und schafft ein Bündnis. Dieses gibt der schwerstkranken, sterbenden oder der palliativen Person die Möglichkeit, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, auf diese die Pflegende dann eingehen kann (Bedürfniserfüllung) ( Kap. 7).

In den weiteren Auflistungen der Handlungs- und Pflegeschwerpunkte sind die Besonderheiten der Selbstversorgung und der Bewegung beschrieben. Sie sind immer im Kontext der Bedarfe der einzelnen schwerkranken, palliativen oder sterbenden Person zu sehen. Eine qualifizierte Pflegende mit einer ATP-Weiterbildung erkennt die Bedarfe und Bedürfnisse des unterschiedlichen Krankheitsklientels der letzten Lebensphase und wird die noch machbaren oder fördernden Interventionen entsprechend anwenden können.

Die Vielfältigkeit der Aufgaben in der Palliative Care erfordert eine enge Zusammenarbeit aller Berufsgruppen. Die Aktivierend-therapeutische Pflege ist in diesem Zusammenhang ein wesentlicher Aspekt der »palliativen« Pflege. Sie ist im 24-Stunden-Konzept am Palliativen tätig. Die professionellen Pflegetätigkeiten im Gesamtkonzept der Palliative Care sind unverzichtbare Anteile an der Betreuung der Person.

Aktivierend-therapeutische Pflege in der Palliative Care

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