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1.2.4 Der Neuchalkedonismus und das
zweite Konzil von Konstantinopel (553)

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Die Absetzung des Dioskuros als Erzbischof von Alexandreia machte die Synode von Chalcedon (451) in Ägypten nicht unbedingt beliebt. Darüber hinaus erblickten Anhänger der Christologie des Kyrillos in der Festlegung, dass der eine Christus „in zwei Naturen“ (en dyo physesin), aber nicht „aus zwei Naturen“ (ek dyo physeon) sei, einen Rückfall in Nestorianismus. Daher lehnten viele Christen in Ägypten und Syrien die Synode ab. Weil sich ihre Bischöfe – wie etwa Timotheos Ailuros – aber ebenso von Eutyches und jedem Monophysitismus abgrenzten, hat die jüngere Forschung angeregt, ihre in der alexandrinischen Tradition verwurzelte und auf die kyrillische Mia-Physis-Formel hinweisende Christologie als Miaphysitismus zu kennzeichnen.

Da sich das Konzil von Chalkedon (451) jedoch nicht nur auf die Synoden von Konstantinopel (381) und Ephesos (431) berief, sondern auch auf das Lehrschreiben, das Papst Leo von Rom an Flavianos von Konstantinopel gerichtet hatte, den so genannten Tomus Leonis oder die Epistola dogmatica ad Flavianum Episcopum (DH. Nr. 300), hielten die Päpste in Rom jedoch mit gleicher Entschiedenheit am Chalcedonense fest. Auch in Palästina fanden sich überwiegend Anhänger der Synode – hatte diese doch Juvenalis von Jerusalem zum Erzbischof einer eigenen Kirchenprovinz erhoben, indem sie drei Metropolien aus der Diözese des Erzbischofs von Antiocheia herauslöste. Entlang diesen Frontlinien rangen in dem Jahrhundert nach der Synode beide Seiten darum, ihre jeweilige Lehre zur allgemein anerkannten Lehre zu erheben. Die Kaiser in Konstantinopel schwankten dabei in ihrer Politik. Erst die Regierungszeit des Justinianos (527–565) sah daher das endgültige Zerbrechen der Einheit der Reichskirche.


In den ersten Jahren seiner Herrschaft suchten Justinianos und seine theologischen Berater offenbar die Vorbehalte der miaphysitischen Kyrillianer gegen das Chalcedonense zu zerstreuen. Dies erstrebten sie in erster Linie dadurch, dass sie eine Frage theologisch beantworten wollten, welche die Synode von Chalkedon (451) offen gelassen hatte: nämlich die Problematik, wer in dem einen Christus eigentlich das handelnde Subjekt darstelle. In Anlehnung an Kyrillos bestimmten die Theologen des Neuchalkedonismus dazu die Hypostase des (Fleisch gewordenen) Gott-Logos (DH Nr. 253). In dieser Hypostase (hypostasis) erlangten sowohl die vollständige Gottheit des Herrn ihre natürliche Existenz als auch dessen vollständige Menschheit. Beide seien in ihr „enhypostasiert“. Auf diese Weise komme es zu einer wahren Einung der Hypostase nach, zu einer henosis kath‘ hypostasin (DH Nr. 255). Durch diese Lehre von der Enhypostasie sollte eine Brücke zu den Gegnern des Chalcedonense geschlagen werden.

Als sich jedoch auch dieser Einigungsversuch nicht den gewünschten Erfolg zeigte, änderte der Kaiser seine Politik. Nach dem Bericht des Evagrios setzte Justinianos nach einer Synode in Konstantinopel (535) auf eine eigene, chalkedontreue Hierarchie: „Justinian hat eine gesetzliche Bestimmung erlassen, in der er Severus, Anthimus und andere anathematisiert und die Anhänger ihrer Dogmen den härtesten Strafen unterworfen hat, so dass es von da an im Bereich der jeweiligen Kirchen keine Abspaltung mehr gab, sondern die Patriarchen einer jeden Diözese miteinander in Übereinstimmung waren und die Bischöfe der Städte ihren Exarchen folgten“ (Evagr. h.e. IV, 11).

Seit der Synode von Konstantinopel (535) gab es daher zwei getrennte kirchliche Bischofslinien: Auf der einen Seite standen die chalkedontreuen „Leute des Kaisers“, für die sich bald der aus dem Aramäischen entlehnte Name „Melkiten“ einbürgerte. Auf der anderen Seite bildeten sich die eigenständigen Kirchen der Kopten, Syrer und der Armenier. Damit aber war die Einheit der einen römisch-byzantinischen Reichskirche zerbrochen. Das zweite Konzil von Konstantinopel (553) war daher eher nurmehr das Ergebnis der Diskussion um die Durchsetzung des Neuchalkedonismus in der verbliebenen kaisertreuen Kirche des Imperiums als ein erneuer Versuch eines Ausgleiches.

Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition

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