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Thomas Bremer, Hacik Rafi Gazer, Christian Lange
1. Die Kirchen der östlichen Traditionen
Die östlichen christlichen Kirchen lassen sich in drei Gruppen gliedern:
Unter der katholischen Kirche verstehen wir im Westen gemeinhin die römisch-katholische Kirche, die natürlich nicht zu den östlichen Kirchen gehört. Jedoch gibt es innerhalb der katholischen Kirche zahlreiche kleinere Teilkirchen, die durch Kirchenunionen entstanden sind, welche Bischöfe östlicher Kirchen im Lauf der Jahrhunderte mit dem Römischen Stuhl eingegangen sind. Daher untergliedert sich die katholische Kirche heute neben der römischen Kirche in zahlreiche mit Rom unierte katholische Kirchen östlicher Riten. Sie sind aber nicht der Gegenstand dieses Buches.
In der Folge der christologischen Diskussionen des 5. bis 7. Jh. sind die altorientalischen Kirchen der Christen des Orients einen eigenen Weg gegangen, da sie sich seit der Regierungszeit des Kaisers Justinianos (527–565) von der Reichskirche des Römischen bzw. Byzantinischen Reiches getrennt organisierten. Unter den Oberbegriff der orientalisch-orthodoxen Kirchen werden dabei diejenigen Kirchen der Armenier, der Syrer, der Kopten und der Äthiopier eingeordnet, die untereinander in Kirchengemeinschaft stehen und an der miaphysitischen Christologie des Kyrillos von Alexandreia festhalten. Eine eigene Untergruppe innerhalb der altorientalischen Kirchen stellt die (Assyrische) Apostolische Kirche des Ostens dar, die auf dem Christentum des Perserreiches im heutigen Iran fußt und eine eigenständige Christologie ausgeprägt hat, die sich von allen anderen östlichen Kirchen unterscheidet. Die jüngere theologische Forschung und der moderne ökumenische Dialog haben zum Ergebnis gebracht, dass die Gläubigen dieser östlichen Kirchen nicht länger als Monophysiten oder Nestorianer bezeichnet werden sollten, weil beide Fachbegriffe das eigentliche Anliegen ihrer Christologie nur in unzureichender Art und Weise – und daher missverständlich – wiedergeben. Auch diese Kirchen sind nicht das Hauptthema dieses Einführungsbandes.
Der Gegenstand dieses Buches ist vielmehr die dritte Gruppe von östlichen Kirchen, nämlich die der orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition.
2. Die Familie der orthodoxen Kirche(n) der
byzantinischen Tradition
Die Familie der orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition schließt alle diejenigen Kirchen ein, die im allgemeinen Bewusstsein als klassisch „orthodox“ angesehen werden. Sie bekennen sich alle zur christologischen Aussage des Konzils von Chalkedon (451), weshalb sie die Konfessionskunde – in Unterscheidung zu der miaphysitischen Christologie der orientalisch-orthodoxen Kirchen – auch oftmals als die Kirchen der chalkedonensischen Orthodoxie anspricht. Da diese orthodoxen Kirchen demnach ebenso die gleiche Christologie teilen wie sie sich zur gleichen Ritusfamilie, nämlich der byzantinischen, zählen, verstehen sich die orthodoxen Kirchen als eine einzige Kirche, als die eine orthodoxe Kirche. Weil sich, wie in den Kapiteln 2 und 3 dieses Bandes zu zeigen sind wird, die geschichtliche Entwicklung dieser einen Kirche jedoch unterschiedlich darstellt, ist es üblich geworden, von den orthodoxen Kirchen im Plural zu sprechen (vgl. Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Ostens, S. 11).
Die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition selbst untergliedern sich wiederum in kanonische Kirchen, autonome Kirchen und unkanonische Kirchen. In der vollen Kirchengemeinschaft untereinander stehen diejenigen vierzehn kanonischen Kirchen, die ihr kirchliches Oberhaupt, zumeist Patriarch genannt, selbst wählen, also autokephal sind, sowie die sechs autonomen Kirchen. „Autonome“ orthodoxe Kirchen regeln zwar ihre inneren Angelegenheiten selbst, empfangen das Myron, das Salböl, das sie für bestimmte liturgische Handlungen benötigen, jedoch weiterhin von der Mutterkirche, aus der sie hervorgegangen sind. Sie sind also nicht in vollem Umfang selbstständig. Dadurch unterscheiden sie sich von den autokephalen Kirchen. Als unkanonisch werden im Gegensatz zu den autokephalen und den autonomen Kirchen hingegen diejenigen Kirchen bezeichnet, deren Status und Legitimität – zumeist auf Grund von unterschiedlichen Auffassungen in Bezug auf die Jurisdiktion oder Liturgie – unter den orthodoxen Kirchen selbst umstritten sind.
Einteilung nach Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Orients, S. 10–14
Nicht zur Familie der orthodoxen Kirche(n) zählen die unierten katholischen Ostkirchen, die heute Teilkirchen der katholischen Kirche sind (vgl. S. XI).
Einteilung nach Johannes Oeldemann: Die Kirchen des christlichen Orients, S. 214–215
3. Die zweifache Bedeutung der Bezeichnung „orthodox“
Bisher ist in dieser Hinführung viel von der orthodoxen Kirche oder den orthodoxen Kirchen die Rede gewesen. Doch was heißt dies eigentlich? Die Bezeichnung orthodox kommt aus dem klassischen Griechischen und hat eine zweifache Bedeutung: Zum Einen bringt die Selbstbezeichnung „orthodox“ zum Ausdruck, dass sich die orthodoxen Kirche(n) der byzantinischen Tradition selbst als „rechtgläubig“ verstehen. Damit ist gemeint, dass diese Kirchen für sich den Anspruch erheben, sie hätten unbeirrt an der Tradition der Kirche festgehalten, wie sie in den von ihnen anerkannten sieben ökumenischen Konzilien und in den Schriften der Kirchenväter formuliert worden sei. Auf der anderen Seite beschreibt der Begriff „orthodox“ aber auch die „rechte Art der Verehrung Gottes“ in der göttlichen Liturgie der orthodoxen Kirche(n).
4. Die byzantinische Ritusfamilie
Bereits in der Alten Kirche haben sich verschiedene kirchliche Zentren herausgebildet, deren Bischöfen die Synoden des Altertums eine besondere Rolle zugewiesen haben. Im Imperium Romanum waren dies im Osten Alexandreia, Jerusalem und Antiocheia sowie ab dem 4. und 5. Jh. darüber hinaus die neue Hauptstadt Konstantinopel. Aus den griechisch- wie syrischsprachigen liturgischen Formen Antiocheias sind sowohl der west- als auch der ostsyrische Ritus hervorgegangen. Über die Vermittlung Konstantinopels ist dabei der byzantinische Ritus entstanden, zu dem sich die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition bekennen. Daher können orthodoxe Christen den Ritus ihrer eigenen Kirche bei der Teilnahme an einer liturgischen Feier in einer der anderen kanonischen Kirchen wiedererkennen, da er – bis auf die Sprache – fast völlig identisch ist. In diesen Gemeinsamkeiten in der rechten Verehrung Gottes zeigt sich das östliche Verständnis von der Gemeinschaft der „einen“ orthodoxen Kirche.
5. Der Aufbau des Buches
Dieser Band untergliedert sich in drei Teile. Im ersten Kapitel werden allgemeine Grundzüge der Theologie- und Kirchengeschichte bis zur Gegenwart aufgezeigt. Der zweite Hauptteil konzentriert sich auf die einzelnen orthodoxen Kirchen, die nach kanonischen, autonomen und Kirchen mit umstrittenem Status gegliedert werden – wobei aus Platzgründen nur einige dieser Kirchen in diesem Band behandelt werden können. Ein dritter Abschnitt diskutiert übergreifende Fragestellungen wie diejenige nach Liturgie und Spiritualität. Ein Glossar, ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie eine Übersicht der Mitarbeiter an diesem Band runden schließlich die Darstellung ab.