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1.1 Philosophische Theologie und natürliche Religion
Оглавление(1) Der Weg zur Religionsphilosophie führt über die philosophische Theologie. Auch sie ist eine geschichtliche Gestalt, doch soll die lange, in die Spätantike zurückreichende Geschichte ihrer Herausbildung hier nicht zum Gegenstand werden. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an gewinnt die philosophische Theologie in der Metaphysik eine schulmäßig ausgearbeitete Form – und dies nicht zufällig: Analog zum Versuch einer neuen, dem Konfessionsstreit entnommenen Fundierung des Staates in einer Staats- und Religionskonzeptionen und Rechtsnormen entwerfenden Vernunft wird eine neue, auf die ‚natürliche Vernunft‘ gestützte ‚Rede von Gott‘ etabliert, neben und über der geoffenbarten Theologie der sich bekämpfenden religiösen Gruppierungen. Die nunmehr ihrer selbst gewisse Vernunft will und kann sich den Maßstab für die Rede vom Göttlichen nicht aus anderer und zudem – hinsichtlich ihrer Reinheit – fraglich gewordener Quelle vorgeben lassen; sie beansprucht das Recht zur Prüfung der religiösen Vorstellungen, und sie findet den Maßstab hierfür nirgends anders als in ihr selber. Damit eröffnet die ‚natürliche Theologie‘ im Rahmen der metaphysica specialis einen nicht bloß anderen, sondern einen übergeordneten Weg zur philosophischen Gotteserkenntnis – doch hierdurch bewirkt, was eigentlich als willkommene Bestätigung der religiösen Wahrheiten mit den Mitteln der Vernunft gedacht ist, durch sein bloßes Vorhandensein zugleich eine Abwertung der geoffenbarten Theologie und eine innere Spannung zwischen beiden Formen des Redens von Gott.
Inhaltlich allerdings erweitert die philosophische Theologie die geoffenbarte nicht – im Gegenteil: Trotz des erheblichen Umfangs, den die Werke der natürlichen Theologie im allgemeinen aufweisen,3 reduzieren sie den Inhalt der geoffenbarten auf die wenigen Aussagen, von denen sich mit einiger Plausibilität behaupten lässt, sie seien der Vernunft nicht allein nachvollziehbar, sondern aus ihr selber zu gewinnen. Den Kernbestand der natürlichen Theologie bilden zwei Themengruppen: die Lehre von der Persönlichkeit Gottes und ihren Eigenschaften und die Beweise vom Dasein Gottes – und dies nicht zufällig. Im Begriff der geoffenbarten Religion ist die Existenz Gottes ja immer schon – im unterstellten Faktum der Offenbarung – vorausgesetzt. Die natürliche Theologie hingegen ist genötigt, dem von ihr gedachten Gedanken Gottes das Dasein zu vindizieren; bekanntlich kommt ja nicht jedem möglichen Gegenstand des Denkens auch das Sein zu. Schon daraus erklären sich das große Gewicht, das die Gottesbeweise für die natürliche Theologie besitzen, und die Intensität, mit der diese Beweise auf immer neuem Wege und mit immer neuen Argumenten vorgetragen werden. Sie beschränken sich ja nicht auf die drei später von Kant in der Kritik der reinen Vernunft dargelegten und widerlegten Formen, auf den ontologischen, den kosmologischen und den physikotheologischen Beweis.4 Teils fügen sie diesen drei erst nachträglich-systematisierend herausgehobenen Formen weitere hinzu, teils stützen sie die drei genannten Beweisformen auf neue Beweisgründe und variierte Beweisgänge. Angesichts der Evidenz, die jeder einzelne von ihnen beansprucht, könnte ihre Vielfalt zumindest übertrieben, wenn nicht als ein implizites Eingeständnis ihrer mangelnden Schlüssigkeit erscheinen, wenn sich diese unterschiedlichen Formen nicht – nach Hegels späterer Einschätzung – als unterschiedliche Formen der Erhebung verstehen ließen. Doch eben darin besteht für Hegel ihr Sinn: „daß sie die Erhebung des Menschengeistes zu Gott enthalten und dieselbe für den Gedanken ausdrücken sollen, wie die Erhebung selbst eine Erhebung des Gedankens und in das Reich des Gedankens ist.“5
Die – gegenüber dem Daseinsbeweis – ‚eigentliche Theologie‘ ist zentriert im Begriff der Persönlichkeit Gottes und der dieser Persönlichkeit zukommenden Prädikate. Zur Blütezeit der philosophischen Theologie ist es nicht als störend empfunden worden, dass sich schon die behauptete Vernunfterkenntnis der Persönlichkeit Gottes methodisch als ausgesprochen prekär erweist. Diesem ‚Vernunftbegriff‘ liegt letztlich die religiöse Vorstellung zu Grunde, doch wird ihr mit den Mitteln rationaler Argumentation – etwa durch Rekurs auf den Substanzbegriff – ein ‚vernünftiges‘ Aussehen verliehen. De facto wird die philosophische Theologie von der geoffenbarten begründet, auch wenn de iure jene den Vernunftgrund für diese enthalten soll. Bis in die späte Aufklärung setzt die philosophische Theologie diesen ‚Vernunftbegriff‘ der Persönlichkeit Gottes wie selbstverständlich voraus – mit der einen, deshalb auch berüchtigten Ausnahme Baruch Spinozas. Und noch eine weitere Annahme gilt als selbstverständliche Wahrheit nicht allein der geoffenbarten, sondern ebenso der natürlichen Theologie: dass dieser persönliche Gott Schöpfer sei. Die Differenzen setzen erst bei der Frage ein, wie die Beziehung dieses Schöpfergottes zur Welt zu denken sei: ob seine Schöpfung ein einmaliger Akt – in der Zeit oder außerhalb der Zeit – sei, in dem die gesamte Weltordnung ein für alle Mal festgelegt sei, so dass er hinfort nicht mehr in die Welt einzugreifen brauche, oder ob er beständig nach seinem Wohlgefallen in die Welt eingreife, um seine Herrschaft und Herrlichkeit in immer neuen Akten zu offenbaren. Die erste Ausformung des Gottesgedankens findet sich dort, wo das ‚moderne‘ Interesse an der Zuverlässigkeit des Weltzusammenhangs als der Voraussetzung für seine wissenschaftliche Erkenntnis überwiegt; die zweite, wo das traditionell religiöse Interesse an einer personalen Beziehung des Schöpfers zu seinem Geschöpf dominiert.6
Aus diesem Zwielicht zwischen rationaler Argumentation und religiöser Vorstellung führt auch die Konkretion des Gedankens der Persönlichkeit Gottes durch die Zuschreibung von Eigenschaften nicht heraus. Vier aus den religiösen Texten bekannte Bestimmungen kehren in allen philosophisch-theologischen Entwürfen wieder: Gottes Güte, Gerechtigkeit, Weisheit und Macht. In der philosophischen Theologie aber steht die Annahme dieser traditionellen Prädikate Gottes unter der Bedingung, dass sie Gott im jeweils höchsten Grade zukommen und dass sie widerspruchsfrei mit einander vereinbar seien. Doch: Lässt sich eine Person denken, die den höchsten Grad von Güte mit dem höchsten Grad von Gerechtigkeit verbindet, und ebenso den höchsten Grad von Weisheit mit dem höchsten Grad von Macht? Und wie kann man nicht bloß eine Nominaldefinition von Güte ‚im allerhöchsten Grade‘ geben, sondern solche Güte wirklich denken? Gewinnt nicht der Begriff der Güte seine Bestimmtheit erst im Kontrast zu dem der Gerechtigkeit – und ähnlich derjenige der Macht durch den der Weisheit? Wenn aber die höchste Güte durch den Ausschluss von Gerechtigkeit zu denken ist, so kann man nicht einem und demselben Subjekt sowohl Güte als Gerechtigkeit ‚im allerhöchsten Grade‘ zuschreiben. Auch unsere Erfahrung gibt uns hinreichend Anlass zu der – wenn auch betrüblichen – Einsicht, dass Güte und Gerechtigkeit ebenso wie Macht und Weisheit häufig in Konflikt geraten – dass die eine in eben dem Maße schwindet, als die andere zunimmt. Nach unserer Erfahrung sind diese Prädikate allein dort vereinbar, wo sie nicht verabsolutiert werden, doch konfligieren sie um so stärker, je höher sie gesteigert werden. Und was berechtigte dann zu der Hoffnung, dass sie in ihrer maximalen Steigerung, ‚in gradu absolute summo‘, nicht im schärfsten Widerspruch zu einander stünden? Dieses Problem ist bereits in der Frühzeit des Christentums in aller Schärfe aufgebrochen: Die im Gottesgedanken gedachte höchste Intensität der Güte schien dem Prinzip der Gerechtigkeit zu widersprechen. Die christliche Theologie hat zwar – gegen Marcion! – beide Prädikate wieder dem Einen Gott zugesprochen – doch wenn sie aufs höchste gesteigert werden sollen, so bricht der alte Konflikt erneut auf. Auf solche Einwände hat die philosophische Theologie mit der Lehre von der ‚Kompossibilität der göttlichen Prädikate‘ geantwortet – mit der Versicherung, dass sie vereinbar seien, und mit der Lehre von ihrer wechselseitigen Ausgleichung oder ‚Temperierung‘. Aber wenn die genannten Bedenken nur so auszuräumen sind, dass man nun – statt von einer höchsten Güte – von einer durch Gerechtigkeit temperierten Güte (‚bonitas ad iustitiam attemperata‘) oder von einer durch Weisheit temperierten Macht spricht, wie etwa Christian Wolff, so ist damit die Unvereinbarkeit dieser Prädikate, wie sie jeweils ‚im allerhöchsten Grade‘ gedacht werden, vielmehr verschämt eingestanden. Damit ist zwar ein Hauptpfeiler der philosophischen Theologie ins Wanken geraten, doch ist dies damals – im Interesse der erwünschten Resultate – überspielt worden.
(2) Die Überzeugungskraft und der temporäre Erfolg der ‚theologia naturalis‘ gegenüber der ‚theologia revelata‘ zeigen sich im 17. und 18. Jahrhundert wohl nirgends augenfälliger als in der Erweiterung der ‚natürlichen Theologie‘ zur ‚natürlichen Religion‘ – zu einer Religion, die die Kriterien der zuvor von Nicolaus Cusanus und später von Leibniz erhofften Universalreligion erfüllt hätte. Durch die ‚natürliche Religion‘ erhält die ‚natürliche Theologie‘ somit ein Komplement und zugleich eine breitere Basis. Nicht nur die Gotteserkenntnis, sondern auch der Gottesdienst und die Führung des irdischen wie auch des ewigen Lebens werden von spezifisch christlichen, auf die biblische Offenbarung gestützten Grundlagen abgelöst und der Vernunfterkenntnis unterstellt. Edward Herbert von Cherbury, nahezu gleichaltrig mit Thomas Hobbes und unter den gleichen politischen und insbesondere religionspolitischen Bedingungen lebend, formuliert – faktisch als Alternative zu Hobbes’ politischer Instrumentalisierung der Religion – fünf dem Parteienstreit entnommene ‚Grundwahrheiten der natürlichen Religion‘, die „notitias communes circa religionem“: 1. „Esse Supremum aliquod Numen“; 2. „Supremum istud numen debet coli“; 3. „Virtutem cum pietatem conjunctam […] praecipuam partem Cultus Divini habitam esse & semper fuisse“; 4. „Horrorem scelerum Hominum animis semper insedisse“; 5. „Esse praemium, vel poenam post hanc vitam.“7
In dieser Konzeption einer ‚natürlichen Religion‘ neben und über der geoffenbarten spiegelt sich die Dualität und Rangfolge von ‚theologia naturalis‘ und ‚theologia revelata‘. Angesichts des Gewichts und des epochalen Charakters dieser Verschiebungen verwundert es nicht, dass ihre Durchsetzung eines längeren Weges bedarf. Der Prozess der Beschränkung auf das bloß innere Kriterium der Vernunftgemäßheit, der Verzicht auf äußere Beglaubigung durch Autorität, wie er von Edward Herbert von Cherbury schon angestoßen ist, wird durch John Lockes Rückzug auf die äußere Beglaubigung des religiösen Wissens zwar vorübergehend verlangsamt, doch im britischen Deismus setzt er sich beschleunigt fort: Die Vergewisserung der Wahrheit der natürlichen Religion beruht nicht auf einem Autoritätsbeweis, sondern auf vernünftiger Prüfung, und ihr unterliegen letztinstanzlich auch die Aussagen der Religion, die sich auf Offenbarung gründen.
Zum Erfolg dieses Prozesses dürfte beigetragen haben, dass die Verankerung der Wahrheiten der ‚natürlichen Religion‘ im Denken und im Herzen nicht – zumindest nicht primär – gegen die Wahrheiten der christlichen Religion gerichtet gewesen ist. Dominierend ist damals die Überzeugung von der Identität der christlichen und der ‚natürlichen Religion‘. Deren Wahrheiten werden auf anderem Wege erkannt, doch sind sie dieselben Wahrheiten. Vernunft und Offenbarung unterscheiden sich, widersprechen sich jedoch nicht, wie auch Leibniz zu Beginn seiner Theodizee so nachdrücklich bekräftigt;8 inhaltlich gesehen ist die christliche keine andere Religion als die natürliche, und so ist es auch nicht entscheidend, ob man die ‚natürliche Religion‘ nur sachlich als diejenige Religion versteht, die auf ‚natürlicher Vernunft‘, auf dem ‚natürlichen Licht‘ beruht, oder ob man ihre ‚Natürlichkeit‘ auch zeitlich, also in dem Umstand sieht, dass sie die im Verlauf der Menschheitsgeschichte ursprüngliche und vom Christentum erneuerte ist, wie im britischen Deismus zumindest nach Matthew Tindal.9 David Humes Nachweis, dass sich am Anfang der Geschichte keine Spuren einer solchen ‚natürlichen Religion‘ fänden und die im zeitlichen Sinne ‚natürliche‘ oder ursprüngliche Religion der Polytheismus sei,10 tangiert nicht die Gleichsetzung des ‚Natürlichen‘ mit dem ‚Vernünftigen‘ oder mit dem ‚Christlichen‘; er betrifft lediglich die – in der Tat unhaltbare – Gleichsetzung des Vernünftig-Natürlichen mit dem Geschichtlich-Ersten. Wenn die natürliche Religion nicht zugleich die ursprüngliche ist, lassen sich die heidnischen Religionen zwar nicht mehr als ‚Abfall‘ vom reinen Ursprung in Priestertrug und -herrschaft verwerfen, doch wird die Identität von natürlicher und christlicher Religion dadurch nicht aufgehoben. Wichtiger als die geschichtliche Priorität der ‚natürlichen Religion‘ ist die durch ihre Vernünftigkeit begründete Allgemeinheit, die sich etwa in der Harmonie der chinesischen und der christlichen Moral zeigt – ein Argument, dem sowohl in England als auch in der deutschen Aufklärung – insbesondere in Christian Wolffs Oratio de Sinarum philosophia practica11 – Bedeutung zukommt.
Es ist nicht unplausibel, die philosophische Exposition dieser ‚natürlichen Religion‘ – etwa in Georg Friedrich Meiers zweibändiger Philosophischen Sittenlehre12 – als eine ‚Philosophie der Religion avant la lettre‘ zu bezeichnen. Damals ist dies jedoch ungebräuchlich; Abraham Friedrich Rückersfelders Titel ‚Philosophia de religione rationali‘ scheint eine in der Retrospektive zwar plausible, damals aber wenig beachtete Ausnahme gebildet zu haben.13 Ohnehin ist allein der Titel dieses Werkes, die Vorform der wenig späteren Bildungen ‚Philosophie der Religion‘ oder ‚Religionsphilosophie‘, das Bemerkenswerte an diesem Buch; sonst bleibt es dem traditionellen Lehrbestand – der natürlichen Theologie und der Lehre von den Pflichten des Menschen gegen Gott – verpflichtet. Und es ist auch bezeichnend, dass zunächst nicht von ‚Philosophie der Religion‘, sondern von ‚Philosophie der vernünftigen Religion‘ gesprochen wird: Da die ‚rationale‘ oder ‚natürliche Religion‘ ja lediglich aus der Verbindung der Vernunftwahrheiten der rationalen Theologie mit der Ethik besteht, ist sie ein geradezu ‚natürlicher‘ Gegenstand der Philosophie.
Der große, wenn auch vergleichsweise nur kurzfristige, wenig mehr als ein Jahrhundert andauernde Erfolg des Konzepts der ‚natürlichen Religion‘ beruht auf ihrer Verankerung in der ‚natürlichen Theologie‘ und auf ihrer materialen Übereinstimmung mit der Ethik. Hierin liegen die Bedingungen ihrer Möglichkeit – jedoch zugleich die Bedingungen, die noch vor dem Ende des 18. Jahrhunderts das rasche Verschwinden der ‚natürlichen Religion‘ bewirkt haben. Beide Charakteristika sind schon in Herberts ‚notiones communes circa religionem‘ ausgesprochen, und sie durchziehen die Debatte des auf ihn folgenden Jahrhunderts. Denn der Gehalt der ‚natürlichen‘ als einer in der Vernunft gründenden Religion lässt sich nur in dieser philosophisch-theologischen Verankerung und in der moralischen Entfaltung fassen; darüber hinaus weist sie – als ‚natürliche‘ – keine religiösen Gehalte auf. Die zunehmende Verselbständigung der ‚natürlichen Religion‘ gegenüber der geoffenbarten vollzieht sich als zunehmende Reduktion auf ethische Gehalte. Auch in der – bleibend mit dem Namen Pierre Bayles verbundenen – Auseinandersetzung um die Frage, ob es tugendhafte Atheisten gebe, kommt die ‚natürliche Religion‘ immer nur nach der Seite ihrer moralischen Kompetenz ins Spiel – andere Inhalte hat sie ja nicht aufzuweisen. Deshalb aber hebt die von der ‚natürlichen Religion‘ selber forcierte Emanzipation der Ethik von religiösen Fundamenten schließlich ihren eigenen Religionscharakter auf: Ende des 18. Jahrhunderts bedarf die Ethik nicht mehr der schützenden Hülle der ‚natürlichen Religion‘, unter der sie sich zu einer autonomen Gestalt der Vernunft entwickelt hat.
Der zweite Aspekt, die Verankerung der ‚natürlichen Religion‘ in der ‚natürlichen Theologie‘, lässt sich an der deutschen Tradition seit Christian Wolff, sowohl in der im engeren Sinne philosophischen als auch in der theologischen Tradition, in der Neologie, noch deutlicher erkennen als an der französischen oder der englischen. Aber auch dort ist er fassbar: Für Hume etwa steht der natürlich-theologische Aspekt ja so sehr im Vordergrund, dass er seine Dialogues concerning Natural Religion ausschließlich dessen Diskussion widmet.14 ‚Dialogues concerning Natural Theology‘ wäre deshalb der präzisere Titel, denn von ‚natural religion‘ im prägnanten Sinn ist dort nur insofern die Rede, als die ‚natural theology‘ nicht allein eines der Momente der ‚natürlichen Religion‘ neben anderen, sondern ihr in doppelter Hinsicht konstitutives Moment ausmacht: Die ‚natürliche Theologie‘ ist die notwendige Bedingung, durch die sich die ‚natürliche Religion‘ als Religion vom bloß Moralischen abhebt, und sie ist ebenso sehr die Bedingung der Evidenz der ‚natürlichen Religion‘. Dass den Sätzen der ‚natürlichen Religion‘ von Herbert über John Locke bis Moses Mendelssohn der gleiche Gewissheitsgrad zugeschrieben wird, den wir mathematischen Sätzen zubilligen, beruht ja lediglich auf einer Ausstrahlung der Evidenz der ‚natürlichen Theologie‘ auf die anderen ‚Wahrheiten‘ der ‚natürlichen Religion‘: Ohne Herberts ersten Satz ‚Esse Supremum aliquod Numen‘ sind seine vier folgenden Sätze hinfällig. Georg Friedrich Meier – um ihn, an Stelle vieler anderer, nochmals zu nennen – hat diese Rückbindung der ‚natürlichen Religion‘ an die ‚natürliche Theologie‘ prononciert ausgesprochen: „Die vernünftige oder philosophische natürliche Religion […] beruhet auf einer deutlichen, vernünftigen, philosophischen, gelehrten Erkenntniß Gottes.“15 Eben daran entscheidet sich wenig später ihr Schicksal.