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1. Einleitung1

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Durch die Kolonisierung ist Spanisch – wie auch Englisch, Französisch und Portugiesisch – zu einer Weltsprache geworden. Heute leben nur mehr ca. 10% seiner 442 Mio. Erstsprachen-(L1-)Sprecherinnen und -Sprecher in Europa, ca. 90% dagegen in Amerika (vgl. Ethnologue 2019). Die hispanohablantes orientieren sich an unterschiedlichen Normen – Spanisch ist somit eine plurizentrische Sprache (vgl. Oesterreicher 2001). Während diese demolinguistischen Tatsachen schon lange bekannt sind und die Varietäten und Normen des Spanischen intensiv in der Sprachwissenschaft erforscht werden, blieb die daran geknüpfte didaktische Frage lange vernachlässigt. Daher lautet unsere erste Forschungsfrage: (1) Welche Konsequenzen sollte die regionale Variation des Spanischen und seine Plurizentrik für den Spanischunterricht an der Schule und das Universitätsstudium haben? Die Frage ist bewusst normativ formuliert, denn während man bei Erstsprachen die Frage der Norm demokratisch (bottom up) auf Basis empirischer Studien zu Wahrnehmungen, Repräsentationen und Einstellungen lösen kann (vgl. Chalier 2021), ist dies bei Fremdsprachen (meist) nicht möglich. Hier handelt es sich in der Regel um eine normative Entscheidung einer Autorität: Ministerien, Schulen, Universitäten, Lehrbuchautorinnen und -autoren oder einzelner Lehrender (top down).

Dabei müssen die Normen für native speaker keineswegs mit denen für den Fremdsprachenunterricht übereinstimmen. Aus L1-Perspektive bezieht sich die Frage der Norm auf die Distanzsprache, insbesondere auf die Sprache der Literatur, der Massenmedien und der öffentlichen Rede (vgl. López Morales 2006, 43). Darauf konzentriert sich auch der L1-Sprachunterricht in der Schule, da die L1-Sprecherinnen und -Sprecher die Nähesprache bereits beherrschen. Im Fremdsprachenunterricht in der Schule sollen Schülerinnen und Schüler dagegen nicht dazu ausgebildet werden, Literatur in der Fremdsprache zu schreiben, Filme zu synchronisieren oder vor Gericht oder im politischen Wahlkampf zu sprechen (anders ist es im Lehramts- oder Übersetzungsstudium, das auch auf das Sprechen vor Publikum vorbereiten sollte). Die fremdsprachliche Zielnorm im Schulunterricht muss also auch oder vielleicht sogar vor allem auf die Nähesprache abzielen (vgl. Pustka 2021, 235).

Wie die Beispiele zeigen, muss man zwischen verschiedenen Lernkontexten und Motivationen differenzieren: Lernerinnen und Lerner im Immersionskontext oder in Vorbereitung eines längeren beruflichen Auslandsaufenthalts sind natürlich ganz speziell an der regionalen Varietät des jeweiligen Ziellands interessiert. Viele Schülerinnen und Schüler dagegen lernen Spanisch, weil man eben irgendeine Fremdsprache nach dem mittlerweile weltweit zur Zweitsprache gewordenen Global English lernen muss (und Spanisch als leichter als Französisch gilt; vgl. Kramer 2010, 116). Neben deren persönlicher Erfahrung kommt dem Spanischstudium hierbei eine zentrale Rolle zu. Dies betrifft neben den dort vermittelten Medien und der Landeskunde ganz besonders die Sprachpraxis und die Linguistik.

Um die normative Frage diskutieren zu können, wie die regionalen Varietäten der Weltsprache Spanisch sowie ihre Plurizentrik in Schule und Universität berücksichtigt werden sollten, ist es wichtig, den deskriptiven Status quo zu kennen. Der Schwerpunkt des Artikels liegt dabei auf der Aussprache. Aus diesem Grund haben wir im November/Dezember 2020 eine Online-Umfrage unter 264 Erstsemestern an 21 Universitäten in Deutschland und Österreich durchgeführt. Dabei liegen die folgenden vier weiteren – deskriptiven – Forschungsfragen zugrunde: (2) Welche Erfahrungen bringen Studienanfängerinnen und -anfänger zu den regionalen Varietäten des Spanischen aus Schule und Privatleben mit? (3) Wie gut können sie spanische Akzente identifizieren? (4) Welche Einstellungen, Wünsche und Erwartungen haben sie in dieser Hinsicht an das Spanischstudium und Auslandsaufenthalte? (5) Wie möchten die Studierenden die Plurizentrik später in ihrem eigenen Unterricht berücksichtigen? Wir werden unsere Ergebnisse mit den beiden bislang dazu existierenden Studien vergleichen: Reissner (2017) und Reimann et al. (2018) bzw. Reimann & Cantone (2021) (vgl. Kapitel 2.2.6).

Der Artikel gliedert sich wie folgt: Kapitel 2 präsentiert den Stand der Forschung zu den Varietäten und zur Plurizentrik des Spanischen, zunächst aus sprachwissenschaftlicher Perspektive (2.1), dann aus didaktischer Perspektive (2.2). Hierbei soll es sowohl um den Status quo zu den Bildungsnormen und Lehrwerken gehen als auch um aktuelle normative Diskussionen in der Wissenschaft um die geeignete(n) Zielvarietät(en) für die aktive und passive Sprachkompetenz. In Kapitel 3 stellen wir daraufhin die Methode der Studie vor: ihre Planung und Durchführung (3.1), den Fragebogen (3.2), den Perzeptionstest (3.3), die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (3.4) sowie die statistische Auswertung (3.5). Kapitel 4 widmet sich schließlich den Ergebnissen, zunächst der Umfrage (4.1), dann des Perzeptionstests (4.2).

Zeitschrift für Romanische Sprachen und ihre Didaktik

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