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1.1.2 Vergleichende Literaturwissenschaft

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Die vergleichende LiteraturwissenschaftVergleichende Literaturwissenschaft beschäftigt sich ebenfalls mit den Aspekten, die im Abschnitt 1.1.1 behandelt wurden. Der Fokus ist allerdings ein etwas anderer: Er überschreitet Grenzen und liegt „beyond the the boundaries of languages and national literary traditions, between cultures and world regions, among disciplines and theoretical orientations, and across genres, historical periods, and media“ (ICLA, International Comparative Literature Association). Djelal Kadir betont den übernationalen und transkulturellen Charakter der vergleichenden Literaturwissenschaft. Ihm zufolge gilt:

Comparative Literature is the systematic practice of discerning, examining, and theorizing symbolic processes as they affect the material and aesthetic enablements in the production, valuation, and dissemination of literary culture at and through transnational and transcultural sites. (Vergleichende Literaturwissenschaft ist die systematische Praxis der Wahrnehmung, Untersuchung und Theorie symbolischer Prozesse, während diese materielle und ästhetische Möglichkeiten in der Produktion, Valuation und Dissemination der literarischen Kultur auf und durch übernationale und transkulturelle Standorte beeinflussen). (Kadir 2001: 25)

Die International Comparative Literature Association sagt ebenfalls, die vergleichende Literaturwissenschaft „extends to the study of sites of difference such as race, gender, sexuality, class, ethnicity, and religion in both texts and the everyday world“ (ICLA). Die Brown University ist lakonischer in ihrer Definition der vergleichenden Literaturwissenschaften und beharrt auf den internationalen Charakter der Forschung und Anleitung. Sie wird maßgeblich als „the study of literature and other cultural expressions across linguistic and cultural borders“ (comparative literature) bezeichnet (Brown University). Die Yale University betont dagegen die Interdisziplinarität. Ihre diskursive Praxis vereint das Partikuläre mit dem Generellen, lokale Spezifität mit globaler Universalität. Kadir weist darauf hin, dass neue diskursive Formationen „lines, borders, frontiers“ definieren, „and parameters are no longer crossed but are transcended“ (Kadir 2001: 27). In diesem Sinne wird die vergleichende Literwissenschaft „as a discursive field, as cultural institution, and as historical formation“ (Kadir 2001: 27) betrachtet.

Kulturelle Zeiträume

Griechisch-römische Kultur

Die griechisch-römische Kultur beziehungsweise die antike Klassik (8. Jahrhundert v. Chr. bis 5. Jahrhundert n. Chr.) erstreckte sich um das Mittelmeer herum und umfasste die Zivilisationen des antiken Griechenlands und des antiken Roms. Während der Hochzeit dieser Kultur erstreckte sie sich von den britischen Inseln über Kleinasien, dem Kaukasus, Mesopotamien bis zu den Rändern Indiens. Die griechische und römische Philosophie, Wissenschaft, das Recht, Literatur und Kultur beeinflussten Europa, Nordafrika und Südwestasien immens. Die Kunst der griechischen und römischen Kultur betonte den Aspekt des Gedenkens und vereinte die symbolische und narrative Behandlung eines Themas. Von besonderer Relevanz sind die Formen des literarischen Unterfanges, die einen tiefgreifenden Einfluss auf die Entwicklung der Europäischen Literatur und der Weltliteratur hatten, wie etwa der Mythos, die Tragödie, die Komödie, lyrische Poesie. Diese finden sich in den Werken von William Shakespeare, John Milton, Jean Racine, Molière, James Joyce, T.S. Eliot, André Gide, Jean Anouilh, Eugene O’Neill, Lajos Mesterházy und vielen anderen wieder.

Der Geist des Ostens

Kulturelle Prozesse gingen nicht in Isolation vonstatten, sondern entwickelten sich durch verschiede Arten von direktem wie indirektem Kontakt sowie konstanter Interaktion. Neben dem Besten, das die antike griechische und römischen Literatur zu bieten hatte, gab es auch den ethischen und ästhetischen Standard der hebräischen Bibel, die epische Kraft der Mahabharata, die vorzügliche Dramatik der Akoontala, die Lyrik der persischen und ägyptischen Poesie, die Feinheit des Korans und die philosophische Tiefe und Schönheit der konfuzianischen Klassiker, welche alle einen weitreichenden Einfluss auf die Weltliteratur hatten.

Das Mittelalter

Der Fall Roms im Jahre 476 n. Chr. wurde gefolgt von einem tausend Jahre währenden Zeitraum, der heute als das Mittelalter bekannt ist, und der bis zur italienischen Renaissance andauerte. Während diesem Zeitraum wurde die Kirche zur mächtigsten Institution. Das Christentum spielte eine wichtige Rolle in dem Fall des größten Imperiums der Welt, da es zu einem Wandel im System der moralischen Werte führte. Die Bibel ist die Grundlage des Judentums, des Christentums und einiger anderer Religionen. Die Mythologie der Bibel, das heißt ihre Motive, Charaktere, Bildsprache und Sprache wurde später von vielen Autoren unterschiedlicher Länder wieder aufgegriffen, von Dante Alighieri und Francesco Petrarch bis William Shakespeare, John Milton, George Gordon Byron, Charles Dickens, Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Jospeh Conrad, William Faulkner, John Steinbeck, James Baldwin, William Golding, Michail Bulgakov, Pär Lagerkvist, Tschingis Aitmatow und vielen anderen. Die mit dem US-Pulitzer-Preis dotierte Autorin Marilynne Robinson weist darauf hin: „The Bible is the model for and subject of more art and thought than those of us who live within its influence, consciously or unconsciously, will ever know“ (Robinson 2011).

Es war die Zeit der großen Völkerwanderung in ganz Asien und Europa, während der sich Nationen und nationale Staaten nebst Volkssprachen bildeten. Neue soziale Strukturen erschienen unter dem Einfluss des wirtschaftlichen Wachstums und Handels, der technologischen Entwicklung und Bildung, die weitreichende Folgen für das Leben in den Städten nach sich zogen. Kreative Literatur wurde in den Volkssprachen verfasst; die Sprache der Wissenschaft und Wissenschaftler war Latein. Die wesentlichen literarischen Gattungen umfassten das Heldenepos, die Lyrik (vor allem den Minnesang) sowie Rätsel und Mysterienspiel. Die meiste mittelalterliche Literatur wurde mündlich weitergegeben. Die wichtigsten Motive waren Minne (höfische Liebe), Ritterlichkeit, die Heldentaten der Kreuzritter und biblische Ereignisse.

Die Renaissance

Die Renaissance ist eine präzedenzlose Zeitperiode hinsichtlich der Entwicklung der Europäischen Gesellschaft, Kunst und Wissenschaft und umspannt einen Zeitraum vom 14. bis zum 17. Jahrhundert. In diesen Zeitraum fielen ebenfalls der Abstieg des Feudalsystems und das enthusiastische Wiederaufleben eines Interesses an der Antike, ihrem kulturellen Erbe und klassizistischen Lernen.

Dies stand in Verbindung mit der neuen intellektuellen Bewegung des Humanismus, welcher den Menschen als Zentrum betrachtet und und den Wert und die Würde des Menschen betont. Diese Zeitperiode brachte den „Renaissance Menschen“ beziehungsweise den universal man – ein Ideal des vielseitigen und in sich wohlgerundeten Menschen: „[L]imitless in his capacities for development“ (The Editors of Encyclopaedia Britannica 2017). Die ultimative Quelle von Werten ist der Mensch als das Maß aller Dinge. In diesen Zeitraum fielen ebenfalls die Erforschung neuer Kontinente, große wissenschaftliche Entdeckungen und Innovationen, wie der Buchdruck. Diese Epoche brachte zudem artistischen Wert von einmaliger Qualität hervor: Die Gemälde von Raffael, Michelangelo, Titian, Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Peter Bruegel, Rembrandt, Skulpturen von Donatello and Michelangelo, Bücher von François Rabelais, Michel de Montaigne, Miguel de Cervantes und William Shakespeare.

Die Moderne

Die Moderne begann ungefähr im 16. Jahrhundert. Die Verwendung neuer wissenschaftlicher Methoden führte zur Verbreitung von Wissen in allen Gesellschaftsschichten sowie zu raschem wirtschaftlichem Wachstum durch die Zeit der Aufklärung und der wissenschaftlichen und industriellen Revolution. Es war das Zeitalter der Entdeckungen, der Globalisierung und der Kolonisation anderer Kontinente durch europäische Großmächte. Die Entwicklung des Kapitalismus führte zur Industrialisierung und zur Urbanisierung. Individualismus und Fortschrittsglaube sind Folgen der Moderne. Neues demokratisches Gedankengut fand sich in verschiedenen Feldern des menschlichen Handelns wieder und beeinflusste damit stark die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Der Handel mit dem Ausland und alle Formen des Kontakts charakterisierten die Beziehungen zwischen Europa, dem amerikanischen Doppelkontinent, Asien und Afrika. Die alte Weltordnung wurde von dem Ausgang des Ersten Weltkrieges durchbrochen, der einen Prozess weitreichender politischer und wirtschaftlicher Veränderungen sowie die Dekolonisation und Aufteilung der Welt in Blöcke in Gang setzte.

Die Postmoderne

Der postindustrielle Kapitalismus bestimmte die Entwicklung der Postmoderne, die mit dem Gedankengut der Aufklärung und seinem Glauben an den Fortschritt, wie auch mit den Ideen der Moderne brach. Die Postmoderne beginnt in den 1960er Jahren und hat einen spürbaren Einfluss auf die Philosophie, Kultur, Kunst und Literatur der heutigen Zeit. Einige der wichtigsten charakteristischen Merkmale der Postmoderne sind die Konzepte der Pluralität und Multiplizität kultureller Paradigmen, der Multikulturalismus, die Dezentralisierung, „an incredulity towards metanarratives“ (Lyotard 1984), die Fragmentation, die sich unter dem Einfluss der Postindustrialisation, Informationsrevolution, Verbreitung von Innovationen, des Konsumerismus etc. entwickelte. In der Literatur brachte dies Texte hervor, die auf Fragmentation, Intertextualität, Auflösung von Grenzen zwischen „anspruchsvoller“ und „banaler“ Kunst, Hybridität, Entmarginalisation der zuvor marginalisierten Minderheit und Experimentierung basierten.

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