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1.2.2 Bezüge der Weltkulturen zur griechischen Mythologie und zur antiken griechischen Literatur

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Bezüge zur griechischen Mythologie und der antiken griechischen Literatur finden wir in allen Weltkulturen, die verschiedene mythische Aspekte in ihre kulturellen Artefakte haben einfließen lassen. Dieser Einfluss ist besonders stark in der Gesamtheit der europäischen Literatur zu spüren: In den Werken von Francesco Pertrarch, Giovanni Boccaccio und Dante Alighieri in Italien, Geoffrey Chaucer, William Shakespeare, John Milton, Percy Bysshe Shelley in Großbritannien, Pierre Corneille und Jean Racine in Frankreich, Johann Wolfgang von Goethe in Deutschland, Gavrila Derzhavin, Alexander Pushkin in Russland etc. Griechische Mythen waren ebenfalls das Rohmaterial für die Opern von Georg Friedrich Händel, Christoph von Gluck und Wolfgang Amadeus Mozart. Die Romanautoren beziehungsweise -autorinnen und Dramatiker beziehungsweise Dramatikerinnen des 20. Jahrhunderts reinterpretierten mythologische Motive, darunter so unterschiedliche wie Jean Anouilh, Jean Cocteau, Eugene O'Neill, Tennessee Williams, Thomas Sterns Eliot, Lajos Mesterházi, Marina Tsvetaeva, Seamus Heaney oder James Joyce. Es empfiehlt sich mit den antiken griechischen Mythen und deren Interpretation durch antike griechische Dramatiker vertraut zu sein, um die Werke zeitgenössischer Autoren und Autorinnen in ihrer Gesamtheit schätzen zu können.

Der bedeutendste US-amerikanische Dramatiker, Eugene O’Neill (1888–1953), baute seine Stücke auf dem griechischen Konzept der Tragödie auf. Er zeigte das bemerkenswerte Potenzial, das die Kräfte behind life, wie er es nannte, bargen und das menschliche Schicksal bestimmten. Dank dem psychologischen Realismus von O’Neills Stücken erlangte das amerikanische Drama einen weltrenommierten Status. In seinen Stücken erforscht O’Neill mutig das Innenleben seiner Figuren, ihre Motive, Ängste, Hoffnungen und Reaktionen auf Themen und Probleme, die oft universeller Natur sind. Der Dramatiker erweiterte das Spektrum, das als angemessen für Theaterstücke angesehen wurde, um Themen wie Rasse, Geschlecht, die Macht des Unterbewusstseins und Sex. Im Zentrum seiner Stücke stehen, ähnlich wie in den klassischen griechischen Tragödien, meistens die Figuren. O’Neill studierte die Traditionen der griechischen Tragödie und erfand das Genre so auf einmalige Weise neu. Dies erbrachte ihm 1936 den Literaturnobelpreis „for the power, honesty and deep-felt emotions of his dramatic works, which embody an original concept of tragedy“ (NobelPrize.org). Sein Werk war zudem auch stark von den Entdeckungen der europäischen Dramatiker Strindberg, Henrik Ibsen und Anton Chekhov beeinflusst, die das Drama des alltäglichen Lebens einer normalen Person erforschten. Sie schufen, was heute als das theater of mood bekannt ist und befürworteten damit den psychologischen Realismus.

„The kind of theatre that O’Neill’s plays hint at could not have flourished on the stage without the necessary acting, directing, and design practices to support it“ (Zarilli, McConachie, Williams & Fisher Sorgenfrei 2010: 402). Er brauchte neue Schauspieler, die sich von den alten abgedroschenen Traditionen der Schauspielerei und Klischees befreien konnten; er hatte das Glück diese in der Truppe der Provincetown Players zu finden, eine Theatergruppe, die 1915 in Provincetown, Massachusetts gegründet wurde. Einige seiner bekanntesten Stücke feierten ihre Premiere in Provincetown. Jenseits vom Horizont (1920) bescherte ihm den ersten von vier Pulitzer-Preisen für Theater; das Stück war eine intensive psychologische Studie zweier Männer, die dieselbe Frau liebten. Der Kaiser Jones (1920) stellte einen all Negro cast (wörtlich so im Programm ausgeschrieben), eine komplett schwarze Besetzung, vor und brachte einen unverzüglichen finanziellen Erfolg. Die Titelrolle wurde von Paul Robeson, dem erfolgreichsten afroamerikanischen Schauspieler, Sänger und Aktivisten gespielt, nachdem der ursprüngliche Darsteller Charles Gilpin zurückgetreten war. Das Stück verbindet Elemente des psychologischen Realismus mit Expressionismus, der charakteristisch für die Theaterstücke der 1920er ist. Der Ursprung dieser Art des Theaters liegt in Deutschland und wird beschrieben als Expressionismus:

Artistic style in which the artist seeks to depict not objective reality but rather the subjective emotions and responses that objects and events arouse within a person. The artist accomplishes this aim through distortion, exaggeration, primitivism, and fantasy and through the vivid, jarring, violent, or dynamic application of formal elements. (The Editors of Encyclopaedia Britannica 2019)

Eines seiner bekanntesten Stücke Sehnsucht unter Ulmen (1924) besitzt einen skandalösen Ruf. Die erste Besetzung in Los Angeles wurde für die Aufführung eines obszönen Stücks festgenommen, welches dann in Großbritannien bis 1940 verboten wurde. Das Stück wurde mit einer naturalistischen Ader geschrieben, unter dem Einfluss von nietzscheanischem und Freud’schem Gedankengut. Es beschreibt das Liebesdreieck zwischen dem Vater, seiner neuen Frau und ihrem Stiefsohn und zeigt damit das tiefe Interesse des Dramatikers O’Neill an der griechischen Tragödie. Es bestehen offensichtliche Verbindungen zu dem Mythos des Ödipus, Euripides’ Tragödien Hippolytos und Medea sowie Jean Racines Phèdre. M.L. Ranald bemerkt, dass

in Greek tragedy, action appears to proceed naturally from a given quantity called ‚character‘, a complex of distinguishable human traits usually seen in part as having been shaped by past experience and perhaps even by heredity (e.g. Antigone, Hippolytus) in ways that reflect universal ‚laws‘ of the human experience. At the same time, the action appears as the product of supernatural forces, a reaction against some breach of the cosmic order. Similarly, in Desire, we are made cognizant simultaneously of the dark, only partly knowable forces of the individual subconscious and of a superhuman cosmic principle working itself out through the action of the tragedy. (Ranald 1986)

In seiner Triologie Trauer muss Elektra tragen (1931) versetze der Dramatiker Aischylos’ Orestie in die Zeit nach dem Bürgerkrieg nach Neuengland. Der Parallelismus ist schon in den Titeln der Stücke der Trilogie offensichtlich. Nach Aischylos’ Agamemnon, Die Grabesspenderinnen und Die Eumeniden, betitelte O’Neill seine Stücke Heimkehr, Die Gejagten und Die Verfluchten. Allerdings schreibt Travis Bogard, dass

in some thematic respects, Trauer muss Elektra tragen is closer to Euripides than to Aeschylus, owing to the Euripidean treatment, its psychological interest and the incorrigible self-justifications for acts of violence in which Euripides’ Electra and Klytemnestra engage. The incest motif also has its strongest source in Euripides’ Orestes. Nevertheless, O’Neill has worked freely with his Greek material, and, as he noted in his diary, in centering on Electra’s destiny after the murder, he has added a fresh increment to the legend. (Bogard 1988)

Die Trilogie stellt die physische und moralische Zersetzung von zwei Generationen der Mannon family dar. Der Ödipus MythosÖdipus Mythos liegt den Stücken der Trilogie zugrunde und das Motiv des Schicksals wird immer wieder durch die drei Stücke hindurch wiederholt. Der Freud’sche Einfluss tritt in der Exploration des Ödipus- und des Elektrakomplexes zu Tage, übertragen auf die Figuren Orin und Lavinia. O’Neill hebt das menschliche Dilemma und die Kräfte hervor, die verantwortlich sind für den tragischen Zusammenbruch menschlicher Werte.

Seine erfolgreichsten Stücke wurden allerdings zum Ende der 1930er–1940er geschrieben. Der Eismann kommt (1939) ist voller Hoffnungslosigkeit und wird oft mit Maxim Gorkis Stück The Lower Depths verglichen, welches O’Neill stark beeinflusst haben muss. Sein autobiographisches Stück Eines langen Tages Reise in die Nacht (1941 geschrieben, erst 1956 veröffentlicht) hatte ihm seinen vierten posthumen Pulitzer-Preis beschert und stellt den Zusammenbruch seiner Familie dar; dies erklärt, warum der Dramatiker keiner Veröffentlichung zustimmte. Harald Bloom schrieb das Vorwort des Stückes und betonte darin, dass

the helplessness of family life to sustain, let alone heal, the wounds of marriage, of parenthood, and of sonship, have never been so remorselessly and so pathetically portrayed, and with a force of gesture too painful ever to be forgotten by any of us. (O’Neill 2002: Rückseite)

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