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5 Einige Hypothesen zu Organisationsakronymen

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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bildung von KurzwörterKurzwort grundsätzlich hochproduktiv ist und die Wortbildungsresultate einen wichtigen Beitrag zur Lexikonerweiterung im DeutschenDeutsch darstellen. Vor allem der Typus der multisegmentalen Initialkurzwärter, hier als AkronymeAkronym behandelt, erfüllt verschiedene Ausdrucksbedürfnisse und trägt zu einer ökonomischen, kohäsiven und informationell dichten Textgestalt bei.

In den hier vorgestellten Fällen ging es um militante islamistische Organisationen, die AkronymeAkronym auch aus der Eigenbenennungsperspektive verwenden, um damit neben dem bloßen Nominationsakt verschiedene Effekte zu erzielen. So dient AQ**AQ** als Label, das eine ideologische Zugehörigkeit ausdrückt und zugleich eine lokalspezifizierende Reihenerweiterung erlaubt. Die akronymischen Referenzialisierungen treten im medial vermittelten TerrorismusTerrorismus-Diskurs erst relativ spät und nur in bestimmten Segmenten des Spektrums der Publikationsmedien auf. Sie lassen sich außerdem zu diskursprägenden Metaphorisierungen von Al-Qaida als Franchise-Unternehmen, als eine Art ideologisch vereinter GmbH mit autonom operierenden und deshalb schwer zu bekämpfenden Filialen, in Beziehung setzen. Diese MetaphernMetapher liefern zusammen mit den akronymischen Referenzausdrücken einen besonderen Beitrag zur KonzeptualisierungKonzeptualisierung der terroristischen Akteure als strukturkomplexer, binnendifferenzierter Gesamtorganisation.

Mit den multiplen IS-AkronymenAkronym werden in den verschiedenen Etappen der Namensgebung analoge, aber auch komplementäre Etikettierungen vollzogen; nach einer regionalen Erweiterung (von AQI zu ISIL/ISIS) wird eine De-Regionalisierung und Universalisierung (von ISIL/ISIS zu IS) angestrebt. Diese Selbstbenennungen treten auch im deutschsprachigen Mediendiskurs auf und wurden im Rahmen dieser Arbeit, in der arabisch-sprachige Texte nicht mit herangezogen werden konnten, allein aus der Fremdbenennungsperspektive behandelt. Zusätzlich zeigen sich auch semantische Kämpfe, die teilweise mittels pejorativen Alternativ-Akronymen (UIS) geführt werden.

Im Hinblick auf die identifizierten Verwendungsweisen lässt sich zusammenfassen, dass diese AkronymeAkronym insofern einem mittlerweile relativ festen Textgebrauchsmuster unterliegen, als sie häufig in Überschriften auftauchen und je nach Konventionalitätsgrad dann zu Beginn des Fließtextes einmalig in Kontaktstellung zur Vollform eingeführt werden, um anschließend frei verwendet zu werden, wobei sie häufig auch zu KompositaKompositum zusammengesetzt werden. Dass KurzwörterKurzwort besonders als Namen für Institutionen und Organisationen Wortbildungsmöglichkeiten eröffnen, die die jeweiligen Vollformen nicht bieten, betont auch Steinhauer (2007: 152).

Gerade AkronymeAkronym werden in auffälliger Weise dazu genutzt, um Gruppierungen zu benennen. Hinweise auf die Vielzahl von KurzwortKurzwort-Eigennamen, besonders für Personengruppen, finden sich auch bei Starke (1997: 93), Busse/Schneider (2007: 165), Grebovic (2007: 56–61) und Fleischer/Barz (2012: 285–286). Deutlich wird dies etwas durch einen Blick auf gängige Benennungsstrategien politischer Parteien (SP, SVP, FDP, CVP, etc.), Sportvereinen (YB, FCSG, GC, SCB etc.) oder Institutionen (SRF, SAC, FIFA, WHO, CERN etc.). Bei allen Unterschieden zwischen diesen Akronymen – etwa im Hinblick auf ihre Aussprache oder darauf, ob es sich um die gebräuchlicheren Bezeichnungen, wie bei Parteien, oder um Alternativbenennungen wie bei den Fußballclubs handelt – haben sie viele Gemeinsamkeiten. Ihre Denotate sind jeweils prototypisch kollektive oder auch korporative Akteure, also Gruppierungen von Personen, die sich ihrer Kollektivstrukturiertheit bewusst sind und die planmäßig und zielorientiert gemeinsam agieren.

Es wird hier deshalb vorgeschlagen, diese Vorkommen als OrganisationsakronymeOrganisationsakronym begrifflich festzuhalten. Dieser hochproduktive Nominationstypus entspricht dann einer nicht-diskreten Teilmenge innerhalb der KurzwörterKurzwort einerseits und der Personengruppenbenennungen andererseits; d.h. die Organisationsakronyme unterscheiden sich nicht fundamental von anderen Kurzwörtern und Gruppennamen, zeigen aber viele auffällige Charakteristika bei der Benennung von kollektiven Akteuren aus Selbst- oder Fremdperspektive. Um die tatsächliche Eigenständigkeit in Form und Funktion dieses Typus eingehend bestimmen zu können, sind sicherlich noch weitere und weiterführende Untersuchungen notwendig.1Organisationsakronym

Die Prävalenz der OrganisationsakronymeOrganisationsakronym erklärt sich aus verschiedenen kommunikativen Bedürfnissen. Aus der Perspektive der Fremdbenennung eignen sich AkronymeAkronym besonders gut zur Bezeichnung von Organisationen. Die ausdrucksseitig sehr kurzen Namensetiketten tragen zu einer ökonomischen, kohäsiven Textgestaltung, zu einer verdichteten Informationsstruktur und -vermittlung bei. Diese Charakteristika der KurzwörterKurzwort führen dazu, dass Textproduzenten sie häufig benutzen und sich so wiederum ihre Bekanntheit und die mediale Präsenz der so benannten OrganisationOrganisation verstärkt.

In Selbstbenennungsakten ergeben AkronymeAkronym ein erwünscht prägnantes Label mit einer einfachen emblematischen Struktur, in der aber zugleich umfangreiche inhaltliche Angaben kondensiert sind. Mittels Akronymen lässt sich zwar prädikationsfrei referieren, zugleich können aber Bedeutungselemente der Vollformen entfaltet und sozusagen resignifiziert werden. Die oftmals syntaktisch komplexen, im KurzwortKurzwort univerbierten Ausgangsnamen sind ja nicht verloren. Vielmehr sind ihre Prädikationen und Attribuierungen sekundär präsent und können durch Rekurse hervorgehoben und neu aufgeladen werden. Beispielhaft findet dies statt, wenn in kritischen Diskursen danach gefragt wird, wofür das „S“ der SPD denn noch stehe, wenn diese keine sozialdemokratische, sondern nur noch neoliberale Politik betreibe, oder wenn christlich-konservative Kreise nicht mehr genug „C“ in der CDU sehen (cf. Der Spiegel, 27.02.2010).

Die Mehrstufigkeit des Zeichens im Verhältnis von Vollformbedeutung und initialem AkronymAkronym-Bestandteil lässt sich auf verschiedene Arten diskursiv ausnutzen. Hier greift der u.a. von Steinhauer (2007: 149–150) beschriebene Vorgang der Remotivierungen als „gezielte Umdeutungen der Vollformen im Nachhinein“. Klassische Beispiele hierfür betreffen Unternehmen, die obsolet gewordene Namensbestandteile ablegen oder in neue Werbeslogans umwandeln (AEG < „Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft“ wird zu „Aus Erfahrung gut“). Dies kann aber auch einer Umweg-Nomination dienen: Der DFB (Deutsche Fußball-Bund) untersagte einem bekannten Getränkehersteller, seinen neugegründeten Verein RedBull Leipzig zu nennen, da Firmennamen nicht in Vereinsnamen auftreten dürften. Daraufhin wurde der Verein als RasenBallsport Leipzig gegründet und kann so trotzdem unter dem intendierten Akronym RBL firmieren.2Akronym

AkronymeAkronym sind somit semiotisch mehrdimensional einsetzbar und können auch in Konstellationen semantischer Kämpfe metasprachlich thematisiert und sozusagen rekodiert werden.3OrganisationsakronymAkronym

Die oben besprochenen Reihenbildungen durch Initial-Erweiterungen (AQ zu AQAP) stellen außerdem besondere Fälle von AkronymenAkronym für kollektive Akteure dar. Sie erlauben nämlich eine geschickte sprachliche Aktualisierung der Organisationsstruktur und eine nebenbei ablaufende Vermittlung von Informationen über intraorganisationale Beziehungen des Denotats.4OrganisationsakronymAkronym

Die Gründe für die Präferenz von Initialkurzwörtern bei Selbstbenennung durch die Organisationen und bei Referenzialisierungen aus Fremdperspektive sind letztlich konvergent. Kollektive Akteure wünschen sich kompakte, gut zu merkende Namen und Journalist_innen wünschen sich ökonomische, musterhaft zu gebrauchende Benennungsmittel; und dass diese Interessen sich durch AkronymeAkronym gemeinsam erfüllen lassen, erklärt, warum es in den letzten Jahrzehnten zu einem Auftreten und starkem Anstieg dieser Wortbildungsprodukte kam. OrganisationsakronymeOrganisationsakronym sind emblematisch prägnante, multifunktionale, diskurssemiotisch komplexe Spracheinheiten.

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