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3.2 NominalisierungNominalisierung vs. Nominalkomposition

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Wie könnte diese Asymmetrie erklärbar sein? Die entscheidende Idee für die Beantwortung dieser Frage wurde bereits von Stiebels/Wunderlich (1994: 923f.; 939f.) selbst vorgebracht, wenngleich sie dadurch nur das Auftreten von Wurzelnomina, die ebenfalls keine produktive Klasse mehr darstellen, bei Nominalformen von Ptk-Vn erklären wollten: Substantive, die eine EntsprechungEntsprechung in Ptk-Vn haben, seien nicht zwangsläufig AbleitungenAbleitung (siehe auch Derivation), sondern semantisch mehr oder weniger parallele Nominalkomposita von Präpositionen oder Adverbien mit einer im Lexikon verfügbaren Wurzel, die alternativ zum produktiven verbalen Lexem verwendet werden kann – also ein Allomorph. Natürlich kann diese Sicht auch auf andere Wortbildungsprodukte nach nicht mehr produktiven Regeln, wie die Bildungen Wurzel(allomorph) + e (Gabe, Suche) oder Wurzel(allomorph) + t (Sicht, Kunft) ausgeweitet werden.

Für diese Analyse sprechen verschiedene Argumente: Da Nominalkomposita immer auf dem Erstglied betont werden (59a), ist der WortakzentWortakzent kein Indiz für ein Ptk-V als Ableitungsbasis (59b); nicht zuletzt existieren auch Nominalkomposita, die auf dem Erstglied betont sind und die eine Parallele in einem Pfx-V haben (59c).

(59)a.’Umweg, ’Vorzimmer, ’Überbett(Stiebels/Wunderlich 1994: 923)
b.’Umgang, ’Vorstand, ’Übergang
c.über’nehmen vs. ’Übernahme

Präfigierte deverbale Substantive sind dagegen nicht auf dem Erstglied betont:

(60)Ver’gabe, Ent’nahme(ibd. 924)

Die Existenz von Nominalkomposita, die parallel zu Ptk-Vn verwendet werden, scheint nicht nur plausibel, weil oft Substantive verwendet werden, deren AbleitungAbleitung (siehe auch Derivation) vom Basisverb intransparent ist – wie z.B. Sicht vs. seh- (61a). Sie ist auch evident, wenn das KompositumZusammensetzung (siehe auch Kompositum)Kompositum nicht mit dem Wurzelnomen sondern mit einem ge-präfigierten deverbalen Nomen gebildet wird (61b+c).

(61)a.durchsehen vs. Durchsicht: [N durchAdv + sichtN]
banbieten vs. Angebot: [N anP + gebotN](ibd. 939f.)
c.anquatschen vs. Angequatsche: [N anP + gequatscheN]

Da KompositionKomposition rekursiv durchführbar ist, Iteration von V-Ptkn jedoch nicht möglich ist, existieren zu entsprechenden Substantiven keine parallelen Ptk-Vn (vgl. Stiebels/Wunderlich 1994: 940):

(62)a.Vorabdruck, Wiederanspiel, Überangebot, Oberaufsicht
b.*vorabdrucken, *wiederanspielen, *überanbieten, *oberbeaufsichtigen/ *oberaufsehen

Der Rückgriff auf alternative Morphe erklärt aus unserer Sicht nicht nur die Möglichkeit der Verwendung des Allomorphs [gabe] für deverbale Bildungen trotz der semantischen Einschränkung des Substantivs Gabe. Es eröffnet sich auch eine Erklärung für die nicht-produktivität von Bildungen mit +kunft.

Das Substantiv Kunft ist als deverbales Nomen bezeugt seit dem 8. Jh., ebenso wie das ahd. Adjektiv kumftīg (vgl. Kluge 2011). Ursprünglich hatte es ein Ereignisdenotat.

(63)sine cunft was so wunderlich(Anf. 12. Jh.; MSD 101; vgl. DRW)
≈ ‚Sein Kommen war wie ein Wunder.‘

Dass *kunft als selbständiges Substantiv nicht mehr vorhanden ist und zugleich Nominalbildungen mit +kunft unproduktiv sind, legt nahe, dass die KompositionKomposition mit einer/m Wurzel(allomorph) zur Bildung einer dem Ptk-V parallelen Form von der Verfügbarkeit des Substantivs im Lexikon abhängt. Aus systematischer Sicht ist das nicht weiter verwunderlich, da diese Bildungen als KompositaKompositum selbständige Glieder voraussetzen, will man nicht die sog. KonfixeKonxif ins Spiel bringen, die hier ja aber ohnehin nicht vorliegen. Augenscheinliche Ptk-V-NominalisierungenNominalisierung sind zwar nicht einfach Nominalkomposita – andernfalls wären ereignisdenotierende Substantive wie Weitergabe nicht möglich. Es liegt aber die Verwendung eines Allomorphs vor, das das Vorhandensein eines entsprechenden Nomens voraussetzt; aus diesem Grund sind Bildungen mit +kunft nicht mehr produktiv.

Wenn nun, wie oben vorgeschlagen, syntaktisch völlig eigenständige V-Ptkn eigentlich resultative sekundäre Prädikate in Form lexikalischer Kategorien (Adv, Adj) sind (64a+b), so sind die zum komplexen Prädikat parallel existierenden Substantive mit dem InfinitivInfinitiv kommen folgendermaßen zu analysieren: Mangels zur NominalisierungNominalisierung verwendbarem Allomorph steht als einzige Nominalform der Infinitiv zur Verfügung (64c).

(64)a.[AdvP Wesentlich weiter als erhofft] sind wir wieder nicht gekommen.
b.Wir sind heute [AdvP wesentlich weiter als erhofft].
c.Wir hofften auf ein Weiterkommen/ *eine Weiterkunft.

Hierfür spricht meines Erachtens auch die prinzipielle Erweiterbarkeit durch zusätzliche Glieder, wie z.B. Adverbiale.

(65)a.Schon wieder kamen die selben Fragen auf.
b.Das Wiederaufkommen von Fragen ist für solche Arbeiten typisch.
c.?Das Schonwiederaufkommen der selben Fragen überrascht also nicht.

Somit sind, systematisch betrachtet, augenscheinliche NominalisierungenNominalisierung solcher „PartikelverbenPartikelverb“ durch den InfinitivInfinitiv eigentlich Zusammenrückungen bzw. Phrasenkomposita, also ebenfalls syntaktisch motivierte Bildungen.

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