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4.1. Variation der Pluralbildung: Balkon
ОглавлениеBei einigen Wörtern kann die Bildung des Plurals areal im Standarddeutschen variieren. Der Gebrauch des -e-Plurals kann dabei dem des -s-Plurals gegenüberstehen, so z.B. bei den aus dem Französischen entlehnten Substantiven Balkon, Ballon und Karton (vgl. auch im VWB, Ammon et al. 2004: 44–45). Ich behandle hier nur den Fall Balkon; bei Ballon und Karton können areale Präferenzen zwar ähnlich, aber schwächer zum Vorschein kommen als bei Balkon. Die Beschreibung des VWBs lässt erwarten, dass der Plural Balkone eher im Süden des Sprachgebiets gebraucht wird, wohingegen Balkons eher im Norden verwendet wird, analog zu den Aussprachepräferenzen [bal’koːn] im Süden und [bal’kɔŋ] und [bal’kõː] im Norden (vgl. Ammon et al. 2004: 44–45).
Für Balkon als Simplex wie als Grundwort (Determinativum) einer Komposition liegen 219 Fälle von Plural auf -s vor (Balkons/ -balkons) gegenüber 1824 Fällen von Plural auf -e (Balkone/-balkone). Die areale Verteilung zeigen Tab. 2 und Abb. 4.
Areal | Balkon-e | Balkon-s |
Deutschland Nordwest | 159 (94 %) | 11 (6 %) |
Deutschland Nordost | 431 (83 %) | 90 (17 %) |
Deutschland Mittelwest | 258 (93 %) | 19 (7 %) |
Deutschland Mittelost | 328 (82 %) | 72 (18 %) |
Deutschland Südwest | 171 (97 %) | 5 (3 %) |
Deutschland Südost | 222 (93 %) | 16 (7 %) |
Österreich West | 51 (98 %) | 1 (2 %) |
Österreich Mitte | 49 (98 %) | 1 (2 %) |
Österreich Südost | 46 (92 %) | 4 (8 %) |
Österreich Ost | 5 (83 %, u.S.) | 1 (17 %, u.S.) |
Schweiz | 84 (100 %) | 0 (0 %) |
Ostbelgien | 4 (100 %, u.S.) | 0 (0 %, u.S.) |
Liechtenstein | 0 (0 %, k.B.) | 0 (0 %, k.B.) |
Luxemburg | 2 (67 %, u.S.) | 1 (33 %, u.S.) |
Südtirol | 14 (100 %) | 0 (0 %) |
Tab. 2: relative Verteilung von Balkons vs. Balkone innerhalb der einzelnen Areale im ‚Variantengrammatik‘-Korpus1
Abb. 4: Relative Verteilung von Balkons vs. Balkone innerhalb der einzelnen Areale im ‚Variantengrammatik‘-Korpus2
Zu erkennen ist, dass prinzipiell beide Pluralvarianten in fast allen untersuchten deutschsprachigen Regionen in Verwendung sind (wenn auch mit Werten u.S. für Luxemburg, Ostbelgien und Ostösterreich und gar keinen für Liechtenstein), und sich dies für Deutschland und Österreich auf die jeweils gesamte Landesfläche aufteilt. D.h., weder kann man von einem Gegensatz ‚österreichisch‘ Balkone vs. ‚bundesdeutsch‘ Balkons sprechen noch von einem solchen ‚süddeutsch-österreichisch-schweizerisch‘ Balkone vs. ‚norddeutsch‘ Balkons. Das mag etwas überraschen, hätte man ja auf der Basis unterschiedlicher Aussprachestandards, die der Duden online angibt,3 vor allem letztere Verteilung erwartet. Vielmehr zeigt sich jedoch, dass die Variante mit Plural auf -e, Balkone, stets die mehrheitlich bis ausschließlich verwendete Variante ist. Das VWB (Ammon et al. 2004: 44–45) suggeriert hier eine Zweiteilung des Sprachgebiets, die sich so nicht in den Daten bestätigt und die auch nicht so rigoros von der Aussprache abhängig gemacht werden kann. Letzteres zeigt sich erst bei der Betrachtung arealer Details: Im nord- und mittelöstlichen Deutschland häufen sich die Belege für den -s-Plural. Balkons kommt dort also eher vor als in anderen Arealen Deutschlands. Dies lässt sich durchaus analog zu einer Aussprachevariante des Gebiets – der ehemaligen DDR – sehen: Nach dem ‚Atlas zur Aussprache des deutschen Gebrauchsstandards‘ lässt sich der Nordosten und Mittelosten Deutschlands als Kerngebiet der Aussprachevariante [bal’kɔŋ] interpretieren (gegenüber eher westlich-südlichem [bal’koːn] und gelegentlichem [bal’kõː]).4 So oder so lässt sich der relativ häufige Gebrauch des -s-Plurals bei Balkon als spezifisch innerdeutsche Variation bezeichnen. Dies kann mit der pluriarealen Gliederung präzis beschrieben werden.