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4.4. Variation in der Trennbarkeit von Verben: widerspiegeln

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Dieser Fall wird ausführlich thematisiert in Niehaus (2015). Ich fasse mich deshalb hier etwas kürzer.

Einige Verben lassen sich (in Hauptsätzen) trennbar und untrennbar gebrauchen, z.B. aberkennen, anerkennen, auferlegen und widerspiegeln. Für widerspiegeln ergeben sich also folgende Varianten:

 (1.) Die eingeladenen Mannschaften spiegeln die Handball-Weltklasse wider. (Kieler Nachrichten Online).

 (2.) Das hochkarätige Line-up der „Duette“-Tour widerspiegelt einen Ausschnitt daraus. (1815 – Das Oberwalliser Nachrichtenportal).

Diese stark von der Syntax abhängige Variable ist im lexikalisch-semantisch vorgehenden VWB (mit Ausnahmen im Vorspann) nicht verzeichnet.

Arealwiderspiegeln trennbarwiderspiegeln untrennbar
Deutschland Nordwest253 (100 %)0 (0 %)
Deutschland Nordost256 (82 %)56 (18 %)
Deutschland Mittelwest207 (100 %)0 (0 %)
Deutschland Mittelost265 (83 %)54 (17 %)
Deutschland Südwest239 (98 %)6 (2 %)
Deutschland Südost391 (99 %)5 (1 %)
Österreich West27 (84 %)5 (16 %)
Österreich Mitte60 (92 %)5 (8 %)
Österreich Südost60 (95 %)3 (5 %)
Österreich Ost9 (90 %)1 (10 %)
Schweiz18 (13 %)119 (87 %)
Ostbelgien12 (100 %)0 (0 %)
Liechtenstein0 (0 %, u.S.)7 (100 %, u.S.)
Luxemburg13 (100 %)0 (0 %)
Südtirol8 (80 %)2 (20 %)

Tab. 5: Verteilung von trennbarer Verwendungsweise/untrennbarer Verwendungsweise bei widerspiegeln innerhalb der einzelnen Areale im ‚Variantengrammatik‘-Korpus

Im ‚Variantengrammatik‘-Korpus finden sich 1818 Belege für die trennbare Verwendung von widerspiegeln wie in (1) und 263 Belege für die untrennbare Verwendung wie in (2).1 Daraus könnte man ein überregional starkes Übergewicht der Variante (1) ableiten, allerdings zeigt sich, dass der Blick auf die Areale ein anderes Bild ergibt (vgl. Tab. 5 und Abb. 7): Die Belege für die untrennbare Variante (2) sind stark konzentriert auf die Schweiz, wo sie sogar die große Mehrheit des Gebrauchsstandards (87 %) darstellen, auf Westösterreich mit 16 % der Variable sowie auf den Nordosten und Mittelosten Deutschlands – also wiederum auf die Gebiete der ehemaligen DDR – mit 18 % bzw. 17 % der Variable. Im an die Schweiz grenzenden Westösterreich und in den ‚neuen Bundesländern‘ Deutschlands kommt die untrennbare Variante also durchaus relativ häufig vor verglichen mit den übrigen Arealen des jeweiligen Landes.


Abb. 7: Relative Auftretenshäufigkeit von trennbarer Verwendungsweise/untrennbarer Verwendungsweise bei widerspiegeln innerhalb der einzelnen Areale im ‚Variantengrammatik‘-Korpus

Zu revidieren ist die Annahme, die untrennbare Variante sei eine ausschließlich nationale, nämlich schweizerische Standardvariante (vgl. noch Dürscheid & Hefti 2006: 139).2 Eine weitergehende Erklärung steht hier noch aus, denkbar wären der Einfluss eines fachsprachlichen Registers3 oder das Vorliegen tradierter Schriftsyntaxkonventionen, in Nordost- und Mittelost-Deutschland etwa durch den behörden- und obrigkeitsgeprägten Stil der DDR-Bezirkszeitungen, deren Nachfolger die heutigen Regionalzeitungen dieses Gebiets sind.4

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