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III. Interdisziplinäre Zugänge
ОглавлениеKarin Gehrer, Maren Oepke & Franz Eberle überprüfen, ob die für die Schweiz repräsentativen empirischen Daten der Studie EVAMAR II für die sprachwissenschaftliche Plurizentrik-Debatte innerhalb des Deutschen ein gewisses Analysepotenzial bieten und ob für sprachliche Leistungsunterschiede auf universitärem Niveau empirische Hinweise für den Einfluss der Familiensprache (bzw. der Familienvarietät) gefunden werden können. Es wird gezeigt, dass bei MaturandInnen aus einem Elternhaus mit Sozialisation in Schweizerdeutsch und Schweizer Standardsprache gegenüber MaturandInnen aus einem Elternhaus mit bundesdeutscher Standardsprache weder im Gesamttest noch in den einzelnen Subskalen (Grammatik/Orthographie, Leseverstehen, Wortschatz) signifikant voneinander abweichende Ergebnisse erzielt werden. Es existieren somit auf den ersten Blick keine auffälligen Sprachstandsunterschiede. Allerdings vermuten die AutorInnen, dass dies auch an den insgesamt hohen Hürden für das Gymnasium in der Schweiz liegt, die auf die Ausprägung der sprachlichen Fähigkeiten bereits selektiv wirken. Brisant sind dabei die grossen Unterschiede in den Leistungen zwischen den Schülerinnen und Schülern und das Defizit am unteren Ende der Leistungsskala.
Die Literaturauswahl, kanonisiert in Literaturgeschichten, orientiert sich traditionell – wie Stefan Neuhaus zeigt – an den geographisch-territorialen Grenzen eines gesamtdeutschen Sprachraums. Weder die Betonung von Frauen- noch von MigrantInnen-Literatur haben diese territoriale Dominanz der Kategorisierung brechen können. Neben nationalen (die Literatur von Österreich und der Schweiz ist von deutschen Literarhistorikern allzu gern zur ‚deutschen‘ Literatur gerechnet worden) sind regionale Perspektiven auf Literatur dazugekommen. Obschon aber nach 1945 die Nationalismen zurückgedrängt wurden und Literaturgeschichten dem Nationalismus abgeschworen haben, orientieren sich diese weitgehend an dem früheren, an staatlichen oder regionalen Grenzen orientierten Einteilungssystem. Die Literatur spielt im Identitätsdiskurs eines Landes nach wie vor eine zentrale Rolle. Neuhaus beschreibt eine seit dem 18. Jahrhundert laufende Entwicklung, die von der gewachsenen Bedeutung der Grenzen einer imaginären deutschen, österreich-ungarischen oder schweizerischen Nation über eine Auflösung des Nationalitätsdispositivs hin zu einer erneuten Stärkung der nationalen oder auch regionalen, in jedem Fall geographischen Komponente im gesellschaftlichen Diskurs führt. Dies sei z.B. an der gewachsenen Bedeutung von nationalen oder regionalen Literaturgeschichten, Literaturarchiven oder Literaturpreisen ablesbar.