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2. Historisches Lernen und Erinnerungskulturen 2.1 Vom historischen Lernen zum historischen Denken
ОглавлениеGeschichte erleben Menschen tagtäglich, sie begleitet sie förmlich auf „Schritt und Tritt“. Bei einem Stadtspaziergang kommen wir an alten Bauwerken wie Kirchen vorbei, Straßenoder Gassenschilder machen mit ihren Namen auf Persönlichkeiten oder Geschehnisse aufmerksam, vor einem Denkmal bleiben wir stehen, lesend und betrachtend halten wir inne. Alles hat seine Geschichte, auch die Umgebung, in der wir leben und arbeiten. Bewusst oder unbewusst ist jede Begegnung mit Geschichte auch eine Art des historischen Lernens.
„Historisches Lernen“ als Terminus eindeutig zu definieren, erweist sich als schwierig, da der Begriff vielschichtig und weitläufig erscheint. „Geschichte“, „Geschichtsbewusstsein“ und „Historisches Denken“ stehen in einem engen Zusammenhang. (Vgl. Toman 2015, 36) Schüler*innen verfügen über eine natürliche Fragehaltung (Woher kommt das? Wie ist das so geworden? War das schon immer so?) und entwickeln einen Forscherdrang, welche die Grundvoraussetzungen für historisches Lernen darstellen. Rita Rohrbach beschreibt „Historisches Lernen als Denkstil, als Nachdenken über vergangenes Handeln und Leiden“ (Rohrbach in Bergmann & Rohrbach 2005, 52). Nicht das Sammeln von Wissen steht im Vordergrund, sondern das Nachdenken und das Philosophieren der jungen Lerner*innen (vgl. Rohrbach in Bergmann/Rohrbach 2005, 52). Die Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft stellen die zeitliche Grundlage des menschlichen Erlebens und Denkens dar. Zum besseren Verständnis werden eine Definition von Geschichte nach von Reeken und eine von Geschichtsbewusstsein nach Létourneau ergänzt:
Geschichte ist also ein Prozess der Rekonstruktion und Konstruktion von Vergangenheit aus der Perspektive der Gegenwart mit der Zielsetzung, in Gegenwart und Zukunft die eigene Fähigkeit zum Verständnis gesellschaftlicher und individueller Prozesse zu vertiefen und Handlungskompetenz zu gewinnen. (von Reeken 2012, 5)
Unter Geschichtsbewusstsein versteht man „die Kompetenz des menschlichen Individuums, seinen Platz in einer sich entwickelnden und fortschreitenden Umwelt relativ zu einem Vorher, einem Hier und einem Nachher zu definieren“ (Létourneau in Reeken von 2012, 8). Historisches Denken kann als kognitives Tun beschrieben werden, welches „im Kern die Rekonstruktion von Geschichte aus Vergangenheit zu einer Narration und deren kritische Dekonstruktion“ (Toman 2015, 37) bedeutet. Diese Aussage wird einerseits durch die Fähigkeit der Empathie und andererseits durch die Mehrperspektivität der Sichtweise der Geschichte ergänzt. Geschichte als eine Form des Forschens und Nachdenkens über das Leben und Handeln von Menschen in der Vergangenheit benötigt einerseits die Beschäftigung mit Wissen über Geschichte und andererseits das historische Werkzeug, um zu begründeten Antworten und somit zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein zu kommen.