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3.3.1 Sachanalytische Zugänge

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Der Tag, an dem das Meer verschwand setzt mit einer anschaulichen Beschreibung des Sonnenaufgangs über dem Meer ein, der „die Wasseroberfläche orange, rot und golden färbte und glitzern ließ wie einen Piratenschatz“ und in entsprechend warmen Farben und weiten Perspektiven ins Bild gesetzt wird. Diese sich gegenseitig ergänzende Hommage an die Schönheit des Meeres bildet nach dessen Verschwinden die Vergleichsfolie für die zurückbleibende Tristesse. Diese wird auf der Bildebene durch den fast identischen Bildausschnitt, in dem nur noch Pfützen und eine hinter Wolken verborgene Sonne zu sehen ist, und auf der Textebene durch Negationen verdeutlicht: „Nicht eine einzige glitzernde Welle, nicht eine schillernde Farbe war da zu sehen.“ Stehen während Jacks Suche nach dem Meer im Text vor allem wiederkehrende Dialogstrukturen im Fokus, manifestiert sich die Vielfalt der Begegnungen auf den Bildern in unterschiedlichen Farbnuancen und wechselnden Perspektiven. So zeigen sie den Protagonisten in der Weite der Müllberge aus der Vogelperspektive, sein Entsetzen über die aneinanderhängenden Möwen aus der Froschperspektive, seine Rettung der Meerjungfrau aus der Nahen und sein Gespräch mit dem Wal aus der Totalen, um Größenverhältnisse und die damit einhergehende Wirkungsmacht bzw. Wirkungslosigkeit zu unterstreichen. Das langwierige Erklimmen des Berges wird in mehreren aufeinanderfolgenden, immer kleiner werdenden Abbildungen der Figur eingefangen und durch die schräg nach oben verlaufende Typografie verdeutlicht. Auch an anderen Stellen dient die Schrift durch Fettdruck und Größe der Hervorhebung zentraler Erkenntnisse wie „Es war einfach überall. Plastik. Plastik. Plastik.“ und Botschaften wie „In den Händen von Kindern wie dir.“ Während die Grundstruktur der Handlung und die Kontrastierung der Welt mit und ohne Meer auch über die Bilder nachvollzogen werden können, kommt dem Text also zusätzlich die Funktion zu, Jacks Gedanken zu explizieren und teilweise moralisierende Plädoyers auszuformulieren. Dies setzt sich im Paratext in vorgefertigten Versprechen fort.

An die Stelle weitläufiger Bildsprache und ausschmückender Textsprache tritt in Die Fabel von Fausto minimalistische Reduktion. Die weißen Doppelseiten enthalten teilweise nur wenige Sätze ohne Bilder oder mit kleineren Bildelementen wie einem einzelnen Blatt. Auch die Figuren sind fast durchweg auf weißem Hintergrund abgebildet, was die mit Faustos Machtwillen einhergehende Dekontextualisierung von Mensch und Natur unterstreicht. Weitläufigere Ausgestaltungen des Raums finden sich lediglich in den Situationen, in denen Fausto auf Widerstand stößt, und nehmen erst ab der Begegnung mit dem Meer die Bildfläche zunehmend ein. An dieser Stelle wird auch die bis dahin in Braun und Neonrosa gehaltene Kolorierung durch das Blau des Meeres und das Gelb des Regenmantels abgelöst und die im Text wiederkehrende Grundstruktur von Besitzanspruch, Besitzzugeständnis und Genugtuung endgültig aufgebrochen. Die Anreicherung des Textes durch die Bilder wird insbesondere in der Darstellung von Faustos sich steigernden Wutausbrüchen sichtbar. Während der Text lediglich andeutet, dass Fausto dem See „zeigte […], wer hier das Sagen hatte“ oder „[an]fing […] zu toben, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte“, offenbart das Bild zunächst eine erhobene Faust und schließlich einen „schreiend offenen Mund unter dem mächtigen Schnurrbart, die Augen scheinen Fausto aus dem Kopf zu treten, die Iris im selben Neonrosa koloriert wie die Hände und Teile des Donnerwetters aus Spiralen, Blitzen und Krikelkrakel, das über seinem Haupt tobt.“ (Küchemann 2021) Der vorwiegend beschreibende und sachliche Duktus bleibt auch nach Faustos Tod erhalten und verzichtet auf eine Bewertung oder explizite Moralisierung.

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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