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3.4.1 Sachanalytische Zugänge

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Das Meer tritt in beiden Geschichten als zentraler Akteur in Erscheinung, wird dabei allerdings konträr konnotiert. Jacks Wertschätzung gegenüber dem Meer sowie seine Schuldgefühle wegen des hineingefallenen Strohhalms vermitteln von Anfang an, dass es sich dabei um ein schützenswertes Gut handelt. Als Ausflugsziel zeichnet sich das Meer durch Weitläufigkeit und Ganzheitlichkeit aus, die Vater und Sohn ein gemeinsames Erlebnis jenseits des Alltags ermöglichen. Erst nach seinem Verschwinden wird das Meer auch als trügerische Fassade erkennbar, die über Dimensionen der Zerstörung hinwegtäuscht. Diese offenbaren sich auf Jacks Suche nach dem geliebten Element ebenso wie die Bedeutung des Meeres als bedrohter Lebensraum für eine Vielzahl an Lebensformen. Auch wenn Jacks verbale Interaktion mit dem Meer einseitig bleibt, verdeutlicht die Rückkehr des Meeres die Notwendigkeit, das anthropozentrische Weltbild zu relativieren und mit der Umwelt in Beziehung zu treten, um sie zu bewahren. Dass der Müll unter der Oberfläche des Meeres verbleibt, unterstreicht einerseits die Irreversibilität des Anthropozäns und deutet andererseits auf die regenerative Kraft der Natur hin. Demnach lässt sich das Meer insgesamt als Symbol für die bereits an vielen Stellen überstrapazierte Natur lesen, deren Gefährdung zwar nicht immer direkt sichtbar ist, die aber eine unverzichtbare Lebensgrundlage des Menschen darstellt.

Während das Meer in Der Tag, an dem das Meer verschwand also seiner titelgebenden Relevanz entsprechend von der ersten bis zur letzten Seite als Handlungsraum und Handlungsträger fungiert, stellt es in Die Fabel von Fausto die letzte Station von Faustos Machtgebaren dar. Es setzt die Reihe der immer größer und widerspenstiger werdenden Statussymbole fort und bildet gleichzeitig deren Ende. Die von Jack als positiv wahrgenommene Weitläufigkeit des Meeres geht hier mit einer Bedrohung einher, was durch Größenverhältnisse und Perspektiven sowie die von überall her ertönende Stimme zum Ausdruck gebracht wird. Obwohl Fausto das Meer nicht mehr zu Fuß im feinen Anzug aufsucht wie die anderen Naturelemente, sondern sich mit Schiff, gelbem Friesennerz und Südwester wappnet, ist er nicht in der Lage, die auf allen Erzählebenen transportierte Überlegenheit der Naturgewalt zu akzeptieren. Dass das Meer sich im Dialog mit Fausto nicht nur der Inbesitznahme verweigert, sondern das Recht auf Besitz an Liebe und Verständnis koppelt, legt nahe, dass letztlich die Natur die Bedingungen für den Menschen vorgibt und die Mensch-Umwelt-Verhältnisse dominiert. Faustos Untergang im Meer ist demnach die logische Konsequenz des anthropozentrischen Hochmuts und suggeriert gleichzeitig die relative Bedeutungslosigkeit des Menschen im natürlichen Kreislauf. Demnach kann das Meer als Symbol für die Übermacht der Natur gedeutet werden, durch die der Mensch in letzter Konsequenz in seine Schranken gewiesen wird.

In enger Verbindung mit dem Meer sind auch weitere Elemente der Geschichten symbolisch aufgeladen. Beispielsweise materialisiert Jacks Strohhalm den Kipppunkt, ab dem die Natur sich nicht mehr selbst regenerieren kann, und die Farbe Neonrosa steht für Faustos Besitzanspruch, der schließlich mit ihm im Meer versinkt. Weitere Bedeutungsdimensionen eröffnen zudem die Lebewesen und Naturelemente: bei Jack die Möwe als ebenso lästige wie schützenswerte Spezies, die Meerjungfrau als fantastische und intertextuell ambivalente Figur, der Wal als mächtige und dennoch beeinträchtigte Tierart sowie die Schildkröte als langlebige, aber bedrohte Art und bei Fausto die fragile Blume, das gefügige Schaf, der gleichgültige Baum, der nachgiebige See sowie der eigenwillige Berg.

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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