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3.4 Armut

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Äußerst häufig thematisieren die Schüler*innen Armut, die sie größtenteils in der Ferne, vornehmlich in Entwicklungsländern vermuten. Die Erzählung von Michal illustriert dies exemplarisch:


Abbildung 8: Wenn ich ein Affe wäre, würde ich alle Bananen für die Kinder sammeln. Alle haben Essen. (Michal)

Obwohl Michal den Ort seiner Geschichte nicht näher lokalisiert, ist eine (sub)tropische Region naheliegend, in der Bananenstauden wachsen und Affen leben. In diesem Szenario erscheinen Hunger und die besondere, gegebenenfalls der Körpergröße geschuldete Hilfsbedürftigkeit der Kinder implizit im negativen Horizont, für die Michal nach seiner Verwandlung in einen Affen auf Bäume klettern und Bananen „sammeln“ würde, damit sie endlich „Essen“ haben. Auch das Prinzip der gerechten Verteilung klingt womöglich in seiner Erzählung an, weil zuletzt „alle“ versorgt sind. Bei den Kindern ruft dies Freude und tiefe Zufriedenheit hervor, was sich an ihrer Gestik und Mimik ablesen lässt.

Offensichtlich ist dieses Sujet auch bei Mikko handlungsleitend:


Abbildung 9: Wenn ich ein Bäcker wäre, würde ich den ganzen Tag Brot backen für die armen Menschen auf der Welt. Ich würde es kostenlos verschenken und allen geht es gut. (Mikko)

Seine Geschichte legt dar, dass sich Armut speziell in Form mangelnder Nahrung und fehlender finanzieller Mittel zu ihrer Beschaffung („kostenlos verschenken“) kundtut. Da sie Mikkos Bild zufolge in allen Teilen der „Welt“ auszumachen ist und eine sehr große Zahl von „armen Menschen“ betrifft, bedarf es seinerseits der unermüdlichen Arbeit als Bäcker („den ganzen Tag Brot backen“) und einer fairen, durch Striche markierten Aufteilung des Brotes, um die Hungersnot einzudämmen. Der Erfolg drückt sich in den vielen fröhlichen Gesichtern und den hellen Farben der Erde aus.

Dass Armut im Verständnis der Kinder auch die unzulängliche Befriedigung anderer Grundbedürfnisse umfasst, elaborieren Mathilda und Linus:


Abbildung 10: Wenn ich eine Schneiderin wäre, würde ich schöne bunde Kleider nehen. Und dann würd ich sie mit dem farad zu Post bringen. Und die Post bringt die Kleider zu den amen Kindern. Und die Kinder würden mit den neuen Kleiden tanzen und lachen. (Mathilda)

Weil es „amen Kindern“ scheinbar vor allem an Kleidung fehlt, identifiziert sich Mathilda probeweise mit einer „Schneiderin“, um „schöne bunde Kleider“ zu „nehen“. Neben einer Hilfsbereitschaft insbesondere gegenüber Gleichaltrigen dokumentiert sich in ihrer Geschichte auch das implizite Wissen um die eingeschränkte kindliche Mobilität, der sie kurzerhand die Idee des Postversands entgegensetzt, indem sie die selbst hergestellten Artikel (umweltschonend) „mit dem farad zu Post bringt“, die sie wiederum umstandslos den Kindern zustellt. Es erweckt den Eindruck, als ob ihr Bild die Erzählung chronologisch wiedergibt: Auf der linken Seite ist eine Schneiderin zu erkennen, die einen Faden und ein Stück Stoff in der Hand hält, neben ihr hängt an einer Garderobe bereits ein kleines, mit rosafarbenen Herzen verziertes Kleid und auf dem Boden liegen Schere, Bügeleisen und Stoff. In der Mitte stehen das Postamt und das abgestellte Fahrrad, während rechts zwei Mädchen in bunten Kleidern einen Freudentanz neben dem erhaltenen, schon geöffneten Paket im Sonnenschein veranstalten.

Ein homologes Muster lässt sich in Linus’ Erzählung herausarbeiten, der Armut ebenfalls aus der Entfernung bekämpfen will und dessen Unterstützung primär Kindern zugutekommen soll:


Abbildung 11: Wenn ich ein Miljoner wäre, würde ich den amen kindern helfen. Ich würde essen drinken und spielzeug und stifte nach afrika schicken. (Linus)

Als „Miljoner“ wäre Linus in der Lage, „essen drinken und spielzeug und stifte“ zu finanzieren und den „amen kindern“ in „afrika“ zu schicken, damit Ernährung, Spiel und Bildung sichergestellt sind. Sein Bild macht die Spannung zwischen der Armut eines Entwicklungslandes wie „afrika“ und dem Reichtum einer hochentwickelten Industriegesellschaft auch optisch sichtbar, weil das überdimensionierte gelbe Postauto, das mit seiner Antenne und seiner Größe die Überwindung jeder Distanz signalisiert, an den bescheidenen Zelten hält, vor denen sich die Kinder fröhlich winkend und lautstark („Ju Hu“, „danke Hej“) für die kostbaren Geschenke bedanken.

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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