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3.2.1 Sachanalytische Zugänge

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Die zentralen Handlungselemente und ihre Zusammenhänge lassen sich mit dem durch Leubner & Saupe etablierten Komplikationsmodell (vgl. Leubner & Saupe 2009, 48f.; Leubner & Saupe 2016, 95) übersichtlich erschließen und einander gegenüberstellen.

Als zentrale Komplikation kann demnach in Der Tag, an dem das Meer verschwand die Schädigung der Figur Jack durch das Verschwinden des Meeres benannt werden. Scheint der Faktor der Komplikation zunächst Jacks Trinkhalm zu sein, entfaltet sich das Ausmaß der Meeresverschmutzung erst im Lauf der einzelnen Episoden, in denen Jack freigelegte Müllberge entdeckt, sechs Möwen aus ihrer Gefangenschaft in einer Getränkepackung befreit, eine Meerjungfrau aus verhedderten Fischernetzen löst, auf einen Plastiktüten ausstoßenden Wal trifft und schließlich einen Berg aus Plastikstrohhalmen besteigt, an dessen Spitze er auch seinen eigenen im Nasenloch einer Schildkröte wiederfindet. Mit der Rückkehr des Meeres wird die Komplikation positiv aufgelöst, obwohl die Müllberge im Meer verbleiben. Faktor dafür ist Jacks Rücknahme seines eigenen Trinkhalms sowie sein Versprechen, in Zukunft weniger Plastik zu verbrauchen und mehr zu recyceln. Dass es ihm auf diese Weise gelingt, das Meer zurückzuholen, wirkt in Anbetracht der weitreichenden anthropozänen Spuren zunächst zu einfach und harmonisierend, setzt aber letztlich niedrigschwellig an den realen Gestaltungsspielräumen der Rezipierenden an. Denn wie Jack verfügen sie weder über Macht noch über Mittel, die bisher entstandenen Schäden zu beseitigen. Wie Jack können sie dennoch aktiv dazu beitragen, diese Schäden künftig in Grenzen zu halten.

Im Gegensatz dazu ist in Die Fabel von Fausto die Schädigung der Natur durch Faustos Inbesitznahme als zentrale Komplikation auszumachen. Diese wird mit Faustos Verschwinden im Meer insofern positiv aufgelöst, als die Natur sich wieder selbst überlassen bleibt und regenerieren kann. Die Faktoren für Komplikation und Auflösung liegen in Faustos Bestreben, sich die Welt zu eigen zu machen, der damit einhergehenden Selbstüberschätzung sowie der Erhabenheit der Natur über den Menschen. Auch wenn die Einordnung von Faustos Untergang als „positive Auflösung“ also durchaus in einem schlüssigen kausalen Zusammenhang zur anthropozänen Schädigung steht, ist die daraus resultierende radikale Moral der Verzichtbarkeit des Menschen zumindest diskussionswürdig und lässt sich durch eine alternative Anwendung des Modells relativieren. So kann als zentrale Komplikation auch ein Mangel Faustos konstatiert werden, dessen Faktor innerhalb der Handlung eine Leerstelle bleibt. Dieser Mangel kann letztlich nicht kompensiert werden, was zu einer negativen Auflösung der Komplikation führt. Der Faktor für diese negative Auflösung besteht darin, dass Fausto beim Versuch, den Mangel durch die Aneignung der Naturelemente zu kompensieren, das Wesentliche aus dem Blick verliert. Die Moral weist hier also nicht in Richtung Eliminierung des Menschen, sondern eher in Richtung Achtsamkeit und Umweltbewusstsein. Solche verschiedenen Varianten in den Unterricht einzubringen, ist sinnvoll, um die Deutungsspielräume zu veranschaulichen, die sich selbst bei der kriteriengeleiteten Handlungsanalyse ergeben, und damit auch die Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses (vgl. Spinner 2006, 12) zu fördern.

Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren

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