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4.1 Alterskriminalität – ein Problem?

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Verfolgt man die kriminologische Literatur einerseits und die massenmediale Darstellung andererseits, so fällt in den letzten Jahren auf, dass die Kriminalität alter Menschen wissenschaftlich eher geringes, massenmedial doch immer wieder beachtliches Interesse gefunden hat. Während immerhin die Kriminologie alte Menschen als Opfer von Straftaten entdeckt und trotz erheblicher methodischer (Zugangs-)Probleme auch beachtliche Erkenntnisfortschritte gezeitigt hat,36 werden alte Menschen als Täter nach wie vor als ein randständiges Phänomen betrachtet, die, wie es Albrecht und Dünkel bereits schon vor 40 Jahren formulierten, eine »vergessene Minderheit« darstellen.37 Der 2. Periodische Sicherheitsbericht der Bundesregierung vom November 2006 widmete dem Thema Alterskriminalität (im Gegensatz zur Jugendkriminalität) keine besondere Aufmerksamkeit.38 Dabei liegt es auf der Hand, dass infolge des demographischen Wandels absolut gesehen die Zahl älterer Straftäter erheblich zunehmen wird und muss. Spektakuläre Fälle, wie die sog. »Opa-Bande« von drei 64- bis 74-jährigen Tätern aus Hagen, die mit 14 Banküberfällen insgesamt 1,3 Mio. € erbeuteten und im Jahr 2005 verurteilt wurden,39 erwecken den Anschein, dass es nun auch bei alten Menschen ein zunehmendes Kriminalitätsproblem gibt. Um es vorweg zu nehmen: Dies ist nicht der Fall. Gleichwohl wird die Diskussion gerade am Beispiel einiger spektakulärer Fälle wie dem o. g. darüber geführt, ob man nicht ein besonderes Altersstrafrecht mit – ähnlich dem Jugendstrafrecht – gemilderten Sanktionen vorsehen sollte, die verhindern, dass verurteilte alte Menschen den Rest ihres Lebens im Gefängnis verbringen müssen.40

Alterskriminalität, im Allgemeinen definiert als Kriminalität der über 60-Jährigen, ist nach wie vor ganz überwiegend bagatellhaft und die Belastungszahlen polizeilicher Registrierung wie auch der gerichtlichen Verurteilung bezogen auf 100.000 der Altersgruppe sind im Vergleich zu allen anderen Altersgruppen immer noch am niedrigsten. Dieser Befund ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts außerordentlich stabil ( Abb. 4.1 und Tab. 4.1).

Zwar hat die Tatverdächtigenbelastungsziffer (TVBZ) seit 1970 etwas zugenommen, die Verurteiltenbelastungsziffer (VZ) blieb jedoch seit 1960 im Wesentlichen konstant.41 Dies lässt sich leicht mit der unten zu erläuternden Kriminalitätsstruktur alter Menschen erklären. Die überwiegend bagatellhaften Delikte aus dem Eigentums- und Vermögens- oder Straßenverkehrsdeliktsbereich lassen eine überdurchschnittliche Einstellungsrate nach §§ 153 ff. StPO erwarten. Dementsprechend lag auch 2018 die VZ mit 179 pro 100.000 alter Menschen bei weniger als einem Zehntel der besonders hoch belasteten Altersgruppen zwischen 14 und 25 Jahren.42

Tab. 4.1: Umfang und Entwicklung der Alterskriminalität




Abb. 4.1: Wegen Verbrechen und Vergehen Verurteilte – Verurteilungsbelastungsziffern pro 100.000 der Altersgruppe (Deutsches Reich, früheres Bundesgebiet BRD, ab 2007 Gesamtdeutschland) Quelle: Heinz 2017, S. 37

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