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4.3 Erscheinungsformen der Alterskriminalität

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Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS; hier für das Jahr 2018), die den für alte Menschen wichtigen Bereich der Verkehrskriminalität nicht erfasst, ist Alterskriminalität vor allem durch einfachen Diebstahl (19,7 %, darunter überwiegend Ladendiebstahl; 15,0 % der mindestens 60-jährigen Tatverdächtigen), Körperverletzungsdelikte (18,7 %, dabei großenteils einfache Körperverletzung),48 Beleidigung (15,9 %), Betrug (12, %), und eingeschränkt noch durch Nötigung (4,9 %) und Bedrohung (3,8 %) geprägt, also durch in aller Regel bagatellhafte Kleinkriminalität. Im Rahmen einer Sonderauswertung der PKS durch Heinz (2014) ergab sich, dass Gewaltkriminalität allenfalls bei 60–65-Jährigen eine geringfügige Rolle spielt, bei den über 65-jährigen Altersgruppen aber und mit zunehmendem Alter eine verschwindend geringe Rolle spielt. Bei weiblichen Tatverdächtigen dominiert der einfache Diebstahl noch stärker als bei männlichen Tatverdächtigen (vgl. Heinz 2014, S. 244 ff.; Hanslmaier/Baier 2015, S. 16). Nichtdeutsche Tatverdächtige weisen abgesehen von ausländerrechtlichen Delikten eine vergleichbare Deliktsstruktur wie die deutschen Tatverdächtigen auf (vgl. Bundeskriminalamt 2020, S. 38).

Das Bild anhand der Strafverfolgungsstatistik ist angesichts der nunmehr einbezogenen Straßenverkehrsdelinquenz deutlich anders geprägt. Von den 2018 insgesamt 42.452 Verurteilten mindestens 60-Jährigen entfielen allein 42,1 % auf Straßenverkehrsdelikte nach StGB, weitere 6,0 % nach StVG (z. B. Fahren ohne Fahrerlaubnis). 14,8 % betrafen Diebstahls- und Unterschlagungsdelikte, dabei handelte es sich in 91,7 % der Fälle um einfachen Diebstahl. 9,7 % betrafen Betrugsdelikte, 3,8 % Beleidigung und 4,8 % Körperverletzungsdelikte, davon 53,1 % lediglich einfache Körperverletzung. Alte Menschen sind damit bei Straßenverkehrs- und einfachen Diebstahls- sowie Beleidigungsdelikten überrepräsentiert, bei allen anderen Delikten im Vergleich zu den jüngeren Altersgruppen unterrepräsentiert.

Eine interessante Besonderheit ergibt sich bei den Straßenverkehrsdelikten im Hinblick auf die Frage, inwieweit alkoholisierte Täter eine Rolle spielen. Während sich bei den jüngeren Altersgruppen und auch noch bei den 60-70-Jährigen unter den Verkehrsdelinquenten nach dem StGB jeweils immer mehr als die Hälfte bis zu zwei Drittel Trunkenheitsfahrer (60–70-Jährige 2018: 56,3 %) befinden, waren es bei den mindestens 70-Jährigen 2018 »nur« 19,9 %. D. h., bei dieser hochbetagten Altersgruppe treten offensichtlich andere Ausfallerscheinungen in den Vordergrund. Dies könnte auch für die Interpretation sprechen, dass mindestens 70-Jährige sich hinsichtlich Trunkenheitsfahrten besonders konform verhalten, zumal sie ansonsten mit faktisch lebenslangem Führerscheinentzug rechnen müssen.

Die Detailanalyse von Keßler (2005, S. 83 ff.) ergab, dass die häufigsten Verkehrsdelikte der über 70-Jährigen die Unfallflucht und die fahrlässige Körperverletzung (ohne Trunkenheit) betrafen. Bei den Unfallursachen stehen mit zunehmendem Alter Vorfahrtsfehler und nicht angepasste Geschwindigkeit, seltener Trunkenheit im Vordergrund.

Ein in kriminologischen Einzeluntersuchungen immer wieder hervorgehobenes Merkmal ist, dass ein hoher Prozentsatz der Alterskriminalität Menschen betrifft, die erst im Alter erstmals auffällig werden. Der Anteil von Ersttätern wird mit bis zu zwei Drittel angegeben. Kunz gibt im Rahmen der Dunkelfeldstudie bzgl. Südbaden einen Anteil von 64 % Ersttätern an und verweist darauf, dass in manchen Studien zur registrierten Kriminalität der Anteil von Ersttätern (84-95 %) überschätzt werde, weil frühere Taten häufiger schon im BZR gelöscht und daher in Studien zur registrierten Kriminalität nicht erfasst wurden (Kunz 2015, S. 50; 2017, S. 209).

Auch im Dunkelfeld ist Alterskriminalität vorwiegend von bagatellhaften Eigentums- und Vermögensdelikten und Verkehrsdelikten geprägt, hier allerdings eher Trunkenheit am Steuer (s. u.) als andere Verkehrsdelikte.

Zu den Ursachen der Alterskriminalität in diesem Zusammenhang werden die Vereinsamung angesichts des Verlusts, Todes eines Partners, Lebenskrisen, Depressionen u. ä. gezählt.49

Das Bild einer wenig besorgniserregenden, eher bagatellhaften Alterskriminalität wird auch durch die – soweit ersichtlich – einzige Dunkelfeldstudie in Deutschland von Kunz (2015; 2017) bestätigt. Danach rangierten an vorderer Stelle Trunkenheit am Steuer, Steuerbetrug, die Beförderungserschleichung (»Schwarzfahren«) und Diebstahl.

»Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass Seniorenkriminalität – abgesehen vom Fahren unter Alkoholeinfluss – von Betrugs- und Eigentumsdelikten dominiert wird. Im Vordergrund stehen körperlich wenig anstrengende, eher unauffällige ›Schummeleien‹ und unlautere Vorteilsnahmen im Kontext alltäglicher Aktivitäten, z. B. am Arbeitsplatz, beim Austausch von Waren und Dienstleistungen und bei der Mobilität im öffentlichen Raum.«50

Besonderheit der auf mindestens 50-Jährige bezogenen Dunkelfeldstudie im Vergleich zu Hellfeldstudien war, dass die in letzteren dominierenden Ladendiebstähle und Körperverletzungsdelikte im Dunkelfeld sehr selten berichtet wurden, dagegen Trunkenheitsfahrten stark dominierten, die im Hellfeld nur eine untergeordnete Rolle spielen (vgl. Kunz 2017, S. 209).

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