Читать книгу Alter und Devianz - Группа авторов - Страница 50

4.7 Anleihen beim Jugendstrafrecht

Оглавление

Abgesehen von der Zurückstellung generalpräventiver Aspekte sind weitere Parallelen zum Jugendstrafrecht auffallend: Betrachtet man die strafrechtlichen Reaktionen und gesellschaftlichen Sichtweisen gegenüber Jugend- und Alterskriminalität, so wird insbesondere bei der erstmaligen Auffälligkeit überwiegend ein differenzierendes, von Toleranz und Verständnis getragenes Reagieren deutlich. Angesichts der Bagatellhaftigkeit und Episodenhaftigkeit der durchschnittlichen Jugendkriminalität hat die Diversion absoluten Vorrang. Dies gilt für die Alterskriminalität gleichermaßen. Das »minimalistische« Strafen kommt auch in dem absoluten Nachrang der Freiheitsstrafe zum Ausdruck, mit der Folge, dass nach wie vor weniger als 5 % der Strafgefangenen 60 Jahre und älter sind (obwohl ihr Anteil an den Verurteilten bei 6,0 % liegt). Zwar hat sich der Anteil seit 1992 von 1,5 % auf 4,1 % mehr als verdreifacht. Dies beruht teilweise auf der vermehrten Verurteilung zu lebenslangen Freiheitsstrafen sowie Anordnungen der (ggf. vorbehaltenen) Sicherungsverwahrung (§§ 66-66b StGB).67

Während bei Kindern und Jugendlichen die Einschätzung gilt, dass sie mangels entwicklungsbedingter Reife noch nicht voll strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollten, gilt dies für ältere Menschen – abgesehen von Fällen zerebraler Abbauerscheinungen in sehr hohem Alter – so nicht, jedoch werden hier andere Bewertungsprozesse relevant, die zu ähnlichen Ergebnissen führen: Das Strafrecht als solches nimmt keinen Schaden, wenn es an seinen altersbezogenen Randbereichen Milde walten lässt. Der möglichst zurückhaltende Einsatz der Freiheitsstrafe wird durch die gelegentlich nur sehr überschaubare Lebenserwartung erklärbar. Bei Jugendlichen und diesen gleichgestellten Heranwachsenden hat das BVerfG jüngst betont, dass diese unter Freiheitsentzug mehr leiden als Erwachsene und deshalb das »Ultima-Ratio-Prinzip der Freiheitsstrafe in besonderem Maße« gelte. Letztlich basieren darauf auch die bei schweren Straftaten milderen Strafrahmen der Jugendstrafe mit einer Maximaldauer von 10 Jahren. Können (und vielleicht müssen) diese Überlegungen für einen über 60-Jährigen nicht analog herangezogen werden? Man könnte demgemäß ab einem gewissen – wohl eher flexibel zu bestimmenden – Alter von einer zu vermutenden geminderten Schuld ausgehen.

Alter und Devianz

Подняться наверх