Читать книгу Moses Mendelssohn - Группа авторов - Страница 23

Zehenter Brief.
Palemon an Euphranor.

Оглавление

Der Ursprung des Vergnügens ist weder in der Seele, noch in dem Körper allein anzutreffen. Diese verschiedene Wesen müssen etwas gemein haben, daraus diese gemeinschaftliche Wirkung entspringt. Die sinnlichen Lüste gewähren unsrer Seele eine dunkele Vorstellung von der Vollkommenheit des Körpers. Alles Vergnügen gründet sich auf die Vorstellung einer Vollkommenheit.

Du bist mir gelegentlich zuvor gekommen, Freund! Eben war ich im Begriffe meine Gedanken auf die sinnliche Lust zu lenken, und den verwirrten Knoten zu entwickeln, den die meisten Weltweisen entweder zerschnitten, oder gar unberührt gelassen haben. |

Die unsere Seele für den eintzigen Sitz alles Vergnügens ausgegeben; haben die sinnlichen Lüste aus der dunkeln Vorstellung einer Vollkommenheit entstehen lassen. Allein die sinnliche Lüste haben grösstentheils mehr Gewalt über die Seele, als die verständlichen Vergnügungen. Woher dieses? Warum sind die dunkelen Vorstellungen thätiger als die deutlichen? Und wer sollte nicht das Gegentheil vermuthen? Endlich dieses zuzugeben, giebt es nicht sinnliche Lüste, die sich gar mit keiner Vorstellung einer Vollkommenheit vertragen? Diesen Einwurf hat, Euphranor, so nachdrücklich vorgebracht,4 daß es nicht nöthig ist, ihn ferner zu erhärten.

Die der entgegengesetzten Meynung zugethan gewesen, fanden noch grössere | Schwierigkeiten. Mit ihnen zu reden, liegt der Grund alles Vergnügens in der Trunkenheit der Sinne, in einer gewissen Bewegung und Reitzung der Nerven, die ihre Thätigkeit beschäftigen, ohne sie zu ermüden. Allein kann man es läugnen? Liegt kein Vergnügen in der verständlichen Vorstellung einer Vollkommenheit? in || der Erkenntniß Gottes? in der Erkenntniß aller Warheit? und in der Erfüllung unsrer Pflichten? Ist der Geist unabhängig von dem Körper keines Vergnügens fähig? Wäre dieses, so fiele alles Wollen, alles Sehnen nach dem Guten, unsre Selbstbestimmungen, (e) ja die ursprüngliche Kraft unsres denkenden Wesens hinweg. Was bliebe alsdenn von uns übrig?

Es haben einige diese entgegengesetzte Meynungen gleichsam zusammenballen, und | den Grund unsres Vergnügens in beyden, in Seele und Körper zugleich suchen wollen. Allein, sollen verschiedene Ursachen ähnliche Wirkungen hervorbringen; so müssen sie nothwendig dasjenige gemein haben, woraus diese Wirkung entspringt. Was haben Seele und Körper gemein, daß beyde Ursachen des Vergnügens seyn können?

Folgende Betrachtung, Euphranor wird dich auf die Spur der Warheit leiten.

Der Zergliederer des menschlichen Körpers haben dich gelehrt, daß die nervigten Gefässe sich in tausend labyrinthischen Gängen so zart durchkreutzen, daß in dem gantzen Baue alles mit einem, und eines mit allem verknüpft ist. Die Grade der Spannung theilen sich von Nerve zu Nerve harmonisch mit, und niemals geschiehet eine Veränderung in einem Theile, die nicht gewissermassen | einen Einfluß auf das Gantze hat. Diese harmonische Spannung nennen die Kunstverständigen den Ton.

Wird nun ein Glied, wird ein Theil des menschlichen Körpers von einem sinnlichen Gegenstand sanft gereitzt; so pflanzt sich die Wirkung davon bis auf die entferntesten Gliedmassen fort. Alle Gefässe ordnen sich in die heilsame Spannung, in den harmonischen Ton, der die Thätigkeit des menschlichen Körpers befördert, und seiner Fortdauer zuträglich ist. Nach dem Genusse einer trunkenen Wollust, gehet das Spiel aller Lebensbewegungen freyer und lebhafter von statten; die heilsame Ausdünstung, der Thau des menschlichen Körpers, wallt ungehindert fort, und wirket in diesem Augenblicke, nach dem Zeugnisse des Sanctorius, die größten Wunder. Ein | unleugbares Zeugniß, daß nach dem Genusse einer sinnlichen Wollust der Körper sich wohl befinde, und der harmonische Ton in ihm hergestellt sey. ||

Alle diese Wirkungen erfolgen aus einem wundervollen mechanischen Triebe, bevor sich noch der denkende Theil des Menschen in das Spiel mischt.

Hieran ist kein Zweifel. Der Genuß der Liebe und des Weins, eine gelinde Wärme, wenn deine Glieder erstarrt sind, wirken diese nicht unmittelbar auf die Nerven? Bedürfen sie der Hülfe deiner Gedanken, die Ausdünstung zu befördern, die Lebensgeister in Bewegung zu setzen, und die Gliedmassen thätig zu erhalten?

Rufe nunmehr die Zuschauerin deiner körperlichen Handlungen, rufe die Seele herbey. Wie wird sie sich verhalten? Sie | wird einen behäglichern Zustand ihres treuen Gatten, ihres Körpers, gewahr werden; einen Zustand, der ihm eine längere Fortdauer, eine thätigere und wirksamere Realität zu versprechen scheint; aber sie wird die erstaunenswürdigen Vermischungen der Gefässe, und ihre verschiedene Spannungen, nimmermehr deutlich, nimmermehr aufgeklärt übersehen können. Sie wird eine Verbesserung, einen Uebergang zu einer Vollkommenheit fühlen; aber die Art, wie diese Verbesserung entstanden, nur dunkel begreifen. Nimm dieses alles zusammen: sie wird eine dunkele Vorstellung von der Vollkommenheit ihres Körpers erlangen; Grundes genug, nach unsrer Theorie den Ursprung eines Vergnüngens zu erklären. (f) |

Doch wie? wenn alles sinnliche Vergnügen mit dem Begriffe einer Vollkommenheit verknüpft ist; „so werden alle fleischliche Lüste löblich seyn? So wird der tugendhaft handeln, der sich ihren Reitzungen ohne Wahl und Unterschied überläßt.“

Keineswegs! Nur darinn kommen alle sinnliche Wollüste überein, daß der gegenwärtige Augenblick ihres Genusses mit dem Gefühle einer verbesserten Leibesbeschaffenheit verknüpft ist. Allein die Folgen davon können schrecklich seyn. Manche schnöde Wollust kann die Gebeine ihrer Anbeter zernagen, und alle Lebensgeister verzehren. So können gewisse Gifte den Gaumen mit einiger Süßigkeit schmeicheln, und dennoch den Tod nach sich ziehen.

Dieses ist der Wahn des Wollüstlings; er hört nicht die ernsthaftwarnende Stimme | der Zukunft. Die Gegenwart ist eine Sirene, die ihn mit ihren tödtlichen Süßigkeiten einschläfert. Sie versteckt ihr grausames Gefolge auf einen Augenblick gleichsam hinter die Scene, das aber dennoch, bald oder spät, ganz gewiß erscheinen, und seine fürchterliche Rolle spielen wird. Der Mensch handelt weise, der sich || mit den Waffen der Vernunft wider diese Verführerin rüstet, und ihr alsdenn nur trauet, wenn ihr keine Zukunft widerspricht.

Der Henker unsres Lebens, der sinnliche Schmertz hat keine andere Schrecknisse als das gegenwärtige Bild einer Unvollkommenheit in dem Körper. Wenn nervigte Theile, die natürlicher Weise vereiniget seyn sollten, aus ihrer Verknüpfung gerissen werden; so erstrecken sich die traurigen Wirkungen davon auf das gantze organische Gebäude. | Der Ton wird verändert, es äussert sich eine Mißstimmung in allen Sennadern; die Lebensbewegungen sind entweder träge oder im vollen Aufruhr. Die Nerven verkündigen diese Unordnung unverzüglich dem Gehirne. Was kann die Seele in diesem Augenblick anders wahrnehmen, als das dunkele Gefühl einer Unvollkommenheit, die ihrem Körper drohet? (g) | ||

Moses Mendelssohn

Подняться наверх