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Anmerkungen des Herausgebers.
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(S. 49.) Aristoteles selbst gibt zu verstehen, was für eine Lehre aus diesen Begriffen für drammatische Dichter fließt. Sie können nie sinnlich genug seyn, und müssen sich hüten der Einbildungskraft der Zuschauer allzuviel zu schaffen zu machen. Daher muß das ganze Schauspiel mit allen seinen mannigfaltigen Theilen, auf einmahl sinnlich gefasst werden können: das heißt, das Gantze muß seine bestimte Grösse, und die Theile ihr bestimtes Verhältniß zum Gantzen haben.
(b)
(S. 52.) Descartes war der erste, der darauf gekommen, eine Sacherklärung von dem | Vergnügen zu geben. Er fand, daß wir einen Gegenstand als etwas in seiner Art vollkommenes ansehen müßten, wenn er uns Lust gewähren soll; das heißt, nach der von einem berühmten Schriftsteller18 angenommenen Worterklärung, wenn wir die Vorstellung davon sollen lieber haben, als nicht haben wollen. Dieses ist die allgemeinste Formel, die alle besondere Fälle in sich schließt. Das gesunde, das schmackhafte, das schöne, das nützliche, alle Ergetzungen laufen endlich auf den Begrif von einer Vollkommenheit hinaus, wenn das davon abgesondert wird, was sie in ihren Unterarten determinirt. So weit nun die Theorie der Empfindungen einen Einfluß auf die Sittenlehre hat; kann die Lehre des Cartesius als ein durch die Erfahrung bestätigter Lehrsatz angenommen werden. Der Sittenlehrer hat dieses mit dem Naturlehrer | gemein, daß er sich auf die allgemeinen Gesetze der Empfindung, so wie jener auf || die allgemeinen Gesetze der Bewegung, die ihm durch die Erfahrung bekannt sind, beruffen kann, ohne sich um ihre fernere Ursache zu bekümmern. Allein der Metaphysiker begnügt sich hiermit nicht. Er glaubt, daß man noch nichts gethan, so lange noch etwas zu thun übrig ist. Er will auch dieses begreifen: warum will die Seele lauter solche Vorstellungen haben, die ihr etwas vollkommenes abbilden?
(c)
(S. 54.) Zur Entschuldigung des angeführten Schriftstellers könnte man vielleicht sagen, er habe beides so wohl das Einerley als die Einhelligkeit des Mannigfaltigen, unter dem Worte Einheit (unité) begriffen, und folglich Schönheit und Vollkommenheit unter einen allgemeinen | Namen gebracht. Jedoch wie konnte er von der Einhelligkeit sagen, sie verschaffe uns Leichtigkeit in der Vorstellung des Mannigfaltigen? Die Einhelligkeit ist nicht, so wie das Einerley, deswegen da, um die Mannigfaltigkeit einzuschränken. Nein, sie muß gerade das Gegentheil thun, sie muß nothwendig die Anzahl unsrer Begriffe vermehren! Man kann sich alle Federn, Räder und Triebwerke einer Uhr vorstellen, folglich ihre mannigfaltigen Theile völlig begreifen, ohne an den Grund zu gedenken, warum diese Gefässe da sind, und warum sie vielmehr so, als irgend anders, mit einander verknüpft sind. Der Grund, warum einem Dinge etwas zukomme, hat mit der blossen Vorstellung dieses Dinges nicht das mindeste gemein; denn da die Vorstellung der Theile sowohl als ihrer Uebereinstimmung in der | positiven Kraft unserer Seele gegründet ist: so erfordern beide eine Anstrengung und Beschäftigung dieser ursprünglichen Kraft. Ja meistentheils kostet es mehr Mühe und Achtsamkeit, den Grund eines Dinges oder seine Einhelligkeit einzusehen, als sich die mannigfachen Theile desselben vorzustellen.
(d)
(S. 59.) So seltsam dieser Satz klingt; so wenig kann er doch in Zweifel gezogen werden. Unser Leib, als Körper betrachtet, ist weder moralischen noch physischen Uebeln unterworfen. Nur, in so weit er mit der Seele verknüpft ist, können in ihm gewisse Veränderungen vorgehen, die sich die Seele als Unvollkommenheiten vorstellt; und daher entstehen alle unangenehmen Empfindungen. | ||
(e)
(S. 61.) Daß das Wesen der Einfachen Dinge in ihren Kräften bestehe, wird wohl niemand in Abrede seyn, wenn er bedenkt, daß alle Veränderungen, die einem einfachen Dinge zukommen können, in der Abwechselung der Grade bestehen müssen; denn keine Theile können versetzt, nichts hinzugethan, auch nichts davon genommen werden. Daher ist die Kraft der Grund, alles dessen, was einem einfachen Dinge zukommen kann, und folglich sein Wesen.
(f)
(S. 69.) Descartes war hierinn mit Palemon fast einerley Meinung. La Cause, sagt er, (Les passions de l’ame art. 94.) qui fait que pour l’ordinaire la joye suit du chatouillement, est que tout ce qu’on apelle chatouillement ou sentiment agreable, consiste en ce que les objets des sens exci-|tent quelque mouvement dans les nerfs, qui seroien capable de leur nuire, s’ils n’avoient pas assés de force pour lui resister, ou que le Corps ne fut pas bien disposé. Ce qui fait une impression dans le cerveau, la quelle etant instituée de nature pour temoigner cette bonne disposition & cette force, la represente à l’ame comme un bien qui lui appartient, entant qu’elle est unie avec le corps, & ainsi excite en elle la joye. Man wird leicht sehen, worinn diese Meinung noch von Palemons System abgehet. Wolf hingegen hat hiervon einen sehr unvollständigen Beweiß gegeben. Voluptas & taedium, sagt er,19 ortum trahunt ex perceptione confusa perfectionis & imperfectionis. Oriuntur enim voluptas & taedium extemplo, dum perfectionem aliquam, vel imperfectionem in re percepta intuemur; id quod unusquisque in se ipso experitur. | Enim vero cum cognitio intuitiva, qualis cum ad voluptatem (§. 511.) tum ad taedium (§. 518.) requiritur, demum distincta evadit, ubi attentionem nostram successive promovemus ad ea qua ideae rei insunt (§. 682. Log.) taedium ac voluptas distinctam perfectionis ac imperfectionis ideam minime praesupponunt. Ist es aber mit diesem minime praesupponunt genung? Der Lehrsatz lautet: Lust und Unlust entstehen aus einem dunkeln Begriffe von Vollkommenheit und Unvollkommenheit, und dieses bestätigt meistentheils die Erfahrung. Man höre aber die Folge, die aus || seinem Beweise fließt: Daher setzen Lust und Unlust keinen deutlichen Begrif von Vollkommenheit und Unvollkommenheit voraus. Müssen sie daher nothwendig aus dunkeln Begriffen entspringen, weil sie keine deutlichen zum Grunde legen? Könnten sie nicht, diesem Be-|weise nach, wenigstens aus deutlichen Begriffen eben so wohl entstehen, als aus dunkeln?
(g)
(S. 70.) Cartesius sagt von dem sinnlichen Schmerze: La Cause qui fait que le douleur produit ordinairement la tristesse, est que le sentiment, qu’on nomme douleur vient toujours de quelque action si violent, qu’elle offense les nerfs; en sorte qu’étant instituée de la Nature pour signifier à l’ame le dommage que reçoit le corps par cette action, & la foiblesse, en ce qu’il ne lui a pu resister, il lui represente l’un & l’autre comme des meaux, qui lui sont toujours desagreables.
(h)
(S. 70.) Was die leichten Verhältnisse in den Schwingungen sagen wollen, wird ein jeder leichtlich begreifen. Denn es ist bekannt, daß zwo Sayten einen Wohl-|laut von sich geben, wenn sie nach einem leichten Verhältnisse gegen einander gespannt sind. Das heißt, wenn sich die Anzahl der Schwingungen der einen zur Anzahl der Schwingungen der andern Sayte in einerley Zeit verhält, wie: 1 : 2, 2 : 3, 3 : 5. oder auch 5 : 8. Die Schwingungen in den Uebellauten aber verhalten sich 8 : 9, 8 : 15, 45 : 64. u.d.g. Was Palemon aber unter der mit allen Sayten harmonischen Spannung unsrer nervigten Gefässe verstehe; dürfte man nicht so leicht einsehen. Man ist aber längstens überzeugt, daß gewisse nervigte Gefässe des Gehörs mit den klingenden Sayten harmonisch erbeben, und daß wir sogar den Schall nicht eher empfinden, bis sie diese zitternde Bewegung der in der Trumelhöle befindlichen Luft mitgetheilt haben. Ja man findet täglich Personen, die gewisse Töne nicht hö-|ren können, ohne, daß sie alle ihre Gebeine erschütterten; und diese Empfindung pflegen sie durch ein mechanisches Knürschen der Zähne anzudeuten.
Es ist also höchst wahrscheinlich, daß alle Nerven unsres Körpers durch die Töne in gewisse mit den Sayten harmonirende Spannungen || gesetzt werden, und daß die Harmonie der Consonantzen überhaupt, dem Ton eines gesunden Leibes zuträglich sind. Leibnitz war in einem von seinen Briefen auf diesen Gedanken, und glaubte so gar, wo ich nicht irre, daß sich die Artzeneykunst von dieser Seite vieles zu versprechen hätte, indem durch die Widerherstellung des Tons vermuthlich viele Kranckheiten geheilt werden könnten.
(i)
(S. 72.) Hier giebt Palemon in wenig Worten einen deutlichen Begrif vom Reitze; ein | Wort, dessen Bedeutung sonst sehr schwankend zu seyn pflegt. Man sagt selten eine reitzende Blume, ein reitzendes Gebäude, aber wohl eine reitzende Gebehrde, reitzende Gestus, reitzende Mine, eine reitzende Wendung u.s.w. In allen diesen Fällen findet die Linie der Schönheit statt, aber sie entstehet nicht auf einmal; sondern sie wird nach und nach durch die Bewegung gezeichnet. Die Mahler drucken den Reitz durch eine flammigte Linie aus, mit welcher unsere Einbildungskraft allezeit den Begrif von einer Bewegung verbindet. Es ist wahr, man pflegt im gemeinen Leben das Wort Reitz öfters nur an statt Schönheit zu gebrauchen. Allein dieses geschiehet nur in sehr wenigen Fällen, und scheinet mehrentheils von einem Misbrauche hergekommen zu seyn, weil die Bedeutung des Worts bisher unbestimmt gewesen. Der | Weltweise kehret sich hieran nicht; er setzt für jedes Wort eine bestimte Bedeutung fest, und es ist ihm genug, wenn er in den meisten Fällen den Sprachgebrauch auf seiner Seite hat.
(k)
(S. 72.) Vielleicht könnte diese Erfindung auch Anlaß geben die Nachahmungen der menschlichen Leidenschaften in einer Farbenmelodie auszudrucken. Eine jede Leidenschaft ist so wohl mit gewissen Tönen, als mit gewissen Bewegungen der Gliedmassen verknüpft. Jene werden in der Musik gewissermassen ausgedruckt, diese aber könnten vielleicht durch die Bewegungen der Farben nachgeahmt werden. Eine plötzlich unterbrochene Linie könnte einigermassen den Schrecken, und viele schnell durch einander fahrende Linien den Zorn, so wie eine | langsam ungekünstelt fortgehende Wellenlinie eine Art von Tiefsinn abbilden. ||
Man könnte wider die Erfindung der Farbenmelodie überhaupt, und vornehmlich wider die Vereinigung derselben mit einer Melodie der Töne, die Krüger20 erfunden, vielleicht nocht folgendes erinnern. Es ist ohnstreitig daß wir in einerley Zeit weit mehr Farben als Töne unterscheiden können, denn die Erfahrung lehrt, daß sich eine jede Farbe noch eine Zeitlang im Auge erhält, wenn wir die Augen gleich verschlossen haben. In einer Farbenmelodie also, muß sich der Eindruck, den die vorhergegangenen Farben hinter sich gelassen, mit der gegenwärtigen vermischen, und eine gantz andere Wirckung hervorbringen, als man verlangt. Die Nerven des Gehörs scheinen den Eindruck nicht so lange | zu behalten, wenn der Ton nicht eine allzugrosse Erschütterung in der Luft verursacht. Ja wenn es gleich zu hoffen stünde, daß man es durch die Gewonheit mit den Nerven des Auges eben dahin bringen könnte, weil es bey dem Gehöre selbst sehr viel auf die Gewohnheit ankömmt; so müßte man doch wenigstens Anfangs die Farben langsamer und nach längern Zwischenzeiten auf einander folgen lassen, als die Töne, und erst nach langer Uebung an eine Vereinigung der Farbenmelodie mit der Melodie der Töne gedenken.
An diese Schwierigkeit, so wie an alle diejenigen deren Palemon gedenkt, muß weder der Pater Castel, der am ersten auf die Gedanken gekommen, eine Farbenmelodie in Ausübung zu bringen, noch Krüger, der diese Erfindung um ein | merkliches verbessert, gedacht haben. Sie würden sonst mit weniger Zuverläßigkeit haben sagen können, eine Farbenmelodie müsse uns weit mehr, und wenigstens eben so viel Vergnügen gewähren, als eine Melodie der Töne. Kraft selbst, der in einer öffentlichen Rede, die Unmöglichkeit dieser Erfindung hat zeigen wollen, hat die wichtigsten Schwierigkeiten übergangen, und sich bey unerheblichen Kleinigkeiten aufgehalten. Wenigstens kann man von dieser Rede nach dem, was Krüger21 davon anführt, nicht anders urtheilen.
Noch eines muß ich im Vorbeygehen erwehnen. Der Pater Castel suchte seiner Maschine einigermassen dadurch aufzuhelfen, indem er die Farben gewisse kleine Gemählde vorstellen ließ. Allein hierwider hat Krüger schon erinnert, daß die Abbil-|dung ganzer Gegenstände || mehr zur Mahlerey als zur eigentlichen Farbenharmonie gehöre, die er sich ins Werk zu richten vorgenommen. Palemons Vorschlag, eine Schönheitslinie dabey anzubringen, ist weit von diesem Fehler entfernt.
(l)
(S. 79.) Leibnitz nennt die Realität, die einem Dinge zukömmt, wenn man sie abgesondert von ihrer Einschränkung betrachtet, die Vollkommenheit: mit der Einschränkung aber zusammengenommen, nennt er sie Grad. Bey unsrer Seele, zum E. wäre also die Kraft oder das Bestreben sich die Welt vorzustellen, ihre Vollkommenheit. Kömmt aber die Einschränkung hinzu, vermöge welcher sie sich die Welt nur nach dem Stande ihres Körpers und seiner sinnlichen Gliedmassen vorstellen kann; so entstehet der Grad der Voll-|kommenheit. (Siehe Leibn. Princ. Philos. more geometrico demonstrata def. 140.) Wolf ist, wo ich nicht irre, in Ansehung der zusammengesetzten Dinge mit Recht von dieser Erklärungsart abgewichen, weil ihnen, nach den Leibnitzschen Grundsätzen, gar keine Realität zuzuschreiben ist; denn die Körper sind keine wirkliche Substanzen, sondern nur Phänomena (Phoenomena substantiata, wie sie Leibnitz nennt) die der Realität entgegen gesetzt werden. (S. Wolffi Theol. nat. part. posterior. §. 5.) Er erklärte daher die Vollkommenheit durch die Uebereinstimmung des Mannigfaltigen; Uebereinstimmung aber nennt er das Bestreben etwas gemeinschaftlich zu erhalten. Dieser Begrif läßt sich allenfalls, wie Palemon erinnert, auch bey einfachen Dingen anbringen und auf die | Leibnitzische Erklärung reduciren. Denn da der Zweck der einfachen Dinge die Vorstellung ist; so sind sie desto vollkommener, je genauer ihre Vorstellungen mit den vorgestellten Sachen übereinstimmen; das heißt, je grösser der Grad ihrer Kraft ist. Allein die Leibnitzische Erklärung ist in Ansehung der einfachen Dinge fruchtbarer, und es stehet dem Weltweisen, so wie dem Algebraisten frey, diejenige von allen gleichgültigen Erklärungen vorauszusetzen, die ihn am kürtzesten zu seinem Zwecke leitet.
Man bemerke aber, daß Wolf von der Strenge der mathematischen Lehrart abgewichen zu seyn scheinet, wenn er (Theol. nat. parte posteriori §. 6.) für eine willkührliche Definition annimt: „Ens perfectissimum dicitur, cui insunt omnes realitates in gradu absolute sum-|mo.“ Denn da er die Vollkommenheit nicht durch Realität, || sondern durch die Uebereinstimmung des Mannigfaltigen erkläret; so hätte er auch Ens perfectissimum nicht durch den höchsten Grad aller möglichen Realitäten definiren sollen, so lange er nicht, wie hier geschehen, bewiesen, daß die beiden angeführten Erklärungsarten gleichgültig sind.