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Sprach- und Volksgruppen

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Die finnischen Festlandbewohner sprachen untereinander verwandte Mundarten und zwischen den Provinzen entwickelten sich sowohl Gleichheiten als auch Unterschiede in der geistigen wie auch materiellen Kultur. Diese Kulturunterschiede lassen sich freilich erst für die Jahrhunderte nach Beginn der Neuzeit deutlicher wahrnehmen und erforschen. In der älteren Geschichtsschreibung wird von Stämmen gesprochen, ein Begriff, der inzwischen mehr und mehr aufgegeben wird. In der gegenwärtigen Forschung geht man eher von Mundart- und Kulturlandschaften aus.

Auch den in der finnischen Geschichtsschreibung auftretenden Einheitskulturbegriff kann man mit der Begründung in Frage stellen, dass dadurch die Werte und die Verhaltenskultur der Kirche oder der Land besitzenden Schichten zu stark betont werden: Zwischen einzelnen Gebieten und Gesellschaftsgruppen bildeten sich schon in vorhistorischer Zeit Kulturunterschiede heraus. In der Forschung zur Volksüberlieferung wurde nachgewiesen, dass sich Finnland in zwei hauptsächliche Kulturgebiete aufteilt: ein westliches und ein östliches, was schon daraus resultiert, dass wichtige Kultur- und Zuzugsbewegungen aus den beiden genannten Himmelsrichtungen erfolgten. Die Grenze von 1323 erklärt diese Zweiteilung freilich nicht allein, wenn auch in der älteren Forschungsliteratur gerade darauf verwiesen wird.

Die orthodoxen, zu Russland gehörenden Karelier und die unter schwedischer Herrschaft stehenden katholischen Finnen hatten durchaus Interesse an regionalem Warenaustausch. Die karelischen Händler reisten auf den Wasserwegen des Binnenlandes bis hin zur ostbottnischen Küste. Gewalttätigkeit ließ sich dabei nicht immer vermeiden und auch die Konkurrenzsituation zwischen Russland und Schweden schürte Feindlichkeiten auf örtlicher Ebene. Die Karelier waren für die Finnen Russen und sie selbst für diese natürlich Schweden – die Ähnlichkeit der Sprachen reichte also nicht aus, gegenseitige Fremdheitsgefühle zu beseitigen.

Der Prozess der Herausbildung der Provinzen verursachte Animositäten auch unter den Finnen, zumindest zwischen den Einwohnern von Häme einerseits und Savo andererseits, weil die Gemeinden beider Provinzen im 15. Jahrhundert um die Nutzungsrechte an den Waldgebieten im Binnenland kämpften, teilweise sogar unter Anwendung von Gewalt. Hinsichtlich dieser Zwistigkeiten suchte man Hilfe bei der Obrigkeit in Schweden, der auf diese Weise die Rolle des Beschützers und Richters in finnischen Angelegenheiten zuwuchs. An sich war die Konkurrenz zwischen Gebieten und Gemeinschaften durchaus nichts Ungewöhnliches, da die mittelalterlichen Provinzbildungsprozesse die Konfrontation der Landesteile und örtlichen Gemeinschaften untereinander ja noch keineswegs beseitigt hatten. In der finnischen Volkstradition finden sich allerlei Geschichten, Anekdoten und Spottgedichte, die sich auf die Leute des Nachbardorfes beziehen. Da der Großteil der Menschen damals weit weniger reiste als heute, hatten Ortsansässigkeit und lokales Gemeinwesen große Bedeutung im Alltag. Wer aus seiner eigenen Heimatgegend wegzog, war zumindest anfangs im wahrsten Sinne ein Fremdling in der neuen Umgebung.

Zu den frühesten Bewohnern Finnlands gehörten auch die Samen, entfernte Sprachverwandte der Finnen und Karelier. Samen lebten auch in den Südteilen des Landes und nicht nur in Lappland. Die Samen wurden gleichwohl auch als Lappen bezeichnet. Lappland bedeutete ursprünglich ein abseits gelegenes Gebiet und ein Lappe war mithin Einwohner einer entlegenen Gegend.

Neben den genannten Gruppen lebten in Finnland auch Vertreter anderer Sprachgruppen. Archäologischen Funden zufolge hatte skandinavische Bevölkerung schon in der Eisenzeit die ostbottnische Küste besiedelt. Unter anderem lässt der Name der Gemeinde Harjavalta in der Provinz Satakunta auf vorhistorische germanische Besiedlung schließen. Die westlich vom Festland gelegenen Inseln bildeten die Provinz Åland, deren Bewohner schon vor der Kreuzzugszeit schwedischen Ursprungs beziehungsweise aus Schweden zugewandert waren. Schwedisch sprechende Siedler erreichten mit den Kreuzzügen die finnischen Küsten, besonders in Ostbottnien und Uusimaa. So entstand unter anderem das Dorf Helsingfors Helsinginkoski („Helsinkistromschnelle“), das sich Jahrhunderte später zur finnischen Hauptstadt Helsinki entwickeln sollte.

Besonders an der Südküste und auf den vorliegenden Schären wohnten und bewegten sich in gewissem Umfang auch Esten. Die Handels- und Schiffsverbindungen von und nach Estland führten in einigen Fällen auch zur Übersiedlung über das Meer hinweg und zur Entstehung von Verwandtschaftsbeziehungen. Wie nachfolgend bei der Behandlung der Kreuzzüge noch aufzuzeigen sein wird, lebten auf den Inseln an der finnischen Südküste wenigstens im 12. Jahrhundert offensichtlich auch Dänen; im Osten machten sich in Karelien russische Händler, Beamte und Geistliche ansässig.


Helsinki

Das heutige Territorium von Helsinki war seit dem Mittelalter das Gebiet schwedischsprachiger Bevölkerung: Die Stadt erhielt auch ihren Namen nach den Zuzüglern aus Hälsingland. Gustav Wasa gründete den Ort 1550 an der Stelle des mittelalterlichen Dorfes Forsby an der Mündung des Flusses Vantaanjoki, eigentlich in Konkurrenz zu Tallinn. Damals gab man die alte Stadt auf und gründete sie an einem neuen Platz, vor allem um einen besseren Hafen zu erhalten. Die Karte zeigt beide Teile Helsinkis Mitte des 17. Jhs., die Altstadt oben an der innersten Bucht, die neue Stadt auf dem Gelände des heutigen Stadtteils Kruunuhaaka und des Senatsplatzes. Die Chatra öfwergamble och Nya Helsingfors varande ägor wurde offensichtlich 1645 von Hans Hansson im Maßstab von etwa 1:12.000 gezeichnet.

Nach den Schweden bildeten vom 13. Jahrhundert an deutschsprachige Einwanderer die wahrscheinlich größte Sprachminderheit im mittelalterlichen Finnland. Zu der Zeit begann sich Niederdeutsch sprechende Bevölkerung in verschiedenen Teilen Nordeuropas niederzulassen, auch im schwedischen Reich und in Finnland. Die deutschen Zuwanderer repräsentierten Fernhandel, städtische Erwerbstätigkeit und Stadtentwicklung, aber einige Dokumentenbelege und Ortsnamen wie Saksala beweisen, dass sie auch in der Provinz ansässig waren. Die Bezeichnungen Saksa (Deutschland) und saksalainen (deutsch, Deutscher) deuten an, dass die frühesten Ankömmlinge aus Saksi (Sachsen) einwanderten.

Die Quellen erlauben es nicht, die Zahl der Einwohner Finnlands beziehungsweise der verschiedenen Gruppen im Mittelalter sicher einzuschätzen. Man nimmt aber an, dass die Einwohnerzahl zur Zeit der Kreuzzüge unter 50.000 betrug. Die ersten halbwegs verlässlichen Angaben betreffen erst die 1570er Jahre, als in Finnland etwa 300.000 Menschen lebten. Die Bevölkerungszahlen scheinen also angestiegen zu sein, einige der auf ihre Entwicklung einwirkenden Faktoren wie die Anzahl der schwedischen und deutschen Zuwanderer und die durch die Pest möglicherweise verursachten Bevölkerungsdefizite beruhen aber lediglich auf Vermutungen.

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