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Kaum bekannte altfinnische Kultur

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Über die urfinnischen Glaubensinhalte erfahren wir aus der Überlieferung nur ausgesprochen wenig; zum Christianisierungsprozess stehen vor allem solche Quellen zur Verfügung, die aus Sicht der Geistlichen berichten. Der Reformator Mikael Agricola veröffentlichte 1551 seine Übersetzung der Psalmen und legte im Vorwort dazu ein gereimtes Verzeichnis der in Häme und Karelien verehrten Götzen vor, in beiden Gruppen je zwölf Stück umfassend. Die Liste der Abgötter in Häme beginnt hinsichtlich der Jäger- und Fischerkultur mit den Zentralfiguren Tapio („aus dem Walde die Fänge schallen“) und Ahti („aus dem Wasser die Fische quallen“). Interessanterweise tauchen die auf Fruchtanbau und Landwirtschaft hindeutenden Gottheiten erst im karelischen Verzeichnis auf und bilden hier die Mehrheit. In tadelndem Ton schildert Agricola auch die heidnischen Bräuche des Volkes wie die Niederlegung von Speisen für die Toten, das Weinen am Grabe und die anlässlich der Aussaat im Frühjahr durchgeführten Zechereien, bei denen „viele beschämende Dinge“ vorfielen.

So interessant die von Agricola vorgelegten Mitteilungen sein mögen, sind sie zum Teil sehr unterschiedlich auslegbar schon wegen ihrer sprachlich schwer verständlichen Züge. Freilich kann man seine Beschreibungen mit anderen Nachrichten über die Glaubensvorstellungen und Volksüberlieferungen der finnischen Einwohner vergleichen und verbinden. Die Volkstraditionen der Finnen werden schon seit dem 17. Jahrhundert untersucht, als sich die Gelehrten der Akademie in Turku für die Bräuche und Glaubensvorstellungen der einfachen Leute interessierten. Im 19. Jahrhundert begann man die Volksdichtung dann systematischer zu sammeln. Wenn das finnische Nationalepos Kalevala auch keine authentische Überlieferung darstellt, sondern von Elias Lönnrot (1802–1884) geschaffen wurde, stehen dahinter doch von Sammlern notierte Aufzeichnungen mündlicher Kultur. Diese Texte sind auch wertvolle Quellen für die Geschichtsforschung, obwohl sie natürlich auch Angaben zu Geschehnissen und Umständen späterer Zeiten enthalten.


Schamanentrommler

In Ekstase geratener samischer Schamanentrommler aus dem Buch von Johannes Schefferus Joannis Schefferi Argentoratensis Lapponia von 1673. Den Glauben der vorzeitlichen Finnen und Samen kann man als schamanistisch bezeichnen, er wurde durch Riten, Zaubersprüche und mystische Erzählungen von Generation zu Generation vermittelt. Geistliche gab es in eisenzeitlichen Gemeinschaften wahrscheinlich noch nicht, aber einzelne Personen hielt man für kompetenter, mit dem Jenseits Verbindung aufzunehmen. Sie wurden Seher, Magier und Heiler genannt.

Was genau die Urfinnen über Kräfte oder Verfasstheiten überirdischen Charakters und nach dem Tode geglaubt haben mögen, es hat sicher kein systematisches Lehrsystem gebildet. Vielmehr kann man ihren Glauben als schamanisch charakterisieren, wie den der in Finnland lebenden Samen. Aus der Auflistung von Agricola lässt sich nicht eindeutig belegen, ob die Frühfinnen tatsächlich personifizierte Gottheiten verehrten oder das Übernatürliche eher als Kraft und Geist auffassten, der auch das Leben der Menschen beeinflussen konnte. Die Glaubensinhalte wurden durch Rituale, Zauberformeln und mythische Geschichten an die nächsten Generationen weitergereicht. Ein eigentliches Priestertum hat es in den eisenzeitlichen Gemeinschaften bestimmt nicht gegeben, aber einzelne Individuen hielt man für besonders befähigt, Verbindung zum Jenseits aufzunehmen; sie wurden Propheten, Magier und Heilkundige genannt.

Sowohl die Altfinnen als auch die Samen verehrten Naturelemente wie Himmelskörper und physische Orte ihrer Umgebung, die sich in den Augen der Menschen aus der übrigen Landschaft heraushoben, etwa Felsen, Schluchten oder Fjälle und auch Seen. Ein solcher Ort erschien mit übernatürlichen Kräften gesegnet, also heilig. Er bildete mithin die Grenze zwischen der realen und der jenseitigen Welt. In Finnland sind noch immer mit pyhä (heilig) beginnende Ortsnamen erhalten, so etwa Pyhätunturi (heiliger Fjäll), Pyhäjärvi (heiliger See), Pyhäselkä (heilige offene See) und Pyhäjoki (heiliger Fluss). Die Samen verehrten beispielsweise die aus dem Inarisee aufragende Felseninsel Ukonsaari. An einigen Felswänden sind noch in grauer Vorzeit entstandene symbolhafte Zeichnungen erhalten, deren Interpretation im Sinne ihrer kulturellen Entstehungszeit heute aber kaum mehr gelingen wird.

Einige Ortsnamen wie die beiden Torsholma benannten Inseln bei Åland und die Insel Ödensö an der Südküste des Festlandes verweisen darauf, dass Einflüsse des skandinavischen Asa-Glaubens den Osten erreichten. Skandinavische Kultgegenstände wie der Hammer von Thor wurden auch im Binnenland gefunden.

Die Verbindungen zu den skandinavischen Völkern im Westen beruhten auf Warenaustausch, schon in vorhistorischer Zeit auf Finnland gerichteter Zuwanderung und auf Wikingerzügen – führte der Ostweg der Wikinger doch über das Åland-Meer die finnische Südküste entlang in den Finnischen Meerbusen. Auf diese Weise gelangte die skandinavische Glaubenstradition auch nach Finnland oder wenigstens in die Insel- und Küstengegenden. Trotz dieser kulturellen Einflüsse scheint die skandinavische Mythologie den meisten Urfinnen aber fremd geblieben zu sein.

Als dann die katholische Kirche ihre Lehre verbreitete, ging man in Finnland vor wie in anderen Missionsgebieten und der Papst billigte im Jahre 1229 dem finnischen Bischof das Recht zu, die heidnischen Opferhaine in eigenen Gebrauch zu nehmen. Die Urfinnen hatten also feste Plätze für die Ausübung ihrer Rituale, die freilich in ihren Einzelheiten unbekannt geblieben sind. Diese Opferstätten nannte man hiisi. Noch immer gibt es in Finnland mit hiisi beginnende Ortsnamen. Das Wort bedeutete anfangs „Verwandtschafts-“ oder „Dorffriedhof“. Man begrub hier seine Verstorbenen und suchte diese Stätten auf, um ihrer mit Speiseopfern und Klageliedern zu gedenken. Später scheint sich der Begriff auf alle Plätze ausgeweitet zu haben, wo man Glaubensrituale praktizierte. Die Priester, die den christlichen Glauben propagierten, verachteten diese heiligen Haine als Orte der Teufelsanbetung und hiisi wurde so auch zum Synonym für „Teufel“. In der Auflistung Agricolas wird Hiisi unter die Abgötter gezählt.

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