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Entdecker und Interpreten der Vorgeschichte

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Finnland wurde nach dem Friedensschluss 1809 von Schweden getrennt und als autonomes Großherzogtum Russland zugeschlagen. Zur gleichen Zeit wurde durch die nationale Erweckung in finnischen Gelehrtenkreisen die Forderung laut, die Vergangenheit des eigenen Landes und Volkes zu ergründen. So profilierten sich die Lehrstühle der in Finnland gegründeten humanistischen Universitätsinstitute zu nationalen Wissenschaftseinrichtungen, die das Ziel verfolgten, dass Finnland dank seiner Vergangenheit und Kultur zu einer zivilisierten Nation unter anderen aufsteigen möge. Johan Reinhold Aspelin wurde 1885 zum ersten Staatsarchäologen Finnlands berufen; 1892 konstatierte er in einem Brief: „Mich beseelt in all meinem Streben der Gedanke, dass die Geringschätzung unseres Volkes und unseres Stammes mit mangelnden Erinnerungen zusammenhängt, mit dem Fehlen dessen, was man achten und lieben kann. Die Liebe zum Vaterland basiert auf Erinnerungen und ich will dem Volk Erinnerungen geben, je faszinierender, desto besser.“

An die Universität Helsinki berief man den ersten Professor für Archäologie 1878, ein Ordinariat wurde 1923 gegründet. An den Universitäten Turku und Oulu lehren die ersten Professoren für Archäologie seit 1972 und 1994. Außer diesen Lehrstühlen waren schon früh zwei wichtige Instanzen etabliert worden. Im Jahr 1870 gründete man die Denkmalvereinigung, deren „Absicht ist, verschwundene und in Vergessenheit geratene Kunst- und Vorzeitrelikte, Gedichte, Lieder und Geschichten des Heimatlandes aufzuzeigen und zu sammeln sowie das finnische Volk dazu zu erwecken, seine Erinnerungen zu pflegen“. Die Vereinigung trug Objekte zusammen, indem sie Forscher oder Stipendiaten zum Sammeln über das ganze Land aussandte. Außerdem konnten Sammler gegen eine Gebühr in ihrer Region gefundene Gegenstände einschicken. Die Sammlungen wuchsen auf diese Weise schnell an, und wenn es in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts etwa 600 bekannte Steinobjekte gab, so waren es vierzig Jahre später bereits 13.000. Als zweite wichtige Forschungseinrichtung entstand 1884 der wissenschaftliche Ausschuss für Vorzeitkunde (seit 1972 Museumsbehörde), der die ein Jahr zuvor erlassenen Denkmalstatuten (zum Gesetz erhoben 1963) und die auf deren Grundlage durch Sammeltätigkeit und Feldarbeit anwachsende Nationalsammlung sowie Listen unter Denkmalschutz stehender Objekte verwaltete.

Die Wurzeln des Nationalmuseums reichen auf die Sammlungen dieser beiden Instanzen zurück, denen schließlich 1893 die volkskundlichen Museen der Universität Helsinki und der Studentenvereinigungen angeschlossen wurden. Der so entstandene Komplex erhielt zuerst den Namen Historisches Staatsmuseum, seit 1916, der Zeit also, als die in den gemeinsamen Neubau eingebrachten Sammlungen für das Publikum geöffnet wurden, hieß er Finnisches Nationalmuseum.

Zu den zentralen Aufgaben der finnischen Archäologie gehörte mithin schon von Anfang an, Antworten auf national wichtige Fragen zu finden: Wann kamen die Finnen in diese Gegend und wie lange spricht man in Finnland schon Finnisch? Auch die Frage nach dem Ursprung der Samen und ihrer Sprache steht seit langem im Mittelpunkt der Forschung. Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelte die Archäologie eine auf Sprachforschung basierende Einwanderungstheorie, wonach die Finnen ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung über das Baltikum nach Finnland gezogen seien. Seit den 60er Jahren gingen die Archäologen jedoch von einer Kontinuitätstheorie aus, und zwar aufgrund von Funden und deren chronologisch lückenloser Datierung. Demnach gab es in Finnland eine ununterbrochene Besiedlung seit Ende der Eiszeit bis auf den heutigen Tag, und die Finnen kamen folglich nirgendwoher, sondern das Volk bildete sich durch Zuwanderung aus den verschiedensten Richtungen in Finnland selbst. Forschungsmeinung war, Finnisch beziehungsweise eine dem Finnischen vorangegangene finnisch-ugrische oder uralische Sprache sei schon seit kammkeramischer Zeit oder sogar noch früher gesprochen worden. Jüngst haben nun einige Sprachforscher mithilfe sprachwissenschaftlicher Methoden nachweisen können, dass sowohl die Samen als auch die Finnen samt ihrer Sprache erst zur späten Bronze- oder frühen Eisenzeit das südliche Finnland erreichten. Damit ist die Antwort der neuen Besiedlungstheorie hinsichtlich der Sprache fast die gleiche wie vor hundert Jahren, wenn auch anzunehmen ist, dass die Dynamik der Besiedlungstätigkeit erheblich komplizierter war als früher vermutet.

Die Siedlungskontinuität für den Zeitraum nach der Eiszeit gilt jedoch als sicher. Allerdings kann man mit Mitteln der Archäologie weder durch die aufgefundenen im Boden liegenden Vorzeitreste noch durch lose Fundstücke die Frage beantworten, wer diese angefertigt oder benutzt haben könnte und welche Sprache er sprach. Das liegt schon daran, dass sich im kalkarmen finnischen Erdreich keine Skelette erhalten, also keine DNA-Vergleiche möglich sind. Damit muss man sich abfinden, und deshalb wird in diesem Beitrag auch nicht zu Sprach- oder Nationalitätsfragen Stellung genommen. Die im Folgenden erwähnten vorhistorischen Kulturen sind, anders als solche der historischen Zeit, von Archäologen in einem bestimmten, begrenzten Gebiet aufgefundene und auf einen beschränkten Zeitraum datierte gegenständliche Ganzheiten.

Betrachtet man die Vorzeit Finnlands oder eines beliebigen anderen Gebietes, sind zwei Dinge zu beachten. Erstens ist zu berücksichtigen, dass die Vorgeschichte von Forschern aufgrund von Kenntnissen über hauptsächlich in Museen lagernde Gegenstände und in der Landschaft fest verankerte Objekte erarbeitet wurde. Zweitens muss man sich vergegenwärtigen, dass seinerzeit nur ein Teil der menschlichen Tätigkeiten bleibende Spuren hinterlassen hat und auch von diesen Spuren nur ein minimaler Rest gefunden worden ist. Verbreitungskarten zu alten Funden bilden statt der Wirklichkeit vorhistorischer Zeit oft lediglich ab, auf welches Gebiet sich das Interesse der Archäologen richtete. Unsere Kenntnis der Vorgeschichte hängt also stark auch davon ab, wie viele fortschrittliche Sammler es in einem bestimmten Gebiet gab und wie viel Mittel für die archäologische Forschung bereitstanden. Wenn vorhistorische Wirklichkeit auch ein Faktum ist, ändert sich unsere Ansicht und Interpretation dieser Zeit doch ständig durch neue Funde und Untersuchungsmethoden sowie mit den zu verschiedenen Zeiten gefundenen Antworten auf die gestellten Fragen.

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