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Der Wandel der Umwelt

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Die vorhistorische Umwelt unterschied sich erheblich von der heutigen, und zwar sowohl im Verhältnis von Land und Wasser als auch im Klima. Die sich verändernde Umgebung bildete den Rahmen für die Formen menschlichen Gemeinschaftslebens und bestimmte vorher, auf welche Weise die Menschen mit ihrem Wissen und durch ihre Fertigkeiten imstande waren, den Anforderungen der Natur gerecht zu werden und die natürlichen Ressourcen zu nutzen.

Während der letzten Eiszeit drückte das Kontinentaleis mit einer etwa drei Kilometer dicken Eisschicht auf die Erdkruste. Als sich das Eis vor ca. 10.000 Jahren aus Finnland zurückzog, begann sich diese Erdkruste auf ihr früheres Niveau anzuheben. Diese Landhebung setzt sich in Finnland noch immer fort und je näher die Gegend einst dem Gletscherzentrum in Nordnorwegen und -schweden lag, desto kräftiger fällt die Hebung aus. Am stärksten war sie unmittelbar nach der Eisschmelze, aber im Norden des Bottnischen Meerbusens erhöht sich das Land noch immer um 80 Zentimeter in hundert Jahren, am Finnischen Meerbusen um 10 bis 20 Zentimeter. Die Landhebung hat das Verhältnis von Land und Wasser erheblich verändert. Sie verschob, und verschiebt noch immer, die finnische Westküste weiter nach Westen. Obwohl der Wasserspiegel der Vorzeitmeere sicherlich auf einheitlichem Niveau lag, hat die Landhebung die ursprünglichen Ufer verformt, sodass sie in der heutigen Landschaft unterschiedliche Höhen aufweisen. Je älter ein Vorzeitufer ist, umso schroffer ist seine Neigung. Vorstufen des heutigen Ostseebeckens waren bis etwa 9750 vor unserer Zeitrechnung der Baltische Eissee, 9750–8600 das Yoldiameer, 8600–6500 der Ancylussee, 6500–6200 das Mastogloiameer und danach das mit der Landhebung an den Ufern ununterbrochen schrumpfende Litorinameer. Diese Phase der Gewässerentwicklung hält immer noch an.

Wenn ein großer See, der sich in früher Zeit aus der Ostsee isoliert hat, länglich ist und in gerader Linie in Richtung des Glazialzentrums verläuft, hebt sich sein Nordwestende schneller als die Südostecke und der anfangs nach Norden oder Nordwesten entwässernde See bricht sich eine neue Abflussrichtung nach Süden oder Südosten. Dies geschah bei dem in Mittelfinnland gelegenen Großsee, dem Ur-Päijänne, dem 7000–4200 v.u.Z. die Wasser aus dem Großen Saimaasee im Südosten zuflossen. Die Gewässer des Ur-Päijänne standen gerade vor der Entstehung des südlichen Abflusssystems 4850 v.u.Z. am höchsten, fielen dann aber schnell ab. Bei der heutigen Stadt Jyväskylä beispielsweise betrug der höchste Wasserstand damals etwa 100 Meter und ging dann auf 80 Meter zurück.

Finnland war also schon immer ein gewässerreiches Land. Heute verfügt es über etwa 190.000 Seen und 35 über 100 Kilometer lange Flüsse. Deshalb war eine wichtige Voraussetzung für die Besiedlung und Nutzung des Landes die Fähigkeit, sich auf offenem Wasser zu bewegen. Trotzdem stammen die ältesten, durch das Radiokarbonverfahren abgesicherten Datierungen von Bootsfunden erst aus dem Ende der Eisenzeit, die ältesten vorzeitlichen Funde von Paddeln jedoch aus dem Ausgang der Steinzeit. Außerdem finden sich in steinzeitlichen Felsmalereien Abbildungen von Booten.

Obwohl die volkskundliche Forschung einer historisch-chronologischen Einordnung der Volksdichtung kritisch gegenübersteht, erkennt sie doch an, dass sich sowohl hinsichtlich der Struktur der Gedichte, als auch mit Blick auf ihre inhaltliche Aussage Elemente herausfiltern lassen, die auf ganz ferne Zeiten verweisen. Ein solches, in den meisten Kulturkreisen bekanntes, uraltes Thema ist die Entstehung der Welt. In Finnland enthalten die Gedichte von der Weltentstehung unter anderem Beschreibungen des Urmeeres, des Urvogels und der Geburt der Erde oder von Inseln. Obwohl das Thema weltweite Relevanz hat, war es hier doch ungewöhnlich lange aktuell, denn die ständigen Veränderungen im Verhältnis von Erde und Wasser waren für Menschen, die nach der Eiszeit nach Finnland einwanderten, ein Axiom. Das Gleiche gilt für durch Erdhebungen verursachte Überflutungen und Wassersenkungen der binnenländischen Großgewässer. Änderungen des Wasserspiegels mit dem damit einhergehenden Entstehen oder Verschwinden von Inseln waren für die Menschen also über 3500 Jahre eine Wirklichkeit, mithin für fast zweihundert Generationen!


Yoldiameer und Ancylussee

Nach Abzug des eiszeitlichen Glazialeises hob sich die Erdkruste Finnlands auf ihr früheres Niveau, wodurch sich das Verhältnis Wasser:Land wandelte und noch immer ändert, besonders zu sehen an der relativ niedrigen finnischen Küste am Bottnischen Meerbusen, die sich Jahr für Jahr weiter nach Westen vorschiebt. Die Karten zeigen an der Stelle der Ostsee oben das vorzeitliche Yoldiameer mit Verbindung zur Nordsee (9750–8600 v.u.Z.) und unten den Ancylussee (8600–6500 v.u.Z.), einen Binnensee.

Außer den in steter Wandlung befindlichen Wasserverhältnissen beeinflussten das Klima und damit Flora und Fauna die Lebensmöglichkeiten des Menschen. Nach der Eiszeit war das Klima trocken, die Erdschicht, die unter Eis und Wasser hervorkam, war karge Tundra. Hier begannen sich Birkenwälder auszubreiten, dazwischen aber erschienen schon vor 8000 v.u.Z. auch Kiefern. Danach begann sich das Klima zu erwärmen und edlere Laubbäume verbreiteten sich. Die Zeit von 7000 bis 3800 v.u.Z. war klimatisch günstig, feucht und warm, die Jahresdurchschnittswerte entsprachen den Temperaturen des heutigen Mitteleuropa. Um 3800 v.u.Z. wurde das Klima allmählich wieder kontinental, also trocken und kühl. Da verschwanden die Edelhölzer und Fichten übernahmen vom Osten einwandernd als neue Baumart ihren Platz.

Finnland war und ist immer noch deutlich ein Land der vier Jahreszeiten, in denen die verfügbare Nahrungsmenge eine je verschiedene ist und die Situation für das Weiterleben auf die ein oder andere Weise beherrscht werden muss. Nach dem Ende der Eiszeit breiteten sich im Norden nur solche Tierarten aus, die sich den äußerst kargen Gegebenheiten anzupassen vermochten. Im späten Frühjahr, Sommer und Frühherbst ist die durch Pflanzen- und Tierreich gebildete Biomasse in verschiedenen Formen relativ reichlich als Nahrung für Mensch und Tier vorhanden. Mit dem Frost aber nimmt ihre Menge zwischen Spätherbst bis hin zum Frühjahrsbeginn dramatisch ab. Die größte Herausforderung war also und ist noch immer die lange Winterzeit, in der außer dem Nahrungsmangel auch die Kälte ein ernstes Problem darstellt. Der Großteil der Vogelwelt löst das Problem durch den Winterzug in wärmere Regionen. Von den Säugetieren sammeln Bär und Dachs rechtzeitig Nahrungsreserven, von denen sie dann in ihren Höhlen während der Zeit des Winterschlafs zehren. Igel und Fledermaus gehen noch weiter, indem sie an einem geschützten Platz durch Unterkühlung erstarrt den Winter überleben.


Der alte Ski von Kinnula

In Skandinavien wurden in Sümpfen und Wasserstellen etwa 250 vorzeitliche Skier aufgefunden, über zwei Drittel davon in Finnland. Modellunterschiede äußern sich am deutlichsten bei den Trittstellen: gerade, gekerbt oder erhöht. Sie zeigen grob die Entwicklungsphasen, waren jedoch teilweise in Teilen des nördlichen Eurasien gleichzeitig in Gebrauch. Zur Eisenzeit war das übliche Modell der Fanggesellschaften in Finnland der sogenannte bottnische Ski, an beiden Enden spitz zulaufend, relativ kurz, breit, mit erhöhter Fußstellung.

Dieser Ski wurde um 1960 nach dem Pflügen auf einem Feld im mittelfinnischen Kinnula gefunden. Er ist 125 mm breit und 1010 mm lang, an den Rändern mit typisch eisenzeitlichen Zierlinien versehen, die ein in Finnland seltenes, kunstvolles Ringkettenornament im Mittelstück abgrenzen. Der Ski wird auf 1100–1200 v.u.Z. datiert. Auf dem gleichen Feld wurden fünf Skier gefunden, die altersmäßig etwa 600 Jahre auseinander liegen. Weshalb liegen auf einem kleinen Landstück fünf Skipaarteile, ohne Bindung, aus der Zeit 200–1200 v.u.Z.? Waren es Opfergaben? Für wen und warum?

Säugetiere, die sich in der winterlichen Natur nicht in den Schlaf begeben, schützen sich vor der Kälte durch Wärmeisolation mit ihrem Pelz oder ihrer Federdecke beziehungsweise mit einem speziellen Winterkleid und versuchen, so gut es geht, Nahrung zu finden. Zu dieser Gruppe gehört der in Finnland zugewanderte Mensch, der sich freilich gegen die Kälte mit Mitteln seiner Kultur, also mit eigens entwickelter Kleidung und entsprechenden Behausungen, behelfen musste. Dasselbe betraf die Fortbewegung, denn Voraussetzung für das Leben im hohen Norden waren Transportmittel für den Winter, also Skier und Schlitten. Die ältesten Schlittenkufen werden auf die Zeit der mesolithischen Suomusjärvi-Kultur datiert, aber die ältesten in Finnland gefundenen Skier stammen erst aus dem Anfang der Eisenzeit. Auch der in Nordschweden aufgefundene Ski, der als ältester der Welt gilt, ist nicht älter als 5200 Jahre.

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