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Das Alexanderporträt
ОглавлениеVon keiner anderen antiken Persönlichkeit sind über einen so langen Zeitraum so viele Bildnisse in unterschiedlichen Kulturzonen geschaffen worden wie von Alexander dem Großen (s. den Beitrag von J. Malitz). Eine große Spannbreite umfassen auch die Materialien, die Formate und die Ikonografie. Neben den erhaltenen griechischen Originalen gibt es römische Kopien nach verlorenen griechischen Originalen. Die Denkmäler gliedern sich in verschiedene Überlieferungsstränge, Typen und Varianten, die innerhalb der archäologischen Forschung umstritten sind. Abweichende Meinungen gibt es auch bei der Identifizierung mancher Stücke als Alexander sowie bei ihren Datierungen.
Die Entwicklung des griechischen Porträts ist geprägt vom wechselvollen Zusammenspiel zweier Darstellungstendenzen: der Verkörperung allgemeiner Normen in idealen Zügen und der physiognomischen Erfassung einer individuellen Persönlichkeit. In der Alexanderzeit fallen wissenschaftliche Erkenntnisgewinne mit Veränderungen im Arbeitsprozess der Porträtgestaltung zusammen. So hat das naturwissenschaftlich-empirische Weltbild des Aristoteles auch Auswirkungen auf die Kunst seiner Zeit, in der die Physiognomie des Porträtierten eine neue Bedeutung bekam. Der ältere Plinius überliefert, dass der Bildhauer Lysistratos in dieser Zeit erstmals Gipsabgüsse vom Gesicht des zu Porträtierenden anfertigte und zum Ausgangspunkt seines Arbeitsprozesses machte.
Abb. 1 Ein Wechselspiel zwischen klassisch beruhigten Gesichtszügen und dynamisch bewegten Locken prägt das Porträt des ›Alexander Schwarzenberg‹. Die römische Kopie geht zurück auf eine Bronzestatue von Alexanders ›Hofbildhauer‹ Lysipp: So wollte sich der Weltenherrscher zu Lebzeiten dargestellt sehen.
Antike Schriftquellen berichten, dass sich Alexander nach seiner Thronbesteigung nur von Lysipp, dem berühmtesten Bildhauer seiner Zeit, sowie vom ebenso prominenten Maler Apelles porträtieren ließ. Aufgrund der Überlieferungslage sind von den gemalten Bildnissen Alexanders nur das Prinzenporträt auf dem 336 v. Chr. entstandenen Wandbild von Vergina sowie das Porträt auf dem Alexandermosaik, eine Umsetzung nach einer gemalten frühhellenistischen Vorlage, erhalten. Anders bei den plastischen Porträts: Zunächst einmal gilt es, aus der Vielzahl der Bildnisse diejenigen herauszufiltern, die mutmaßlich zu Lebzeiten Alexanders entstanden. Dies sind das Prinzenbildnis im Typus Athen-Erbach aus der Zeit um 340 v. Chr. sowie die beiden dem Lysipp zugewiesenen Typen Schwarzenberg (Abb. 1) und Azara aus der Zeit um 330 v. Chr. Alle drei sind durch eine Reihe römischer Kopien überliefert und können durch stilistische Vergleiche mit Werken der Alexanderzeit datiert werden. Als individuelle Merkmale zeigen alle Porträttypen die jugendliche Bartlosigkeit und die langen Haare mit den aufspringenden Stirnlocken. Bezüglich der Gestaltung der Gesichtszüge ist das Prinzenbildnis weitgehend der Tradition spätklassischer Idealdarstellungen verhaftet, während die beiden dem Lysipp zugeschriebenen Typen stärker individuelle Merkmale aufweisen. Ein spezielles Problem ist die Frage nach dem Realitätsgehalt dieser Züge und ihrer Verbindung mit der widersprüchlichen schriftlichen Überlieferung zum Aussehen Alexanders. Keines der zu Lebzeiten entstandenen Porträts zeigt Alexander mit Diadem, das offenbar erst in seiner Nachfolge zur verbindlichen Herrscherinsignie wurde (s. den Beitrag von M. Haake).
Das älteste erhaltene rundplastische Originalporträt Alexanders ist der vor einigen Jahren im Umkreis der makedonischen Hauptstadt Pella gefundene Kopf des ›Giannitsa-Alexander‹. Er stammt aus der Diadochenzeit. Das hochqualitative Porträt beeindruckt durch eine Kombination aus präziser Oberflächenbehandlung und dramatisch bewegten Einzelelementen. Zur Ausdrucksstärke des Porträts trägt die emphatische Kopfwendung bei, die als Kennzeichen Alexanders auch in den Schriftquellen genannt wird, wobei wahrscheinlich ist, dass dieses Merkmal ursprünglich im Porträt ausgeprägt war und dann in der späteren Überlieferung auf die Person Alexanders übertragen wurde.
Abb. 2 Der Alabasterkopf Alexanders des Großen ist eine typisch alexandrinische Arbeit aus hellenistischer Zeit. Er war als Einsatzkopf in eine Statue aus anderem Material eingelassen. Eine auf dem Kopf eingesetzte ägyptische Götterkrone vervollständigte das Porträt des vergöttlichten Alexander.
Unter den in hellenistischer Zeit entstandenen Porträts Alexanders stellen die aus Ägypten stammenden Bildnisse die mit Abstand größte Gruppe dar. In der von ihm gegründeten Stadt Alexandreia wurde Alexander kultisch verehrt (Abb. 2). Es gab offensichtlich einen lebhaften Handel mit Alexanderbildnissen, die als Votiv- und private Kultbilder, vielleicht auch als Andenken, in unterschiedlichen Größen und Materialien angeboten wurden. In ihrer physiognomischen Gestaltung ist eine Tendenz zu einer pathetischen Idealisierung zu beobachten. Die Vermischung griechischer und ägyptischer Kulturelemente führte zu einer Verbindung des griechisch geprägten Alexanderporträts mit der ägyptischen Hemhem-Götterkrone. In zahlreichen Fällen zeigen Befestigungslöcher auf dem Scheitel alexandrinischer Alexanderbildnisse, dass dort solche Kronen als Attribut von Alexanders Vergöttlichung angebracht waren.
Ein spezifischer Fall ist der Statuentypus des Alexander mit der Aigis. Dieser Typus gibt wahrscheinlich das Kultbild Alexanders als Stadtgründer von Alexandreia wieder. Die ungewöhnliche Gestaltung der Aigis als langer Mantel kann mit einer antiken Überlieferung, wonach der Grundriss der Stadt Alexandreia der Form eines makedonischen Mantels geglichen habe, in Verbindung gebracht und als symbolische Andeutung dieses Grundrisses gedeutet werden.