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Einleitung
Оглавлениеvon Kay Ehling und Gregor Weber
Die hellenistischen Könige standen zur Konstituierung und Sicherung ihres jeweiligen Reiches vor großen Herausforderungen, die sich auf mehreren Ebenen bewegten. Der Blick in die einzelnen Teilreiche lehrt, dass dem nachstehend skizzierten Anforderungsprofil beileibe nicht immer entsprochen werden konnte.
Zum einen war es erforderlich, die Herrschaft zu organisieren: Dies machte, da nur selten auf vorhandene Eliten zurückgegriffen wurde, die Zusammenstellung einer Gruppe kompetenter Helfer erforderlich, die »Freunde« (phíloi) genannt wurden. Außerdem benötigte der König ein Zentrum oder auch mehrere, an denen er seinen Aufgaben nachkommen konnte und die gleichzeitig seinen Erfordernissen an Repräsentation und Selbstdarstellung genügten. Die Errichtung neuer, vielfach nach Mitgliedern der königlichen Familie benannter Haupt- und Residenzstädten mit Hofgesellschaften und Palastanlagen einschließlich verschiedener Funktionsbauten war deswegen nur konsequent. Schließlich galt es, adäquate Kommunikationsformen für den Kontakt mit den genannten Gruppen zu entwickeln und konsequent umzusetzen – hierzu zählen z.B. Briefe und Erlasse, ebenso die kultische Verehrung oder numismatische Zeugnisse. Dabei griffen die Könige und ihre Helfer durchaus auch auf bereits bestehende Einrichtungen zurück, so dass es sich um einen dialektischen Prozess mit nicht unbeträchtlichem Experimentierpotential handelte.
Zum anderen mussten die Könige bei ihren nicht selten verschiedenen Untertanengruppen auf Akzeptanz stoßen und deren Erwartungen entsprechen. Diese waren z.B. bei der Bevölkerung der ägyptischen Siedlungen anders ausgerichtet als etwa in freien griechischen Städten (póleis), bei indigenen Priesterschaften oder bei angeworbenen Söldnern. Außerdem wurden durch das Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsteile und durch eine starke Migration auf verschiedenen Ebenen etliche Akkulturationsprozesse angestoßen, die wiederum die Gestalt bzw. Ausgestaltung der jeweiligen Herrschaft tangierten; hierbei kam den Königen und ihren Familien durchaus eine gewisse Vorbildfunktion oder ›Richtlinienkompetenz‹ zu, doch ergaben sich manche Problemkreise – etwa der Umgang mit ›Mischehen‹, die Kompatibilität verschiedener Rechtssysteme o.ä. – erst aus dem alltäglichen Zusammenleben, und darauf hatten die Könige wiederum zu reagieren.
Der König musste folglich alles daransetzen, sich als ein legitimer Herrscher zu erweisen, der sich für das Wohl seiner Untertanen verantwortlich zeigte; vor allem durch seine militärischen Erfolge konnte er sein Charisma unter Beweis stellen, das für die Akzeptanz seiner Herrschaft überaus wichtig war. Diese Siege waren aber nicht nur für die Bewahrung oder die Erweiterung des eigenen Territoriums wichtig: Auch bestand für die Truppen die Gelegenheit, Beute zu machen, für den König, weiteres Land und Reichtümer dazu zu erwerben; vor allem aber ließ sich aus Siegen erhebliches Prestige gewinnen, das wiederum von Dichtern, im Rahmen großer Feste oder an panhellenisch relevanten Orten wie Athen, Delphi oder Olympia durch Monumente umgesetzt werden konnte.
Nach der Phase der Etablierung der Herrschaft standen die Könige vor neuen Herausforderungen, denn es gab stets Herrscher, die diesem Anspruch nicht zu genügen vermochten. Zwar kam es nach wie vor zu Auseinandersetzungen zwischen benachbarten Königreichen – z.B. gab es zwischen Ptolemäern und Seleukiden im Zeitraum von 274 bis 168 v. Chr. nicht weniger als sechs Syrische Kriege –, aber es konnte ja nicht nur Sieger geben. Es waren stets auch Bündnisse mit den mächtigen Bundesstaaten in Aitolien und Achaia oder Mittelmächten wie Rhodos möglich, und spätestens zum Ende des 3. Jh.s v. Chr. erwies sich die aufstrebende Weltmacht Rom als erheblicher, immer konsequenter agierender Machtfaktor. Darüber hinaus entwickelten sich in manchen Reichen durch die auf makedonische Praxis zurückgehende Polygamie sowie bei den Ptolemäern in Ägypten praktizierte Geschwisterehe familiäre Konstellationen, die nur schwer zu kontrollieren waren bzw. ein fortwährendes Konfliktpotential, das zu Aufständen führen konnte, in sich bargen. Dass die großen Reiche nach und nach – u.a. 146 v. Chr. die Antigoniden, 63 v. Chr. die Seleukiden, 30 v. Chr. die Ptolemäer und 72/73 n. Chr. Kommagene – ihre Existenz aufgeben mussten und in das Imperium Romanum eingegliedert wurden, macht deutlich, wo die Beharrungskräfte am stärksten waren, lässt aber auch nach den spezifischen Gründen dafür fragen.
Die Konzeption des Bandes sieht vor, drei verschieden ausgerichtete Arten von Beiträgen miteinander zu verzahnen: Die wichtigsten hellenistischen Reiche, denen – ausgehend von Alexander dem Großen als Archegeten – wichtige strukturelle Elemente gemeinsam waren, die aber mit Blick auf das genannte Anforderungsprofil beträchtliche Unterschiede aufwiesen, werden in ihren Grundzügen und Charakteristika ausführlich vorgestellt (im Layout rot). Darüber hinaus erhalten einige wenige Herrschergestalten von Demetrios Poliorketes bis zu Kleopatra VII. jeweils eine separate Darstellung, weil sie nach Meinung der Herausgeber in besonderem Maße Spezifika ihrer Dynastie bzw. der gesamten Epoche verkörpern oder aber signifikante Besonderheiten aufweisen, die sie von den anderen Herrschern unterscheiden (im Layout grün). Schließlich finden sich noch Beiträge zu einzelnen Sachthemen aus der Kunst und aus der Herrschaftspraxis, die – freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit – für wesentliche Facetten der genannten Bemühungen der Könige stehen, Akzeptanz bei den Untertanen zu gewinnen, und die zentrale Aspekte der herrscherlichen Selbstdarstellung verkörpern (im Layout blau). Auf diese Weise gelingt es, ein anschauliches Bild von der Epoche des Hellenismus zu zeichnen, das – ausgehend von dem zentralen Phänomen der Monarchie – die Besonderheiten der Zeit an sich und gleichzeitig das komplexe Interagieren der Protagonisten angemessen widerspiegelt.
Abb. 1 Alexander der Große, hellenistische Glaspaste. Nach Anlage der Haarlocken handelt es sich um eine Umsetzung des Alexander-Schwarzenberg-Typus, der auf das lysippische Alexanderporträt zurückgeht. Der Makedonenkönig ist ohne Diadem abgebildet.
Der Name Alexanders des Großen markiert das Ende des klassischen Griechenlands und den Beginn einer neuen Weltepoche, der Epoche des Hellenismus, wie Johann Gustav Droysen schon 1833 pointiert formulierte. Der vorliegende Band wird deshalb mit einem Beitrag über den großen Makedonen eröffnet, dessen persönliche Tapferkeit, strategische Begabung und unerschöpfliche Energie Jürgen Malitz hervorhebt. Aber nicht nur Alexanders historische Gestalt, auch das für ihn geschaffene Porträtbildnis bedeutet einen Wendepunkt – einen Wendepunkt in der Kunst, den Harald Schulze herausarbeitet. Von keiner anderen Persönlichkeit wurden in der Antike so viele Bildnisse geschaffen wie von Alexander. Zum Königsporträt in der Plastik und auf Münzen gehört das Diadem, eine schlichte, am Kopf getragene Stoffbinde, über deren Herkunft und Ursprung, wie Matthias Haake schreibt, aber keine Klarheit herrscht.
Alexander der Große stammte aus Makedonien. Später etablierte sich dort die Dynastie der Antigoniden, deren Geschichte Klaus Scherberich bis zu ihrem Untergang nachzeichnet, der im Jahr 215 v. Chr. eingeleitet wurde, als der Vertrag Philipps V. mit Hannibal die dauernde Feindschaft Roms nach sich zog. Am Anfang des Antigonidenhauses stand die eigenwillige und exzentrische Gestalt des Demetrios Poliorketes, dessen Biografie Steffen Diefenbach auf den Spuren Plutarchs entwirft. Der Beitrag von Gregor Weber macht darauf aufmerksam, dass die hellenistischen Palastanlagen der Selbstdarstellung der Könige und ihrer Interaktion mit verschiedenen Personengruppen dienten.
Gut 300 Jahre regierten die Ptolemäer am Nil an der von Stefan Pfeiffer aufgezeigten Schnittstelle zwischen griechischer und ägyptischer Kultur. Werner Huß und Manfred Clauss stellen mit Ptolemaios III. und Kleopatra VII. zwei außergewöhnliche Mitglieder des Ptolemäerhauses vor: Der eine konnte große Teile des Seleukidenreiches erobern, die andere bewahrte die Selbständigkeit Ägyptens gegenüber Rom. Eine wichtige Hinterlassenschaft aus den Anfangsjahren des Reiches ist die von Hilmar Klinkott vorgestellte, 1870 in der Sayvun-Moschee von Kairo gefundene, schwarze Granitstele, auf der ein Text überliefert ist, der den Dynastiegründer, Ptolemaios (I.), der im Jahr 306 v. Chr. den Königstitel annehmen sollte, noch als »Satrapen« tituliert. Thomas Kruse rückt ein Glanzstück ptolemäischer Verwaltungskunst in den Mittelpunkt, den später zu Unterrichtszwecken kopierten Erlass über die Zwangsverpachtung königlichen Landes, den der oberste Verwaltungsbeamte im Jahr 164 v. Chr. verfasste.
Immer in Konkurrenz zu den Königen Ägyptens standen die Seleukiden, deren Gebiet im Osten weitgehend mit dem von Alexander dem Großen eroberten Perserreich identisch war. Ihre größte kulturelle Leistung bestand, wie Kay Ehling meint, in den zahlreichen Städtegründungen, die zu Zentren des kulturellen Austauschs wurden. Den sog. Königsbriefen widmet sich R. Malcolm Errington. Darunter versteht man im königlichen Namen verfasste private, diplomatische oder verwaltungsmäßige Briefe bzw. Anordnungen und Erlasse als herrscherliche Kommunikationsmittel. Wie Alexander, so führte auch der Seleukide Antiochos III. den Beinamen »der Große«, ob zu Recht, fragt Hatto H. Schmitt. In der syrischen Hauptstadt der Seleukiden, Antiocheia (heute Antakya), wurde erstmals die Personifikation der Stadtgöttin kreiert. Marion Meyer zeigt, wie die Figuren aussehen, die das glückliche Schicksal der Stadt verkörpern.
In Kleinasien etablierte sich die Dynastie der Attaliden, deren Aufstieg und Untergang als treue Bündnispartner der Römer Gegenstand des Beitrags von Boris Dreyer und Aike van Douwe ist. Denn die Nähe zu Rom barg auch Gefahren, und so war, wie Christian Mileta herausarbeitet, der pergamenische König Eumenes II. zunächst der besondere Liebling der Römer, ehe er dann aber deren Gunst verlor. Jeder Berlin-Tourist kennt den Pergamonaltar mit seinem monumentalen Reliefzyklus, der vom Kampf der ordnungsstiftenden Götter gegen die frevlerischen Giganten erzählt. Volker Kästner führt in Geschichte, Architektur, Deutung und Datierung des Großen Altares ein. Von einer Geldwährung besonderer Art berichtet Wolfgang Leschhorn – den im Attalidenreich vor allem von den Städten Pergamon, Ephesos, Sardeis und Tralleis geprägten Kistophoren, Silbermünzen mit der Darstellung eines heiligen Korbes (cista mystica).
Obwohl Alexanders makedonische Soldaten nicht bis Sizilien kamen, entstand auch in Syrakus ein Königtum nach hellenistischem Vorbild, das sich allerdings durch gewisse demokratische Elemente auszeichnete, wie Martin Dreher und Martin Müller nachweisen.
Blickt man nach Griechenland, so zeigt sich, dass Spartas einstige Großmachtstellung seit der verlorenen Schlacht bei Leuktra (371 v. Chr.) schwer erschüttert war, so dass Alexander spotten konnte, der Aufstand des Spartanerkönigs Agis III. sei für die Makedonen nicht mehr als ein »Mäusekrieg«. Welche Reformanstrengungen unternommen wurden, um Spartas alte Herrlichkeit im Rahmen der neuen hellenistischen Wirklichkeit wiederherzustellen, untersucht Ernst Baltrusch.
Im kleinasiatischen Raum gab es neben dem Königreich von Pergamon auch kleinere, indigene Königtümer, in denen sich Elemente griechischer Kultur ausbreiteten, etwa in Bithynien, Pontos und Kappadokien. Wie Christoph Michels betont, bleibt es allerdings fraglich, ob die Könige eine gezielte Hellenisierungspolitik betrieben haben. Noch weiter östlich, zwischen Taurusgebirge und Euphrat, formierte sich um die Mitte des 2. Jh.s v. Chr. das Königreich von Kommagene. Engelbert Winter führt den Leser auf den sagenhaften, über 2000 m hohen Nemrud Dag, auf dem sich das Grabmal von König Antiochos I. mit seinen bis zu 10 m hohen Götterstatuen befindet.
In vorhellenistischer Zeit war Judäa ein kleiner Vasallenstaat unter persischer Oberhoheit. Nach Alexanders Tod (323 v. Chr.) wurde es zunächst von den Ptolemäern kontrolliert und fiel um 200 v. Chr. an die Seleukiden. Das Verbot des jüdischen Kultes durch Antiochos IV. im Dezember 168 v. Chr. löste, wie im Alten Testament erzählt wird, den Makkabäeraufstand aus, an dessen Spitze sich die Familie der Hasmonäer setzte. Obwohl sich diese als Verteidiger jüdischer Traditionen und des Jerusalemer Tempels darstellten, schreibt Andreas Hartmann, suchten sie doch die Einbindung in die hellenistische Staatenwelt.
Erben des Seleukidenreiches im iranisch-mesopotamischen Raum waren seit Mitte des 3. Jh.s v. Chr. die Parther, eine Dynastie, die auf Arsakes I. zurückging. In seinem Artikel stellt Andreas Luther heraus, dass sich in der parthischen Verwaltungspraxis iranischer Einfluss bemerkbar machte. Gleichwohl führten Könige wie Mithradates I., Orodes I. oder Phraates IV. den griechischen Beinamen Philhéllen, d.h. »Griechenfreund«.
Im baktrisch-indischen Raum, dem heutigen Grenzland zwischen Afghanistan und Pakistan, begegneten sich griechisch-hellenistische und indisch-buddhistische Kultur in fruchtbarer Weise, wie Jörg-Dieter Gauger nicht allein anhand von Münzen und Inschriften deutlich machen kann. So gingen der griechische König Menander und sein Gesprächspartner, der buddhistische Weise Nagasenah, in die indische Literatur ein.
Das Gravitationszentrum des Hellenismus ist Alexander der Große und so wirft Hans-Joachim Gehrke abschließend noch ein Mal einen Blick zurück auf den Makedonenkönig. Während dieser in der Forschung nicht zu Unrecht mit Aspekten der Modernität in Verbindung gebracht wird, betont Gehrke dagegen die Alterität Alexanders und seiner Zeit, besonders im Hinblick auf ihr ›anderes‹ Verständnis von Religion, Mythos und Magie.
Schließlich listen Alexander Boss und Christopher Schliephake die wichtigsten Daten des hellenistischen Zeitalters auf. Das Jahr 30 v. Chr., der Tod der Kleopatra VII. und die Einverleibung Ägyptens in das Römische Reich, stellen die entscheidende historische Zäsur dar, wenngleich der Hellenismus als ›geistige‹ Macht auf den Feldern der Kunst, Philosophie und Dichtung noch weit in die römische Kaiserzeit hineinwirkte. Ebenso die Gestalt des epochemachenden Makedonen: Glaubte doch noch der spätantike Kaiser Julian (355–361/63 n. Chr.), dass die Seele Alexanders in ihm wieder auferstanden sei (Sokrates, Kirchengeschichte 3, 21, 7).