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Eine glanzvolle Karriere
ОглавлениеZentrale Voraussetzung für die Karriere des Diadems in hellenistischer Zeit war dessen sich über mehr als ein halbes Jahrhundert hinweg vollziehender Bedeutungswandel nach dem Tod Alexanders des Großen am 10. Juni 323 v. Chr., der mit einer völligen Neugestaltung der politischen Landkarte der östlichen Mittelmeerwelt einherging.
Zunächst war das Diadem, von dem es aufgrund seiner stofflichen Konsistenz schon zu Alexanders Lebzeiten mehr als ein Exemplar gegeben haben muss, zwar nicht in untrennbarer Symbiose mit dem Leichnam des toten Königs verbunden, doch wurde ihm eine stark personale Komponente zugeschrieben, so dass es quasi als ein Symbol für Alexander aufgefasst werden konnte. Zugleich konnte das Diadem aufgrund seiner hohen semantischen Spezifität und exklusiven Bezogenheit auf Alexander auch als ein Symbol für das von diesem eroberte und von seiner Person zusammengehaltene Reich konzeptionalisiert werden. Während die erste Bedeutungszuschreibung an das Diadem aufgrund der Interessenlage der Akteure rasch wieder von der politischen Bildfläche verschwand, verlor sich die zweite Sinnkomponente des Diadems erst in den Jahrzehnten nach dem langen »Jahr der Könige«, einem echten ›Epochenjahr‹ für die hellenistische Geschichte. Nach der Ermordung von Alexanders postum geborenem Sohn 310 v. Chr. war für die in den Kämpfen um den ›Platz an der Sonne‹ in Alexanders ehemaligem Reich verbliebenen Akteure die letzte Hemmschwelle gefallen: Zwischen 307/6 und 303/2 v. Chr. nahmen zuerst Antigonos Monophthalmos und sein Sohn Demetrios Poliorketes (s. den Beitrag von S. Diefenbach) sowie dann auch Lysimachos (Abb. 1), Ptolemaios I. (s. die Beiträge von H. Klinkott und S. Pfeiffer), Seleukos I. (s. den Beitrag von K. Ehling) und Kassandros jeweils nach militärischen Erfolgen mit dem Anspruch auf das gesamte Alexanderreich den Königstitel an und begannen – wohl mit Ausnahme des Letzteren – zugleich Diademe zu tragen.
Abb. 1 Tetradrachme des Lysimachos mit dem Bildnis Alexanders des Großen aus den 290/80er Jahren v. Chr. Im Frühjahr 331 v. Chr. besuchte Alexander das Heiligtum des Zeus-Ammon in der ägyptischen Wüstenoase Siwa (s. den Beitrag von J. Malitz). Mit dem Attribut dieses Gottes, dem Widderhorn, lässt Lysimachos den großen Makedonen auf seinen Münzen darstellen. Das gebogene Horn ist am Diadem angebracht.
Diese Vervielfältigung eines ursprünglich allein das personale Königtum Alexanders des Großen symbolisierenden Zeichens und sein Einsatz durch die neuen Könige bedingten einen doppelläufigen Prozess: die semantische Umwertung des Diadems zu einer grundsätzlichen Insignie für das Königtum und die Nivellierung seines exklusiven Alexander(reichs)bezugs. Die Verwendung von Diademen auch bei den Nachfolgern der Diadochen ist die Fortsetzung dieser Entwicklung in den ersten Jahrzehnten des 3. Jh.s v. Chr. (Abb. 2), die ihren vorläufigen Endpunkt im zweiten Viertel dieses Jahrhunderts erreicht: Diademträger lassen sich von da an auch unter Herrschern ausmachen, die keinerlei Bezug zu Alexander oder dessen Reich aufweisen konnten – wie etwa die Beispiele des syrakusanischen Monarchen Hieron II. (s. den Beitrag von M. Dreher und M. Müller) und der spartanischen Könige Kleomenes III. (s. Abb. 1 im Beitrag von E. Baltrusch) und Nabis zeigen. Schließlich verwandten seit dem 2. Jh. v. Chr. sogar nichtgriechische Herrscher in bestimmten Kontexten das Diadem als Teil ihrer königlichen Tracht – man denke hier etwa an die jüdische Dynastie der Hasmonäer oder die asarkidischen Könige (s. die Beiträge von A. Hartmann und A. Luther).
Das Diadem war ab dem frühen 3. Jh. v. Chr. ein eindeutiges Symbol für all diejenigen, die sich der in der hellenistischen Welt entstandenen politischen Zeichensprache stets oder in spezifischen Kommunikationskontexten bedienen wollten und den Anspruch erhoben und durchsetzen konnten, Könige zu sein. Über Natur und Charakter der sich hinter dem Begriff ›König‹ verbergenden zahlreichen Ausformungen von Alleinherrschaft sagt das Diadem, das nie einen territorialen Bezug aufwies oder eine staatsrechtliche Komponente besaß, allerdings nichts aus.
Abb. 2 Tetradrachme des Seleukidenkönigs Alexander I. (150–145 v. Chr.) mit ›klassischer‹ Königsbinde. Der wahrscheinlich illegitime Sohn des Antiochos IV. kam mit Hilfe der Ptolemäer (s. den Beitrag von S. Pfeiffer) auf den syrischen Königsthron. Über seine Regierung wird ausführlich im ersten biblischen Makkabäerbuch berichtet.
Unklar bleiben müssen bezüglich des Diadems in hellenistischer Zeit zwei wichtige Aspekte, die mit monarchischen Symbolen grundsätzlich auf das Engste verbunden sind: einerseits die Frage nach der Einbindung des Diadems in Investiturakte – das Wissen über die Existenz und den Ablauf derartiger Rituale ist für die hellenistische Zeit so begrenzt, dass man nur unterschiedliche Formen postulieren kann. Andererseits gibt es hinsichtlich weiblicher Diademträgerinnen (s. Abb. 1 im Beitrag von M. Clauss) mehr Fragen als Antworten.
Um die offenen Fragen zum Diadem im Hellenismus beantworten und neue stellen zu können, wäre eine ›histoire totale‹ dieses königlichen Zeichens ein lohnendes Unterfangen; zugleich könnte dies auch ein Beitrag zu einem noch besseren Verständnis der Monarchie in der hellenistischen Welt sein.