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Alexander der Große

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von Jürgen Malitz

In nicht mehr als zwölf Jahren (334–323 v. Chr.) wurde Alexander der Große zu einer der bedeutendsten Gestalten der Antike, die wie wenige andere auch die Nachwelt bis heute fasziniert. Wer nach ihm den Anspruch auf den Königstitel erhob, musste sich an dem messen lassen, was für die griechische Welt erst durch ihn als ›königlich‹ erwiesen worden war: sein Charisma, seine persönliche Tapferkeit und strategische Begabung, unerschöpfliche Energie und sein herrscherliches, durch keinerlei finanzielle Rücksichten eingeschränktes Auftreten.

Der 356 v. Chr. geborene Sohn der epirotischen Fürstin Olympias und Philipps II. von Makedonien erlebte in der Zeit seines Heranwachsens, wie sein Vater, glänzender Stratege und zugleich erfolgreicher Diplomat, das Königreich in eine Großmacht verwandelte. Philipp sorgte für die denkbar beste Erziehung und Ausbildung des Sohnes; der Nachwelt blieb der Unterricht bei Aristoteles in besonderer Erinnerung.

Philipps II. Herrschaft seit 356 war durchaus eine Voraussetzung für Alexanders spätere Erfolge. Die vom König geschaffene Professionalität der Armee, die durchdachte Organisation des neuen, keineswegs homogenen makedonischen Reiches, aber auch die Steigerung der repräsentativen Formen königlicher Herrschaft hatte Alexander selbst miterlebt. Die Griechen hatten nach der Schlacht von Chaironeia (338 v. Chr.) Philipps Vormachtstellung anerkennen müssen und ihm sogar die Vollmacht für einen ›Rachefeldzug‹ für das im Perserkrieg der Jahre 479/78 v. Chr. erlittene Unrecht erteilt. Der Feldzug gegen den Perserkönig Dareios III. war schon eröffnet, als Philipp II. im Sommer 336 einem persönlich motivierten Attentat zum Opfer fiel.

Der 21-jährige Kronprinz, der sich schon mehrfach militärisch ausgezeichnet hatte, wurde von der makedonischen Heeresversammlung als Nachfolger anerkannt und bekam damit auch die Möglichkeit, den Feldzug gegen die Perser zu übernehmen. Das Heer, mit dem er im Frühjahr 334 v. Chr. den Hellespont überschritt, war schon für die Zeitgenossen erstaunlich klein, wohl nicht viel mehr als 30.000 Mann von sehr gemischter Zusammensetzung, darunter nur 12.000 Makedonen.

Den Übergang von Europa nach Asien inszenierte Alexander mit Opfern, die Griechen (und Persern) den Angriff des Xerxes im Jahre 479 v. Chr. in Erinnerung bringen sollten. Nicht alle antiken Berichte überliefern den Speerwurf des Königs vom Schiff aus in den Boden Asiens, eine Geste, die, wenn sie historisch ist, von Anfang an seinen Besitzanspruch auf alles demnächst eroberte Land demonstrierte.

Die persischen Satrapen ließen Alexander ungehindert in Kleinasien landen und wurden gleich am Granikos geschlagen, mit höchstem persönlichem Einsatz des Königs. Ein schneller Vormarsch führte zur Vertreibung der Perser aus dem Westen Kleinasiens. Nach der Unterwerfung von Lykien und Pamphylien erreichte Alexander im Frühjahr 333 v. Chr. Gordion in Phrygien und zog weiter südlich in Richtung Syrien, um Dareios III. zur Schlacht zu stellen. Bei Issos errang Alexander einen eindrucksvollen Sieg über den zahlenmäßig deutlich überlegenen Gegner; Dareios III. zog sich nach Osten zurück, um erneut eine Armee aufzustellen.

Alexander hat ihn nicht sofort verfolgt, sondern entschloss sich stattdessen zur Sicherung Phöniziens und zum Marsch nach Ägypten. Frühere Konflikte mit den Persern führten zur schnellen Akzeptanz Alexanders durch die einheimische Elite der Priesterschaft. In Ägypten wurde das nach ihm benannte Alexandreia die erfolgreichste aller seiner Stadtgründungen.

Der Besuch des Orakels in der Oase Siwa war Alexander dem Großen im Frühjahr 331 v. Chr. eine beschwerliche Reise durch die Wüste wert. Die dort von Ammon-Zeus empfangenen Orakel-Antworten, über deren Inhalt viel spekuliert wurde, müssen eine tiefe Wirkung entfaltet haben; die Erfolge seines Feldzugs bestärkten Alexander offenbar in dem Gefühl, an die üblichen Maßstäbe politischen und militärischen Handels nicht wirklich gebunden zu sein.

Im Herbst 331 v. Chr. kam es bei Gaugamela, im Norden des heutigen Irak, zur Entscheidungsschlacht. Nach der Niederlage gegen Alexanders wiederum brillant geführte Armee flüchtete der Großkönig nach Osten, wo er im folgenden Jahr von einem Prätendenten getötet wurde.

Vom ›Rachefeldzug‹ konnte seitdem keine Rede mehr sein – es ging um weitere Eroberungen. Einige Quellen berichten, dass Alexander sich nach dem Sieg zum »König von Asien« ausrufen ließ. Das Vorbild Philipps II. erinnerte ihn freilich immer daran, dass Erhalt und Ausbau der Macht auch einer Organisation bedurften. Die erste Grundsatzentscheidung war es, ehemalige iranische Amtsträger, soweit sie selbst Loyalität versprachen, in die neu entstehenden Strukturen einzubinden. Die Ernennung des Mazaios zum Satrapen von Babylon, der noch bei Gaugamela gegen Alexander gekämpft hatte, war deshalb ein wichtiges Signal.

Die Verfolgung des Dareios III. führte Alexander den Großen in die östlichen Satrapien. Je länger er dort gegen einen zunehmend auch ›national‹ motivierten Widerstand zu kämpfen hatte, desto klarer wurde ihm, dass seine künftige Herrschaft nicht allein im Rahmen der überkommenen makedonischen Traditionen zu stabilisieren sei. Spätestens nach der Ermordung von Dareios III. im Jahre 330 v. Chr. übernahm Alexander deshalb auch Attribute der persischen Herrschaft, um sich die Loyalität der ehemaligen Untertanen des Großkönigs zu sichern.

Die Feldzüge im Gebiet des heutigen Afghanistan, das formal den Persern untertan gewesen war, zogen sich über drei Jahre hin. Es folgte im Jahre 326 v. Chr. der Übergang nach ›Indien‹, dem heutigen Pakistan. Auch hier hatten die Perser schon einmal geherrscht, doch wichtiger als die Anerkennung durch die einheimischen Fürsten war wohl der – in Ermangelung zuverlässiger Kenntnisse – geografisch völlig fehlgeleitete Wunsch, im fernen Osten ›Indiens‹ das Ende der Welt, den die Erde umfließenden »Okeanos«, zu erreichen. Alexander – hier fast mehr Entdecker als Eroberer – verfolgte dieses Ziel mit einer Bedenkenlosigkeit, die auch in seinem engsten Kreis mehr und mehr Unmut hervorrief. Er selbst sprach vom »Pothos«, dem unbezwingbaren Drang nach Neuem und Unerreichtem.

Besonders dieser Teil des Feldzuges ist zugleich ein Beleg für die unveränderte Faszination, die Alexander der Große auf seine gesamte Umgebung, hoch und niedrig, ausübte. Die Truppen erduldeten gefährliche Kämpfe mit den als Waffe bisher unbekannten Elefanten (s. den Beitrag von K. Ehling) und marschierten im Dauerregen des Monsuns. Die meisten hohen Offiziere, die nach Alexanders Tod um die Vormacht kämpften, hatten diese Anstrengungen miterlebt.

Im Herbst 326 v. Chr. kam es zu einer Meuterei, die Alexander zur Umkehr zwang. Er führte das Heer durch Pakistan zurück nach Süden, in Richtung des heutigen Karatschi. Mehr als an die Strapazen und die auf diesem Rückzug besonders rücksichtslose Kampfführung erinnerten sich die Begleiter Alexanders aber an einen Eroberungs- und Entdeckungszug ohnegleichen. Es ist kein Zufall, dass Alexander, der Herakles mit dem Löwenfell auf seine wichtigsten Münzen setzte (Abb. 1), schon bald nach seinem Tod von Ptolemaios I. (s. den Beitrag von S. Pfeiffer) mit dem Skalp eines Elefanten als Kopfschmuck auf Münzen porträtiert wurde (Abb. 2).


Abb. 1 Eine der wichtigsten Prägungen Alexanders zeigt Herakles, geschmückt mit dem Löwenfell – aber wohl schon antike Betrachter waren unsicher, ob nicht doch der König selbst gemeint sei.


Abb. 2 Kurz nach Alexanders Tod setzte Ptolemaios I. dieses Porträt auf seine Tetradrachmen: Der König trägt ein Diadem und die Widderhörner, die seine Beziehung zu Ammon, dem Gott des Orakels von Siwa, demonstrieren, sowie (von der Größe her noch unrealistischer als ein Löwenskalp) einen Elefantenskalp zur Erinnerung an den indischen Feldzug.

Im Sommer des Jahres 325 v. Chr. erreichte der Zug den Süden Pakistans. Von hier aus organisierte Alexander der Große die Rückkehr zu den Zentren des Perserreichs auf dem Weg durch die Wüstengebiete des heutigen Belutschistans und an der Küste des Golfs von Oman entlang. Diese Flottenfahrt diente der Erkundung und Erschließung einer wichtigen neuen Verkehrsader; der Marsch durch die Gedrosische Wüste sollte wohl beweisen, dass der König selbst nach den Entbehrungen der letzten Jahre über ein Heer verfügte, das allen Naturgewalten gewachsen sei. Erst im Frühjahr 324 v. Chr. kehrte er zurück, zuerst nach Susa, einer der alten Hauptstädte des Reiches; Anfang 323 zog er wieder in Babylon ein, das er acht Jahre vorher verlassen hatte.

Alexander, mehrfach schwer verwundet, war sicher nicht mehr so gesund wie zu Beginn des Feldzuges, doch hätte sich bei der Ankunft in Susa auch niemand vorstellen können, dass dem König nur noch achtzehn Monate bleiben würden. Alexander entwickelte unverzüglich Feldzugspläne, die vermutlich noch seine kampferprobtesten Generäle verzagen ließen, doch dachte er auch über die Zukunft seines Reiches nach.

Philipp II. war bei den Griechen bekannt für die vielen Ehefrauen, die er nach Maßgabe politischer Nützlichkeiten geheiratet hatte. Alexander schloss seine erste offizielle Ehe im Jahre 327 v. Chr. Er heiratete Roxane, die Tochter eines seiner gefährlichsten Widersacher im umkämpften Baktrien. Der politische Aspekt der Ehe ist nicht zu leugnen, doch ist unbestritten, dass auch Zuneigung eine Rolle spielte. Ein Kronprinz aus dieser Verbindung, der tatsächlich einige Monate nach Alexanders Tod zur Welt kam, würde die Weite des neu eroberten Reiches in besonderer Weise unter Beweis stellen. Ähnliche Hochzeiten seiner Generäle mit adeligen Frauen der indigenen Elite hatte Alexander 324 in Susa angeordnet und zugleich selbst eine persische Prinzessin geheiratet.

Diesen ersten Schritten einer dynastischen Politik entsprachen die zunehmende Integration von Attributen der großköniglichen Herrschaft und die Entwicklung eines ›Hofes‹ (s. den Beitrag von G. Weber). Skeptische Makedonen und Griechen hatten schon im Jahre 327 v. Chr. einen Vorgeschmack davon bekommen, als der König den Versuch machte, das Hofzeremoniell in seiner direkten Umgebung an die neuen Umstände anzupassen. Griechische Quellen berichten von dem missglückten Versuch, von allen Mitgliedern des Hofes die persische Form der ehrerbietigen Begrüßung des Herrschers, die sog. Proskynese, zu verlangen. Alexander hatte dabei unterschätzt, wie sehr diese Geste missverstanden werden konnte: So gut wie keiner der damals anwesenden Makedonen und Griechen mochte bei der Proskynese davon absehen, dass man jetzt den König so ehren sollte, wie man in Griechenland die Götter zu verehren pflegte.

Auch die geringer werdende Bedeutung der Makedonen für die Armee des Reiches stieß auf Argwohn. Es hatte schwere Verluste gegeben, und es war fast unmöglich geworden, neue Rekruten aus Makedonien zu bekommen. Alexander verstärkte deshalb die Integration iranischer Truppen in die Armee. Im Jahre 324 v. Chr. hatten die »Epigonen«, iranische Rekruten, ihre militärische Ausbildung im makedonischen Stil abgeschlossen. Wenige Monate vor Alexanders Tod wurden sogar Einheiten aufgestellt, in denen Makedonen und Iraner gemeinsam dienten.

Ein Beispiel für Alexanders sorgsame Unterscheidung zwischen dem, was Makedonen (und auch Griechen) zuzumuten war, und dem, was er für die Akzeptanz bei den Besiegten, den ›Barbaren‹, an ›orientalischer‹ Selbstdarstellung für nötig hielt, ist ein Text über das höfische Zeremoniell, das Alexander bei der Rechtsprechung (und sicher nicht nur dort) entfalten ließ. Die zu Beginn des Quellentextes genannten Baktrer, Hyrkaner und Inder lassen vermuten, dass sich dieses Zeremoniell bereits lange vor der Rückkehr aus Indien im Jahre 324 v. Chr. stufenweise entwickelt hat.

»Wenn Alexander bei Makedonen und Griechen Recht sprach, hielt er es für richtig, einen schlichten und bescheidenen Gerichtsplatz zu haben, bei den Barbaren aber bevorzugte er einen prächtigen, einem Feldherrn angemessenen Platz, wobei er die Barbaren allein schon durch dessen Ausgestaltung in Staunen versetzte. Wenn er bei Baktrern, Hyrkanern und Indern zu Gericht saß, verfügte er über ein Zelt dieser Art: Es bot Platz genug für 100 Liegen; es wurde getragen von 50 goldenen Pfosten, und goldene, reich verzierte Baldachine waren darüber gespannt. Im Zelt standen in der ersten Reihe 500 persische Apfelträger in purpurner und leuchtend gelber Kleidung. Hinter den Apfelträgern war die gleiche Zahl von Bogenschützen in anderer Kleidung postiert, einige feuerrot, einige dunkelblau, andere scharlachfarben. Vor ihnen standen dann schließlich 500 der größten Silberschildner. In der Mitte des Zeltes befand sich der goldene Thron, auf dem Alexander Audienzen gab. Wenn er Recht sprach, standen die Leibwächter auf beiden Seiten. Rings um das Zelt hatten das vom König gemusterte Elefanten-Korps und tausend Makedonen in makedonischer Uniform Aufstellung genommen; dann kamen 500 Susianer in purpurnen Gewändern, und nach ihnen, alle im Kreis, 10.000 der ansehnlichsten und größten Perser, angetan mit dem schönsten persischen Schmuck, und ausgerüstet mit persischen Kurzschwertern. So sah Alexanders Gerichtsstätte bei den Barbaren aus.«

(Polyainos 4, 3, 24, Übersetzung: J. Malitz)

Auf die Strukturierung des Erreichten hat Alexander der Große in den letzten Monaten seines Lebens wohl weniger Wert gelegt als nötig. Zwischen den (angeblich) unzähligen Gelagen mit seinen Vertrauten entfaltete er lieber Pläne für weitere militärische Unternehmungen. Gesichert sind die Vorbereitungen für die Eroberung der arabischen Halbinsel; noch auf dem Sterbebett gab Alexander letzte Anweisungen.

Weniger gesichert, aber keineswegs unplausibel sind die Pläne für eine Eroberung des gesamten westlichen Mittelmeerraums. Im Jahre 324 v. Chr. verfügte er vielleicht nicht schon über den besten Verwaltungsapparat, dafür aber über eine Armee, der unter seinem Kommando kein Gegner im Westen der Oikumene gewachsen gewesen wäre. Selbst in Italien hatte man schon davon gehört: Im Januar 323 v. Chr. kamen Gesandte der Etrusker und der Völker Süditaliens in Babylon an.

Im Juni 323 v. Chr. starb Alexander an einem Fieber, vielleicht Malaria. Einen designierten Nachfolger hatte er nicht, und niemand wusste, ob die schwangere Roxane Mutter eines Kronprinzen werden würde. Als Eroberer und Herrscher hatte er mehr erreicht als je ein Mensch vor ihm. Er herrschte über ein Reich, wie es in diesem Umfang nie vor ihm einem Einzelnen untertan war – selbst die erfolgreichsten der persischen Großkönige hatte er in den Schatten gestellt. Vermutlich starb er in dem Gefühl, sich nur noch mit Gestalten der griechischen Mythologie vergleichen lassen zu müssen.

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