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1.3. „Identität“

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Als Alternative zu „christliches Abendland“ kann „pluralistische Identität“ nicht gemeint sein, weil die beiden Konzepttermini auf Unterschiedliches zielen. „Abendland“ erfasst einen Raum und eine Zeit, eben das lateinisches Europa in seinem Bezug auf die Vergangenheit der griechisch-römischen Mittelmeerzivilisation („Antike“) und prospektiv auf die westliche Moderne. Das Wort „Identität“ hingegen bezeichnet Zugehörigkeitskonzeptionen zu einem Kollektiv, das je nach Kontext „Gruppe“, „Ethnie“, „Volk“, „Nation“, „Kultur“ usw. genannt wird. Eines aber haben diese beiden Worte gemein: Auch „Identität“ ist wie „Abendland“ wesentlich im Raum der politischen Sprechens heimisch; im akademischen Raum, wo es um analytische Termini geht, ist „Identität“ seit zumindest zwei Jahrzehnten eine Problemvokabel. Mit Buchtiteln wie Visions of Community, Strategies of Identifikation oder Strategies of Distinction markieren Geisteswissenschaftler ihre Suche nach neuen Deutungsmodellen, um Phänomene von community construction oder identification zu fassen.9 Dabei geht es um ein ganzes Bündel von Konzepten, die derzeit diskutiert oder rekonfiguriert werden, um die Vergangenheit Europas in einer heute akzeptablen, nicht latein-eurozentrischen Weise zu deuten, insbesondere „Ethnizität“, „Ethnos“ oder „Ethnie“, „Volk“, „Gruppe“ oder „ethnische Gruppe“, „Zugehörigkeit“, „Identifikation“ und einige mehr. All diese Worte tauchen auf, wenn die Zugehörigkeit von Individuen zu Kollektiven diskutiert wird.

Walther Pohl und Helmuth Reimitz, die an diesen Diskussionen maßgeblich beteiligt sind, halten dennoch an dem Konzeptterminus „Identität“ fest mit dem Argument, man könne die Konzepte „Identität“ und „Gruppe“ so definieren, dass die Konstruiertheit und Fluidität vergangener Zugehörigkeitskonzepte wissenschaftlich fassbar wird. Sie wollen einen konstruktivistischen Begriff von „Identität“ durchsetzen, der es zulässt, dass ein Gote im sechsten Jahrhundert nicht einmal eine Generation brauchte, um sich „Franke“ zu nennen.10 Andere, besonders Rogers Brubaker, argumentieren, dass genau damit, mit der – richtigen und notwendigen – Betonung des Konstruktivistischen, das Konzept „Identität“ abgeschafft sei, folglich verschwinden müsse. Mit dem Gebrauch des Terminus „Identität“ bediene man ein „essentialistisches“ Konzept, könne „reifizierenden [verdinglichenden] Konnotationen“ nicht entkommen, mache „Identität“ gewissermaßen zu einem festen Attribut, statt Zugehörigkeit als permanent mutierendes diskursives Element zwischen Zuschreibungen, Selbstkonzeptionen und den vielen verschiedenen, kontextabhängigen Rollenzuschreibungen eines Individuums fassen.

Beide Standpunkte wollen offensichtlich etwas ähnliches, nämlich die historischen Konstruktionsweisen von sozialen oder kulturellen Zugehörigkeiten als instabile diskursive Phänomene methodisch fassen. Sie sind sich aber im Vorgehen uneins. Derzeit folgt der Wissenschaftsbetrieb eher der Argumentation Brubakers und meidet das Wort „Identität“.11

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