Читать книгу Handbuch der Medienphilosophie - Группа авторов - Страница 20
3.4 Medien als Techniken und Ökologien
ОглавлениеRechnen klassische Medienbegriffe stets nach Gewinn und Verlust, ist es gleichzeitig ihr einsitzender ontologischer Mangel, der sie zutiefst paradox erscheinen lässt. So bestimmte Hegel das Mediale durchweg als Eintrübung – ein Topos, der später in den marxistischen Medienkritiken, vor allem der massenmedialen Unterhaltung, wiederholt wird (Mersch 2006: 57ff.). Dieser Ambivalenz des Medialen – seiner impliziten Teleologie wie seiner chronischen Unerfülltheit – widerspricht allerdings entschieden das vierte, heute durchweg verabsolutierte Leitmodell, das das Mediale umstandslos als Technik rekonstruiert, um sie im selben Moment als anthropologische Konstante auszubuchstabieren. Techniken werden dabei nicht als Mittel oder Werkzeuge, d.h. instrumentalistisch verstanden, was bedeuten würde, sie durchgängig Zweck-Mittel-Relationen zu unterwerfen und sie folglich von ihrem Gebrauch oder Entwurf her zu verstehen (Hörl 2011) – und damit erneut metaphysisch zu sanktionieren. Denn der Instrumentalismus birgt das doppelte Versagen sowohl einer Neutralisierung des Technischen als auch seiner passivischen Vorentscheidung, als sei es nur Mittel und nicht ebenfalls Zweck (McLuhan 1970: 17ff.). Zugleich restituiert er die Ontologie des Mangels, denn er versteht den Menschen, nackt und seiner Überlebensmittel beraubt, tendenziell als Mängelwesen, das sich durch Technik seine Existenzmöglichkeiten allererst zu sichern weiß.
Demgegenüber geht es den genannten Ansätzen darum, die Primordialität des Technischen und seiner intrinsischen Produktivität zu behaupten, um auf diese Weise die Technik an das antike Verständnis der techne zurückzubinden und sie den Künsten anzunähern. Es war vor allem Kittler (1986, 1993), der im Anschluss an Heideggers Technikkritik diese ins Affirmative wendete, um den neuesten Stand der Technik, die digitale Technologie und ihre kulturelle Zäsur zum unbedingten Kriterium zu erheben und von dort aus das Mediale, jenseits aller scheinbaren metaphysischen Vorurteile, neu zu formatieren (Winthrop-Young 2005). Mit dem Computer als Turingmaschine und der Turingmaschine als ‚Universeller Diskreter Maschine‘ (UDM), welche alle bekannten Medienformate inkludierte und emulierbar machte, glaubte er zugleich, ein generelles Modell zu besitzen, das die überlieferten Medienbegriffe ein für alle Mal erledigen würden.