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5.3 Politische Ohnmacht und überzeugende Autorität
ОглавлениеIn Jes 2,4 wird die Mediation als ein schiedsgerichtliches Verfahren dargestellt, wobei auch belehrende und erzieherische Elemente dazu kommen können: Die sich streitenden Völker kommen freiwillig nach Jerusalem, tragen vor den prophetischen Richtern ihre Klagen vor, erhalten von ihnen Weisung und Belehrung und akzeptieren – ebenso freiwillig – das von den Richtern in ihrem Rechtsstreit gefundene Urteil. Die Mediatoren haben somit eine richterliche Befugnis; sie bringen die sich streitenden Parteien nicht nur dazu, selber eine Konfliktlösung zu finden. Aber sie verfügen offenbar über keinerlei Zwangsmittel, ihr Urteil gegen den Willen der Parteien durchzusetzen.
Bei einem solchen Mediationsverfahren orientierte sich der Autor von Jes 2,2–4 offenbar an der typischen zivilen Rechtsprechung im Israel der vorstaatlichen und frühen staatlichen Zeit, dem sog. ‚Torgericht‘.45 Auf die Klage eines Geschädigten trafen hier die sich streitenden Familien im Tor der Ortschaft zusammen und die als Richter fungierenden Ältesten fällten nach Anhörung der Parteien einen Schiedsspruch, bei dem es sich mehr um einen Streitbeendigungsvorschlag handelte, der auf die Akzeptanz durch die Betroffenen angewiesen war.46 Auch hier verfügten die Richter über keine Zwangsmittel, ihr Urteil durchzusetzen. Seine Geltung beruhte auf der Güte des gefundenen rechtlichen Ausgleichs, der Autorität der Richter und dem Gruppendruck der Öffentlichkeit.
Beim prophetischen Konzept schiedsgerichtlicher Schlichtung internationaler Konflikte von Jes 2 sind es grundsätzlich die gleichen Mechanismen, die dem auf dem Zion gesprochenen Urteil Geltung verschaffen, nur nehmen hier die prophetischen Richter zusätzlich die göttliche Autorität für sich in Anspruch. Dieses Vorgehen kann allerdings nur deswegen dem sofortigen Verdacht einer bloßen ideologischen Verbrämung eigener Interessen entgehen, weil diese Mediatoren aus einer bewusst eingenommenen Ohnmachts- und Außenseiterposition heraus handeln, die ihre absolute Überparteilichkeit in dem verhandelten Konflikt glaubwürdig macht. Oder anders herum: Die religiöse Überhöhung des Mediationsvorganges sichert die Exterritorialität der Mediatoren im Konfliktfeld und stattet sie trotz notwendiger politischer Ohnmacht mit einer ‚außerweltlichen‘, einer geistlichen Autorität aus.