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Autor und Tendenz der Fälschung

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Umsomehr suchte man jetzt den Vater und die Tendenz des Schriftstückes zu eruiren. Natalis Alexander168zählt folgende Hypothesen auf: 1) Die des Varonius, welcher meinte, unsere Urkunde sei von den Griechen verfaßt worden zum Beweise, daß der kirchliche Primat von den Kaisern, nicht von Christus eingesetzt worden sei; allein gibt man auch zu, daß in unserem Documente Silvester als der vom Kaiser erklärte Primas und Papst erscheint, so ist doch die Hypothese des Baronius schon deßhalb unhaltbar, wel in demselben die griechischen Patriarchen ausdrücklich dem Papste unterworfen werden, was in eine Parteitendenzschrift schismatischer Griechen gewiß nicht paßt. 2) Die des Johannes Morinus, welcher den in dem oben erwähnten Schreiben Otto’s III. bezeichneten „Diakon Johann mit den verstümmelten Fingern„ als Autor der Schenkungsacte annimmt, und weil ein solcher sonst nirgends erscheint, will Morinus denselben in jenem Diakon Johannes erkennen, der im J. 963 vom P. Johann XII. aus Rache für die Vertreibung vom päpstlichen Stuhle durch Otto I. als ergebener Agent desselben an Zunge, Nase und zwei Fingern verstümmelt wurde; aber unsere Urkunde war schon mehr als 100 Jahren bekannt und stand schon 850 in Pseudoisidors Sammlung.169 3) Die ganz unbegründete Vermuthung des Bischofes Petrus de Marca, welcher die Fälschung dem römischen Papste im Einverständnisse mit Pipin zuschreibt, und zwar hätten diese dadurch den Ansprüchen der griechischen Kaiser auf die von Pipin eroberten und dem Papste geschenkten Länder begegnen wollen. 4) Am Schlüsse fügt Natalis seine eigene Ansicht an, indem er Pseudoisidor für den Vater des fraglichen Schriftstückes erklärt; aber auch dieser Meinung können wir natürlich nicht beitreten. Wir müssen wohl darauf verzichten, den Verfasser unseres Documentes zu constatiren und uns damit begnügen, erklären zu können, daß dasselbe wohl nicht lange vor Pseudo-Isidor höchst wahrscheinlich dort, wo es zuerst bekannt und benutzt wurde, entstanden sei, also im Frankenreiche. Dem Verfasser lag als Materiale Wahres und Erdichtetes vor; denn es ist gewiß, daß „seit dem zweiten Dritttheil des 4. Jahrh. und aus Anlaß der Bekehrung Constantins zum Christenthume ein Kirchenstaat emporkeimte, sofern theils Constantin selbst,170theils in Folge der Gesetze, welche er oder seine nächsten Nachfolger zu Gunsten des Christenthumes erließen, Tausende reicher Eigenthümer ausgedehnte Latifundien an Petri Stuhl vergabten, welche nach und nach zu mehr oder minder geschlossenen Ganzen anschwollen; erdichtet dagegen ist, daß Constantin eine Schenkungsurkunde ausfertigte, welche Rom und Italien oder gar die Herrschaft über das gesammte Abendland dem Stuhle Petri zusprach. Die Volkssage liebt es überall, das große Messer zu füh- ren, insbesondere aber Erscheinungen, welche die Frucht allgemeiner Verhältnisse sind, an bestimmte Persönlichkeiten, die auf die fraglichen Verhältnisse einwirkten, anzuknüpfen. Die sog. goldene Bulle Constantins aber ist allen Anzeichen nach ursprünglich aus der Volkssage herausgewachsen.“171 Die thatsächlichen Schenkungen und Privilegiumsverleihungen Constantins an die Kirche und ihre Diener schmückte der Impostor größtentheils mit den in den apokryphen Acten des P.Sylvester172niedergelegten Legenden und mit den Ideen seiner Zeit in roher Form und grellen Übertreibungen aus. Eine bestimmte Absicht getraue ich mir demselben nicht unterzuschieben, wenn man sie nicht etwa in dem Bestreben der damaligen Zeit finden will, für alles Bestehende oder in der Entwicklung Begriffene alte Documente zu finden oder zu erfinden; und gerade diese unsere Schenküngsurkunde möchte ich keine glückliche Erfindung nennen; denn für das Accidentelle, Materielle, für die unerhört und unsinnig große weltliche Macht, die dem Papste zugetheilt wird und den Stempel der Lüge oder Übertreibung an der Stirne trägt,173 ist das Wesentliche, Geistliche, der göttliche Primat des Papstes preisgegeben und dem kaiserlichen Machtspruche zu verdanken. Die von Gfrörer174 beliebte Hypothese, daß unser Document von einem dem Könige Carl dem Kahlen ergebenen fränkischen Bischöfe gemacht sei, um gegen den Kaiser Ludwig II., welcher sämmtliches Kirchengut einzuziehen und seinen Thron in Rom selbst aufzurichten strebte, zu opponiren, ist chronologisch unhaltbar. Döllinger (I. c. S. 69 ff.) läßt unsere Urkunde von einem römischen Kleriker zwischen den Jahren 750 und 774 in der Absicht fabriciren, um den Anspruch der Päpste auf ganz Italien als einen rechtmäßigen, schon von dem ersten christlichen Kaiser gewollten zu documentiren; dagegen kann man wohl mit Recht entgegnen, daß das Document, wenn es auf Anstiften der Päpste gefälscht worden wäre, bezüglich der geistlichen Macht gewiß ganz anders hätte lauten müssen, daß es ferner unbegreiflich wäre, ein falsches Document zu seinen Gunsten zu erdichten und dasselbe dann nicht zu benutzen; Döllinger selbst gesteht, daß seit Hadrian I. kein Papst mehr sich darauf berief bis zu Leo IX., also bis 1053; wie will man es endlich erklären, daß ein angeblich in Rom verfertigtes Document in Italien so lange unbekannt und unbenutzt geblieben, dagegen im Frankenreiche seit der Hälfte des 9. Jahrh. allgemein verbreitet war?

Das Document selbst, welches in mehreren griechischen und lateinischen Recensionen existirt und hier nach Pseudo-Isidor übersetzt erscheint, theilt sich in zwei Abschnitte, deren erster, eine Art Prolog, die Taufe Constantins durch den P. Sylvester in Rom und das Glaubensbekenntniß desselben erzählt, der zweite aber die eigentliche Schenkung enthält.

Die Briefe der Päpste (42-401), Band 2

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