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Respekt und Toleranz

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Respekt geht auf das Wort ‚respicere‘ zurück, das wörtlich ‚zurückschauen‘ heißt. Respekt ist offensichtlich mit Rücksicht und Nachsicht, den Kardinaltugenden der Höflichkeit, eng verwandt. Wir müssen andere allerdings erst einmal wahrnehmen, sehen und Acht geben, bevor wir auf sie Rücksicht nehmen können. Der Begriff ‚Respekt‘ changiert dabei zwischen den Polen ‚Angst‘ und ‚Bewunderung‘.

Neben Höflichkeit hat der Begriff ‚Respekt‘ einen Vorgänger, den er heute immer häufiger ersetzt: ‚Toleranz‘. ‚Toleranz‘ galt lange Zeit als eine der wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung. Warum ist dieser Begriff im Kurs gefallen? Es sind vor allem zwei Defizite, die heute die Kritik am Toleranzbegriff bestimmen:

1 Er strukturiert vertikale Beziehungen und affirmiert Hierarchien, weil er von oben nach unten gerichtet ist.

2 Er unterstreicht den passiven Charakter der Duldung, des Ertragens, Hinnehmens und Aushaltenkönnens sowie das Ignorieren und die Indifferenz. Dem Begriff der ‚Toleranz‘ fehlt somit der aktive Anteil der positiven Anerkennung, der Würdigung des Anderen, die etwas mit der Affirmation von Würde zu tun hat.

Wir können aber auf Toleranz im Sinne von ‚dulden‘ und ‚ertragen‘ auf keinen Fall verzichten, denn es gibt weiterhin vieles, womit wir leben müssen, ohne es positiv anerkennen zu können. Reichsbürger zum Beispiel werden in unserer Demokratie nicht respektiert, aber toleriert, solange sie nicht gegen die demokratische Grundordnung verstoßen. Wir dulden auch Pornografie, ohne sie zu respektieren, aber wir dulden keine Kinderpornografie.

In den letzten Jahren haben sich die Toleranzschwellen stark verschoben. Vieles, was frühere Gesellschaften selbstverständlich duldeten wie die Sklaverei, die Kinderarbeit oder den Ausschluss der Frauen aus den Bereichen Kunst, Politik und Wirtschaft, wird nicht mehr hingenommen. Dasselbe gilt für Antisemitismus und andere Formen von Rassismus. Umgekehrt dulden wir heute vieles, was frühere Gesellschaften moralisch ächteten und rechtlich verfolgten wie zum Beispiel Homosexualität. Einerseits ist das Duldungspotenzial geschrumpft: Wir sind – was die Zurücksetzung, Ausbeutung und Bevormundung von Individuen angeht – empfindlicher geworden. Andererseits ist das Duldungspotenzial gewachsen: Wir sind – was das Durchsetzen und Ausleben von Individualität angeht – sehr viel liberaler geworden.

Respekt ist nur möglich, weil Menschen sich voneinander unterscheiden. Respekt setzt damit immer schon Grenzen, Unterschiede und Ungleichheit voraus. Er beseitigt sie nicht, er hebt sie nicht auf, er hebt sie zum Teil sogar hervor, tut das aber auf eine Weise, die eine Anerkennung von Gleichheit oder Haltung der Solidarität durch alle Unterschiede durchscheinen lässt. Bislang war Respekt allerdings mit sehr viel eingeschränkteren Bedeutungen im Umlauf. Im Folgenden stelle ich in gebotener Kürze vier Varianten des traditionellen Respekt-Begriffs vor.

Toleranz - schaffen wir das?

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